"Beständig hohes Niveau" - Muslimfeindlichkeit ist laut Expertenbericht weit verbreitet

Do 29.06.23 | 14:04 Uhr
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Symbolbild: Drei Muslimas mit Koptüchern gehen in Berlin an der Rudi-Dutschke-Straße über den Gehweg. (Quelle: dpa/W. Steinberg)
Audio: rbb24 Inforadio | 29.06.2023 | Matthias Bertsch | Bild: dpa/W. Steinberg

In weiten Teilen der Bevölkerung hält sich eine muslimfeindliche Haltung auf einem "beständig hohen Niveau". Das geht aus einem am Donnerstag vorgestellten Bericht des "Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit" hervor.

Der Expertenkreis mit Fachleuten aus Wissenschaft und Verbänden war im September 2020 vom damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) berufen worden. Sein Abschlussbericht mit dem Titel "Muslimfeindlichkeit - Eine deutsche Bilanz" wurde am Donnerstag in Berlin vorgestellt.

Frauen wie Männer berichten über Vorurteile

Der Expertenkreis definiert Muslimfeindlichkeit als "die Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen. Dadurch wird bewusst oder unbewusst eine 'Fremdheit' oder sogar Feindlichkeit konstruiert". Für Betroffene seien das keine Einzelereignisse, sondern wiederkehrende und mitunter sehr belastende Erfahrungen. Sie erführen Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu Gewalt.

Das Phänomen sei weit verbreitet, schreiben die Experten. So stimme laut Untersuchungen jeder Zweite muslimfeindlichen Aussagen zu. Vorurteile gegen Zuwanderer und Muslime als Anhänger einer angeblich besonders "rückständigen" Religion überschnitten sich, Betroffene würden gleich doppelt stigmatisiert. Muslimische Frauen berichteten, dass sie als nicht selbstbestimmt wahrgenommen würden, muslimische Männer wiederum erzählen, sie würden als aggressiv und gewalttätig wahrgenommen.

"Eine der am meisten unter Druck stehenden Minderheiten"

Der insgesamt 400 Seiten starke Bericht analysiert anhand selbst in Auftrag gegebener und anderer vorliegender Studien, wie sich Islamfeindlichkeit in Deutschland äußert und welches Ausmaß sie hat. Er kommt zu dem Schluss, dass Muslime "eine der am meisten unter Druck stehenden Minderheiten im Land" sind.

Die Experten empfehlen eine Strategie zur Förderung der Teilhabe von Menschen "mit muslimischen Identitätsbezügen" in allen staatlichen Einrichtungen - mit bindenden Zielvorgaben, Öffentlichkeitsarbeit und gezielten Kampagnen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen wie Lehrerinnen, Erzieher oder Polizisten solle es Fortbildungen geben. In den Schulen müsse die Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit verpflichtend werden. Rassismuskritische Studien sollten angeschoben und gefördert werden.

Es ist der erste Bericht dieser Art. Insgesamt leben rund 5,5 Millionen Muslime in Deutschland, von denen die Mehrheit die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.06.2023, 15:00 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    ... "die Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen. Dadurch wird bewusst oder unbewusst eine 'Fremdheit' oder sogar Feindlichkeit konstruiert" - woher kommt das nur?

  2. 12.

    was für ein toller Kommentar, dem ist nichts hinzuzufügen, mehr davon.

  3. 11.

    Spiritualität ist ein Grundzug des Menschlichen und nicht auf die Religion beschränkt. Sie ist ein wesentlicher Teil von Religion, dort wo diese schöpferisch daherkommt; auch wäre es ein glattes Missverständnis, sie als bloßes Nachbeten von etwas zu betrachten, wie bspw. Einschlägige "Das Kapital" auswendig gelernt haben.

    Es scheint mir ein Grundproblem zu sein, dass Spiritualität tendenziell negativ angesehen wird. Diese Gesellschaft hat keinen Mangel an technischen Gerätschaften, vielmehr an Ideen, die zuvor noch nicht dagewesen sind.

  4. 10.

    Niemand sollte pauschal aufgrund stereotypisierender Zuschreibungen ungleich behandelt werden. Vorurteile bestehen meist aus Unkenntnis, Angst vor dem Fremden, wegen veraltetem Wissen oder aus Abgrenzung (In- vs Out-Group-Verhalten). Sie können durch mehr Wissen, persönliche Begegnungen, Offenheit, Emphathie und eine inkludierende Grundhaltung abgebaut werden. Hier sollte jede:r an sich arbeiten.
    Im Artikel vermisse ich die Differenzierung zwischen "Vorurteil" und "Feindlichkeit" und eine kritische Grundhaltung zum Einfluss von Religion auf den Staat. Ich bin für eine strikte Trennung von jeglicher Kirche/institutionalisierter Religion und Staat. Religionsunterricht hat an staatlichen Schulen nichts zu suchen, die Eintreibung der Kirchensteuer und auch sonstige staatlichen Privilegien und Subventionen finde ich unerhört. Glaube sollte eine private Angelegenheit sein bzw. jede Spiritualität gleichermaßen behandelt werden. Wir brauchen weniger religiösen Einfluss auf den Staat!

  5. 9.

    Ich frage mich ehrlich, woran das wohl liegen mag?
    Wird da nicht der mangelnde Respekt refexiert?

  6. 8.

    Vorbehalte sind aber keine Feindlichkeit! Eine Feindlichkeit entsteht nicht sondern ist eine grundlose Ablehnung. Vorbehalte entstehen dagegen aus Erfahrungen und da muss sich diese Gruppe sehr wohl fragen lassen, warum das so ist, zumal es genau diese Vorbehalte gegenüber anderen Gruppen in dieser Form nicht gibt. Es bringt nichts, sich ständig über die Auswirkungen zu echofieren, wenn die Ursachen totgeschwiegen werden.

  7. 7.

    Laut ARD und anderen Medien hat den Koran in Schweden ein Flüchtling aus dem Irak verbrannt.

  8. 6.

    Also darauf zu reduzieren ist wohl etwas zu wenig. Als wären jetzt "die Amis" schuld daran?

  9. 5.

    Ja, ganz schlimme Zustände in Schweden. Nach heftigen Ausschreitungen hatten die Behörden in Schweden Koran-Verbrennungen verboten. Ein Gericht kippte das Verbot jedoch. Nun wurde zum ersten Mal wieder ein Koran angezündet

  10. 4.

    Seehofers Märchenstunde. Der Islam ist nicht rückschrittlich, da Frauenfeindlichkeit dort nicht vorkommt. Wir malen und die Welt in den schönsten Farben...

  11. 3.

    Vielleicht sollte man diese "weiten Teile der Bevölkerung" einfach mal fragen, warum sie das so sehen. Ich meine, da käme vermutlich jeder halbwegs klar denkende Mensch auf die richtigen Antworten, aber die Politik braucht natürlich erst mal eine dreijährige Studie für sowas.

  12. 2.

    Beginnt schon damit, dass seit vielen Jahren penetrant der anglikanische Begriff Muslim in den deutschen Sprachraum gedrängt wird. Der Duden schreibt immer noch von Moslem.

  13. 1.

    Vielleicht wäre mal die Frage aus welchem Grund diese "Muslimfeindlichkeit" besteht erlaubt?
    Ich glaube die Antwort liegt zum einen im Auftreten von Islamisten und die fehlende Abgrenzung der Muslime zu diesen Fundamentalisten, zum anderen im stark patriarchalisch ausgeprägten Rollenbild zwischen Mann und Frau wobei hier die Femizide auch eine prägende Rolle für das Bild spielen, sowie das teilweise extrem machohafte und respektlose Auftreten von jungen Muslimen.

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