Ersatzfreiheitsstrafen -
- Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen nach Corona-Pandemie steigt wieder - in Berlin und in Brandenburg
- Oft Fahren ohne Fahrschein im ÖPNV
Wieder mehr Menschen in Berlin verbüßen eine Gefängnisstrafe als Ersatz für nicht gezahlte Geldstrafen. Im ersten Halbjahr 2023 kamen deswegen 1.606 Betroffene ins Gefängnis, wie die Senatsjustizverwaltung auf dpa-Anfrage sagte.
Angenommen, die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen entwickelt sich im zweiten Halbjahr 2023 vergleichbar wie in den ersten sechs Monaten, wird das Niveau von Zeiten vor der Pandemie erreicht. 2018 kamen 3046 Menschen ersatzweise in Haft, 2019 waren es 2.781. In den Jahren waren es 1418 (2020) und 1.645 (2021).
Während der Pandemie war die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen für längere Zeiträume ausgesetzt. Dies sei bis in das vergangene Jahr hinein der Fall gewesen, hieß es.
Häufig sind Menschen betroffen, die ohne Fahrschein öffentliche Verkehrsmittel genutzt haben und wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt worden sind. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres war das laut Justizverwaltung in 317 Fällen so. Im gesamten Jahr 2022 betraf es demnach 414 Menschen; 2018 waren es 788.
Auch in Brandenburg sitzen mehr Menschen Ersatzfreiheitstrafen ab
Auch in Brandenburger Gefängnissen hat der Anteil der Insassen mit einer Ersatzfreiheitsstrafe im vergangenen Jahr zugenommen. "2022 lag die durchschnittliche Belegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg bei 891 Gefangenen, wovon 150 Gefangene eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten", erklärte ein Sprecher des Justizministeriums auf dpa-Anfrage. Im Vorjahr waren es 110 Fälle und 2020 sogar nur 76. Vor der Pandemie lagen die Zahlen mit 149 im Jahr 2019 und 121 im Jahr 2018 ähnlich hoch.
Diskussion um Fahren ohne Fahrschein
Seit langem wird darüber diskutiert, ob beispielsweise Fahren ohne Fahrschein (§ 265a StGB) nicht von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden sollte. Aus Sicht der Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) könnte das Sinn ergeben wegen der Verhältnismäßigkeit im Vergleich zu anderen Straftaten. "Ich gebe dabei aber zu bedenken, dass die erhoffte Justizentlastung Augenwischerei ist und nicht das tragende Argument sein sollte", sagte sie kürzlich in einem Interview der "Legal Tribune Online". Die Belastung werde dann in den Ordnungsbehörden entstehen.
Wer eine Geldstrafe nicht zahlt, sitzt die Summe alternativ im Gefängnis ab. Die Zahl der Tage, die der Betroffene hinter Gitter verbringen muss, entspricht den Tagessätzen, zu denen er verurteilt wurde.
Kein Automatismus
Doch eine nicht gezahlte Geldstrafe führt nicht automatisch zu einer Ersatzfreiheitsstrafe: Zunächst werde der Verurteilte auf die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen hingewiesen, betonte der Brandenburger Ministeriumssprecher. Sei demjenigen eine sofortige Zahlung aufgrund seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten, könne ihm mitunter mehrmals eine Zahlungsfrist eingeräumt oder Ratenzahlung gestattet werden.
Die Gefängnistage können auch durch gemeinnützige Arbeit wie Pflege von Parks und Grünanlagen ausgeglichen werden. Gemeinnützige Arbeit ist bei Einrichtungen möglich, die eine Vereinbarung mit den Sozialen Diensten der Justiz geschlossen haben. Das spart auch der Justiz Kosten. Im vergangenen Jahr seien die Gesamt-Tageshaftkosten mit 229,12 Euro veranschlagt gewesen, hieß es von der Berliner Justizverwaltung. 2022 saßen demnach rund 8.360 Menschen in den sieben Berliner Gefängnissen ein.
Tagessätze legt Gericht fest
Im Übrigen werden Geldstrafen vom Gericht mit Tagessätzen festgelegt, die sich am Einkommen des Betroffenen orientieren. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schwere des Vergehens. Eine Gesetzesänderung sieht vor, dass die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe halbiert wird. Bisher entsprach die Zahl der Tage, die jemand für das Nichtbezahlen einer Geldstrafe hinter Gitter musste, den Tagessätzen, zu denen er verurteilt wurde. Künftig ist es nur noch die Hälfte der Tagessätze.