Fragen und Antworten - Was die Razzia um die "Letzte Generation" bedeutet
Bei einer Razzia um die "Letzte Generation" wurden Konten eingefroren und die Homepage offline genommen. Um wie viel Geld geht es? Wie arbeitet die Aktivistengruppe nun und müssen Spender mit juristischen Folgen rechnen? Einige Fragen und Antworten.
Was ist passiert?
Im Auftrag des bayerischen Landeskriminalamts und der Generalstaatsanwaltschaft München sind Ermittlerinnen und Ermittler am Mittwoch mit einer bundesweiten Razzia gegen die Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" vorgegangen. Insgesamt wurden 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. Vier Durchsuchungen davon fanden in Berlin statt. Zudem wurden Konten beschlagnahmt und die Homepage der Organisation vom Netz genommen.
Warum kann in Bayern veranlasst werden, dass es in Berlin Durchsuchungen gibt?
Hintergrund des Einsatzes ist ein Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft München, welches sich den Angaben zufolge gegen insgesamt sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren richtet. Festnahmen gab es aber zunächst nicht. Auf Nachfrage von rbb|24 erklärte der Oberstaatsanwalt: Es habe zahlreiche Strafanzeigen aus der Bevölkerung gegeben, deswegen habe die Staatsanwaltschaft München angefangen, zu ermitteln. Währenddessen habe sich herausgestellt, dass sich die Fälle auf das Bundesgebiet ausweiten. Deswegen fungiere die Generalstaatsanwaltschaft München nun federführend, die anderen Bundesländer leisten Amtshilfe. So werde auch in anderen Fällen verfahren.
Warum wurden Konten beschlagnahmt und warum ist die Webseite offline?
Die Beschuldigten sollen eine Spendenkampagne zur Finanzierung "weiterer Straftaten" für die "Letzte Generation" organisiert, diese über deren Homepage beworben und dadurch mindestens 1,4 Millionen Euro an Spendengeldern eingesammelt haben. Das Geld sei auch überwiegend für die Begehung weiterer Straftaten eingesetzt worden, heißt es.
Was sagen die Klimaaktivisten zu der Spendenhöhe?
Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, konnte Aimée van Baalen, Sprecherin der "Letzten Generation", nicht bestätigen, dass Gelder in Höhe von 1,4 Millionen Euro beschlagnahmt wurden. Es sei noch unklar, welche Konten betroffen seien, sagte sie. Sie verwies allerdings darauf, dass die Organisation die Finanzen in einem Transparenzbericht auf der Homepage offengelegt hätte. Dieser ist aktuell allerdings nicht einsehbar, weil die Seite offline ist.
Ist es realistisch, dass die "Letzte Generation" 1,4 Millionen Euro an Spenden eingesammelt hat?
In dem Transparenzbericht, über den zahlreiche Medien zu Beginn des Jahres berichteten (darunter auch die Deutsche Presse-Agentur), ist davon die Rede, dass die Klimaaktivisten 2022 mehr als 900.000 Euro Spenden erhielten. Darunter seien "viele Kleinspender", sagte van Baalen auf der Pressekonferenz am Mittwoch. "Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen spenden", ergänzte die Sprecherin.
Wofür braucht die "Letzte Generation" das Geld?
In dem Transparenzbericht listete die Gruppe ebenfalls auf, in welcher Höhe sie 2022 Geld ausgab. Laut Deutscher Presse-Agentur waren das 535.000 Euro. Die Hälfte davon sei in Mieten von Veranstaltungsräumen, Wohnungen für Demonstranten und Autos, weitere 100.000 Euro in Material wie Sekundenkleber, Transparente, Warnwesten, Sitzkissen und Handwärmer geflossen.
Knapp 60.000 Euro seien für Werbematerial wie Plakate und Flyer ausgegeben worden. Dazu kämen Kosten für Fahrtkosten, Essen, Anwaltshonorare und Gerichtskosten sowie Zehntausende Euro für Handys, Laptops, Pressetrainings, Beratungen und "Anti-Burnout-Seminare".
Was müssen Spender nun fürchten?
Auch Sprecherin Aimée van Baalen stellte auf der Pressekonferenz am Mittwoch die Frage: Müssen die Spender mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, weil sie eine mutmaßliche "kriminelle Vereinigung" unterstützt haben sollen? Eine Antwort nannte sie nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft München sagte auf Nachfrage von rbb|24: Das aktuelle Verfahren richte sich nicht gegen die Spender.
Kann eine Homepage einfach offline genommen werden und was bedeutet das für die "Letzte Generation"?
Auf Nachfrage von rbb|24 erklärte die Generalstaatsanwaltschaft München, dass es "nicht ständig" passiere, dass Homepages offline genommen würden. Die Aktivisten sagten auf der Pressekonferenz am Mittwoch, dass sie aufgrund der Sperung ihrer Seite aktuell schwerer zu erreichen seien. Ihre E-Mail-Server funktionierten nicht mehr. Sie informieren vor allem via Twitter. Sie würden einen neuen Spendenkanal einrichten und an einer neuen Homepage arbeiten.
Was sagen die Aktivisten zu den Vorwürfen?
Sprecherin Aimée van Baalen sagte auf der Pressekonferenz am Mittwoch: Die Hausdurchsuchungen hätten alle Unterstützer hart getroffen. Die Arbeit der "Letzten Generation" sei stets friedlich, öffentlich und transparent. Van Baalen betonte außerdem, dass die "Letzte Generation" zwar im Sommer eine Pause einlegen werde, diese aber lediglich interne Strukturen betreffe. Protestmärsche solle es weiterhin geben.
Kriminelle Vereinigung, was bedeutet das? Und wer ermittelt was?
Der Paragraph 129 (StGB) [gesetze-im-internet.de] enthält die Definition einer kriminellen Vereinigung. Demnach muss es sich dabei um eine Gruppe von mindestens drei Leuten handeln. Laut Gesetz muss "der Zweck oder die Tätigkeit" einer kriminellen Vereinigung auf die Begehung von Straftaten gerichtet sein. Nicht angewendet werden kann die Vorschrift, "wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist".
Unter Juristen ist umstritten, ob die "Letzte Generation" nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs als kriminelle Vereinigung eingestuft werden kann. Eine gerichtliche Feststellung dazu gibt es noch nicht. Verschiedene Staatsanwaltschaften, darunter die Brandenburger, ermitteln aber in diese Richtung. Andere wiederum - wie die Berliner - sehen bisher keinen Anfangsverdacht. Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) lässt derweil ebenfalls prüfen, ob die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung eingestuft werden kann. In Brandenburg wird wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung bereits gegen die Aktivistengruppe ermittelt.
Die aktuellen Ermittlungen sind bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft betonte aber, dass das nicht bedeute, dass man die "Letzte Generation" als extremistisch oder terroristisch einstufe. "Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt - wohlgemerkt nicht um eine terroristische", sagte der Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.05.2023, 15 Uhr