Ermittlungen gegen "Letzte Generation" - Journalistenverband DJV kritisiert Abhören von Gesprächen mit Presse
Monatelang hat das bayrische LKA Telefonate von Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" mit Journalisten abgehört. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht die Pressefreiheit nicht gewahrt und fordert eine politische Aufarbeitung.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht das Abhören von Mitgliedern der "Letzten Generation" durch bayerische Ermittler äußert kritisch. Das sagten Vertreter des DJV am Sonntag auf Anfrage von rbb|24. Abgehört wurde auch das Pressetelefon der Organisation mit Berliner Vorwahl.
Ermittler bestätigen Abhöraktion
Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte am Sonntag bestätigt, dass Ermittler Telefonate von Mitgliedern der Klimagruppe "Letzte Generation" in ihrem Auftrag abgehört haben. Das Amtsgericht München habe wegen des Anfangsverdachts der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen Mitglieder der Gruppe Beschlüsse auch zur Überwachung der Telekommunikation erlassen, teilte die Behörde am Sonntag auf dpa-Anfrage mit.
Diese Beschlüsse seien vom Bayerischen Landeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft vollzogen worden. Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" [Bezahlbeitrag] berichtet, dass die Behörde offenbar monatelang zahlreiche Gespräche von Aktivisten mit Journalisten abhören lassen habe.
Auch eine Nummer mit Berliner Vorwahl sei überwacht worden. Das Pressetelefon der Gruppe ist ein Festnetzanschluss und hat die Berliner Vorwahl 030.
DJV sieht Grundrecht auf Pressefreiheit nicht genügend gewahrt
Gespräche mit Journalisten unterlägen einem besonderen Schutz, sagte Steffen Grimberg vom DJV Berlin zu rbb|24. Er rate dringend dazu nachzuprüfen, ob tatsächlich ein übergeordnetes Interesse bei den Strafverfolgungsbehörden bestehe.
Auch DJV-Bundesvorstand Frank Überall bezweifelt, dass das Grundrecht der Pressefreiheit sorgsam genug abgewägt wurde. Die Presse sei Berufsgeheimnisträger, erklärte Überall gegenüber rbb|24. Demnach komme ein Abhören nur infrage bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, sagte er unter Verweis auf §160a der Strafprozessordnung. Er könne sich nicht vorstellen, dass das, was der "Letzten Generation" zur Last gelegt werde, so übergeordnet sei, dass das Grundrecht der Pressefreiheit eingeschränkt werden könne. "Das muss aufgearbeitet werden. Das ist jetzt eine politische Aufgabe", forderte Überall.
Auch den Anfangsverdacht wegen Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sieht der DJV kritisch. "Ist das Besetzen von Straßen wirklich geeignet, dieses hohe Maß 'kriminelle Vereinigung' anzunehmen?", fragt Überall. Und Grimberg erklärte, der DJV beobachte mit Sorge, dass Strafverfolgungsbehörden schnell von einer kriminellen Vereinigung sprächen.
Behördensprecher: "Verfassungsrang der Pressefreiheit entsprechend gewichtet"
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, dass sich die Beschlüsse nicht gegen Journalistinnen oder Journalisten richteten. "Diese waren aufgrund von Anrufen über die überwachten Telefonnummern allerdings von den Maßnahmen betroffen."
Er erklärte, dass vor und während der Überwachung ständig deren Verhältnismäßigkeit geprüft worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft sei ebenso wie vor dem Erlass der Beschlüsse zu der Auffassung gelangt, dass die Maßnahmen vor dem Hintergrund der Tatvorwürfe verhältnismäßig seien. "Bei dieser Abwägung wurde der Verfassungsrang der Pressefreiheit selbstverständlich entsprechend gewichtet", teilte der Sprecher mit.
Die Münchner Generalstaatsanwaltschaft lässt gegen die "Letzte Generation" wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln. Das hatte auch Durchsuchungen in Berlin und Brandenburg zur Folge. Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht allerdings bei der Gruppierung keinen Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaften, Sebastian Büchner, im Mai im Gespräch mit rbb24 Inforadio.
Linke: Abhöraktion ist Teil des Wahlkampfes
Vertreter der SPD und der Linken äußerten sich kritisch zu der Überwachung. "Das gesamte Vorgehen wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf", sagte Lars Castellucci, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, dem "Tagesspiegel" . Diese Fragen richteten sich nicht nur an die Behörden, sondern auch an die Politik. "Die Sorgen vor einer Radikalisierung des Klimaprotests sind ernst zu nehmen", sagte der SPD-Politiker: "Der Straftatbestand einer kriminellen Vereinigung darf aber keine Einladung zu Vorgehensweisen sein, die die Beschuldigten erst in die Radikalität treiben."
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch bewertete die Abhöraktion im "Tagesspiegel" als Teil des bayerischen Wahlkampfes. "Die Abhöraktion der bayerischen Generalstaatsanwaltschaft ist völlig unangemessen und zeigt, dass es falsch ist, dass Staatsanwälte politisch weisungsgebunden sind. Sie werden zu einem unanständigen Wahlkampf missbraucht", sagte Bartsch.
Polizeigewerkschaft rechtfertigt Überwachung
Die "Letzte Generation" schrieb zu dem "SZ"-Bericht am Samstag auf Twitter: "Wir protestieren mit Namen und Gesicht, veröffentlichen unsere Pläne, akzeptieren rechtliche Konsequenzen. Dennoch protokollierte das bayrische LKA Telefonate, Mails und Bewegungsprofile. Selbst unser Pressetelefon wurde überwacht. Das ist absurd!"
Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechtfertigte die Überwachung dagegen. "Die Abhörmaßnahmen waren durch unabhängige Richter genehmigt und können jederzeit überprüft werden, auch nachträglich und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt am Samstag.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.06.2023, 18:00 Uhr