"Klima 2050" in Berlin und Brandenburg - Forscher wollen heimische Rotbuchen retten

Fr 27.10.23 | 13:45 Uhr | Von Maren Schibilsky
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Junge Rotbuche im Klimawald Templin. (Quelle: rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.10.2023 | Maren Schibilsky | Bild: rbb

Rotbuchen bringen im Sommer Abkühlung und leiten viel Regenwasser in den Boden. Die Bäume leidern in der Region aber mehr und mehr unter der Trockenheit. Rotbuchen vom Ätna oder aus Polen sollen den Bestand retten. Experimente laufen. Von Maren Schibilsky

Manfred Forstreuter kann sein Glück kaum fassen. Erstmals haben Rotbuchen im Klimawald der Freien Universität Berlin Samen gebildet. Mit einer Baumschere an einer ausfahrbaren Teleskopstange versucht der Berliner Biologe im Grunewald mit seinem Team die Bucheckern in den Baumkronen vorsichtig abzuschneiden. Die wertvollen Samen fangen sie in Netzen auf, die sie unter den Bäumen aufgespannt haben.

Klimawald der FU Berlin im Grunewald. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Rotbuchen aus ganz Europa

"Diese Samen stammen von einer Rotbuche vom Ätna aus Sizilien", erzählt Manfred Forstreuter, während er die Samen in Papiertüten füllt. "Und wir haben andere Bäume, die aus Polen stammen - oder unsere einheimischen Rotbuchen. Das Besondere ist, dass diese hier geblüht haben nach etwa 20 Jahren und sich jetzt austauschen in der Genetik."

Solche Kreuzungen sind nur in einem Forschungswald möglich, wo 1.000 Rotbuchen aus über 50 Regionen Europas zusammenstehen - Buchen aus Mecklenburg neben Buchen aus Südfrankreich, aus Südostpolen, Spanien oder Italien. Vor 20 Jahren brachte sie Manfred Forstreuter aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Rotbuche nach Berlin, um sie in diesem 4.000 Quadratmeter großen Klimawald im Grunewald zu testen.

Anpassung an Trockenstress, Hitze und Kälte

"Unsere einheimischen Rotbuchen leiden jetzt schon unter Trockenheit, so dass ganze Baumkronen absterben und Altbestände kaum überleben", erklärt Manfred Forstreuter. "Von daher ist es wichtig zu wissen, ob wir in Europa Rotbuchen genetischer Natur haben, die sich besser an Trockenstress, Hitze und auch Kälte angepasst haben und die uns helfen können, unsere Rotbuchenwälder aufrecht zu erhalten."

In den vergangenen Jahren haben die Forschenden der FU Berlin verschiedene Rotbuchen im Klimawald auf Trockenstress untersucht. Mithilfe einer ringförmigen Tröpfchenbewässerung, die sie digital ansteuern, reduzierten sie die Wasserversorgung und dokumentierten die Reaktionen der Bäume. Außerdem schauten sie gemeinsam mit Forstgenetikern den Rotbuchen in die Gene.

Klimawald, um besonders robuste Arten zu identifizieren

Tobias Brügmann vom Thünen-Institut für Forstgenetik in Großhansdorf bei Hamburg war mehrmals im Berliner Klimawald, um von verschiedenen europäischen Rotbuchen Blattproben zu nehmen. Aus den Blättern haben die Forstgenetiker am Institut dann die RNA isoliert. "Die RNA ist die kleine Schwester der DNA. Hier wollen wir eben wissen, welche Gene werden bei Trockenheit angeschaltet, welche ausgeschaltet", berichtet Tobias Brügmann. "Wenn es um die Bäume der Zukunft geht, dann ist es wichtig, zu verstehen, welche Gene dafür verantwortlich sind, dass Bäume besser mit Trockenheit klarkommen. Und wie können wir diese genetische Information vielleicht auch in der Pflanzenzüchtung nutzen."

Erste Rotbuchen sterben ab. Stadtwald Templin. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Am Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzen in Berlin zieht FU-Biologe Manfred Forstreuter immer mehr Rotbuchen aus dem europäischen Verbreitungsgebiet heran, um weitere Klimawälder zu gründen. 2022 ist ein kleiner Klimawald im Templiner Stadtwald (Uckermark) entstanden - mit über 600 Rotbuchen aus Brandenburg, Hessen und sogar vom Ätna aus Sizilien. "Es ist ganz wichtig, dass wir solche Tests machen. Unter realen Bedingungen wie in Templin", sagt Manfred Forstreuter. "Wir machen das auch in Frankfurt am Main. Wir müssen das an verschiedenen klimatischen Standorten durchführen."

Kommen Rotbuchen aus Sizilien in der Uckermark zurecht?

Im Stadtwald von Templin gehen Förster Joachim Lange und zwei Schülerinnen des dortigen Gymnasiums regelmäßig auf Baumvisite. Wie gut sind die kleinen Rotbuchen angewachsen? Besonders interessieren sie die italienischen Rotbuchen vom Ätna auf Sizilien. Die haben sich bereits an trockenes Klima angepasst. Durch ihre kleineren Blätter verdunsten sie weniger Wasser. Doch wie wachsen sie in der Uckermark? Im Vergleich zu Brandenburger und Hessischen Rotbuchen?

Die beiden Gymnasialschülerinnen unterstützen diese Forschung mit einer Seminararbeit. "Wir haben im Frühjahr die Austriebstadien der verschiedenen Rotbuchen aufgenommen", erzählt Laura Drescher vom Gymnasium Templin. "Wir wollen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausfinden." Immer wieder knien sich die beiden Schülerinnen zu den kleinen Buchen hinunter, die ungefähr einen halben Meter groß sind, und kontrollieren ihren Gesundheitszustand. "Ich hoffe, dass das Projekt funktioniert und wir die Rotbuche behalten können", so Helene Glöckner.

Joachim Lange, Laura Drescher und Helene Glöckner von der Waldhofschule Templin. (Quelle: rbb)

Förster Joachim Lange hält diese Experimente für sehr wichtig: Im Stadtwald von Templin haben viele einheimischen Rotbuchen bereits Trockenschäden. Die Baumkronen werden immer lichter, erste Bäume sterben ab. "Wir dürfen aber die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen", sagt Förster Lange: "Wir hoffen, dass die Rotbuche mit den Klimaänderungen zurechtkommt. Andernfalls wäre das ein großer Verlust."

Rotbuchen benötigen viel Wasser - bis zu 500 Liter am Tag. 2050 wird es laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in der Uckermark etwas weniger regnen als heute. Der Niederschlag fällt dann vor allem im Winter, wenn die Bäume kaum wachsen. Außerdem verlängert sich bis 2050 die Vegetationszeit der Bäume um zirka drei Wochen, was ihren Wasserbedarf erhöht.

Rotbuchen leiten viel Regenwasser in den Boden

Förster Joachim Lange hofft, dass Rotbuchen aus anderen Regionen Europas den Wäldern in Berlin und Brandenburg bei der Klimaanpassung helfen. Denn diese Bäume werden für eine Klimazukunft 2050 gebraucht: "Gerade Laubbäume wie die Rotbuche kühlen durch ihre Verdunstung. Das hat vielleicht jeder schon mal erlebt. Wenn man im Sommer durch einen Laubwald läuft, ist der viel kühler als ein Nadelwald. Das kann drei bis vier Grad Unterschied machen", erzählt er. Buchenwälder kühlen die Landschaft. Außerdem leiten Rotbuchen über ihre mächtigen Kronen und ihren glatten Stamm sehr viel Regenwasser in den Boden. Das füllt die oft leeren Grundwasserspeicher wieder auf.

Ob das Projekt im Klimawald Templin gelingt, ist nicht entschieden. Ungefähr die Hälfte der kleinen Rotbuchen ist gut angewachsen. Welche Bäume aus welchen Regionen Europas am Ende das Rennen machen, wird die Zukunft zeigen. Der Berliner Biologe Manfred Forstreuter setzt große Hoffnungen auf Rotbuchen aus südeuropäischen Gebirgsregionen oder vom Vulkan Ätna auf Sizilien.

Und vielleicht entstehen ja Bäume mit ganz neuen Eigenschaften aus den Samen, die jetzt im Berliner Klimawald geerntet wurden - erstmals aus Kreuzungen verschiedener europäischer Rotbuchen. "Wir wollen die ganze Breite der potenziellen Ausprägung Europas haben", sagt Forstreuter, "in der Genetik und in der Biodiversität der Rotbuchenwälder, damit sie dem Klimawandel gewappnet sind".

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.10.2023, 12:45 Uhr

Beitrag von Maren Schibilsky

10 Kommentare

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  1. 10.

    Wie schade, dass die (westl.) Menschen das nötig haben. Erst die Natur zerstören (und das geht ja weiter), nun solche Versuche. Wer ändert das Wirtschaftssystem, den Verursacher?

    Das wird wohl die Natur selbst tun müssen, das Grundwasser ist ja schon bald weg.

  2. 9.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt...
    Auf bloßes Hoffen sollten wir uns jedoch nicht verlassen, sondern Schritt für Schritt alle Treibhausgas-Emissionen auf null runterbringen.

  3. 8.

    " in großen Teilen Brandenburgs keinen Wald mehr geben" Den Zustand gab es schon einmal und deshalb wurde damals mit den Kiefern aufgeforstet - erweist sich heute nicht als so ideale Wahl, kann man n.m.M. aber nicht zum Vorwurf machen an die weit vergangenen Zeiten. Es gibt ja in BRB mehrere Institutionen, die sich intensiv damit befassen (z.Bsp. die HNE in Eberswalde oder das ZALF in Müncheberg) und die haben schon langjährige Erfahrung, ich bin da optimistisch, daß es diesmal nicht erst zu großen Kahlstellen kommt.

  4. 7.

    Solche Kreuzungsversuche sind wichtig, die Anpassungsfähigkeit von Rotbuchen und anderen Baumarten hat aber auch Grenzen. Wenn wir beim Klimaschutz so weitermachen wie bisher, wird es in 50 Jahren in großen Teilen Brandenburgs keinen Wald mehr geben - neue Baumarten hin oder her.

  5. 6.
    Antwort auf [Wolfram Schulz ] vom 27.10.2023 um 19:12

    Da irren Sie gewaltig. Es ist privaten Waldbesitzern durchaus bewusst, dass sie die Ernte nicht mehr erleben und dennoch machen sie sich Gedanken über den Waldzustand. Es geht um verschultes Pflanzmaterial, also Pflanzen aus Baumschulen. Aber im Prinzip ist jeder irgendwann angepflanzte Baum in einem Forst das Ergebnis von Verschulung und somit eine Buchecker von einem solchen Baum als Samen verwendbar. Das Problem sind die Böden, die nicht alle für jede Baumart geeignet sind. Zudem geht es ohne Hilfe des Menschen nicht, weil auf vielen Waldböden Seggen wachsen, die eine Naturverjüngung verhindern, da der Samen den Boden nie erreicht. Auch private Waldbesitzer, die sich eine sog. fachgerechte Aufforstung bzw. den Unterbau finanziell nicht leisten können, experimentieren mit Samen/Sämlingen. Junge Buchen vertragen keine direkte Sonne, sind nur für Unterbau geeignet. Wenn Sie glauben, eine Verstaatlichung des Privatwaldes sei die Lösung, sollten Sie Personal rekrutieren.

  6. 5.

    "Forscher wollen heimische Rotbuchen retten " versus "Kommen Rotbuchen aus Sizilien in der Uckermark zurecht?" Ist das nicht ein Widerspruch, wenn man gerade die heimischen Rotbuchen retten möchte?

  7. 4.

    Es bleibt die Frage, ob die Sizilianische Rotbuche die nötige Frostresistenz für die trotz Klimawandel in Brandenburg durchaus auftretenden Strengfröste aufweist.

  8. 3.

    Da bin ich zuversichtlich, denn wenn es möglich ist, einer Organisation, die sich dem Schutz der in Deutschland invasiven Art Waschbär verschrieben hat, einen Preis zu verleihen, wird es ja hoffentlich nicht an sizilianischen Buchen scheitern, unsere Forsten und Parks für die Zukunft zu rüsten.

  9. 2.

    Erst einmal auch Gratulation an die Forschenden!

    An A.N.: Super, sehr gut erkannt.
    Na, hoffentlich reagieren die zuständigen Kollegen in den Fachämtern prompt!
    Die Änderung aufgrund der Forschungsergebnisse kann auch in einer Satzung festgelegt werden - zunächst! Da sie örtlich begrenzte Territorien erfasst.
    Aber das Land Brandenburg, das zuständige Ministerium schon mal in Puschen kommen, um die Änderungen in den gesetzlichen Grundlagen, die für Brandenburg gelten, zu erarbeiten. Es gibt da schon einige Möglichkeiten angefangen von kleinen textlichen Änderungen bis hin unter Beachtung der nachgewiesenen Forschungsergebnisse.
    Die Eingriffsregelung ist Bestandteil bundesgesetzlicher Regelungen, das wird sich daher nicht so fix ändern lassen.

  10. 1.

    Glückwunsch an die FU Berlin, dass deren vorausschauende jahrzehntelange Arbeit erstmals im wahrsten Sinne des Wortes Früchte trägt. Dem großflächigen Einsatz neuer Baumarten steht neben der noch unklaren Eignung aber auch der Gesetzgeber entgegen, der z.B. für Ausgleichsmaßnahmen nur einheimische Baumsorten akzeptiert, aber eben keine z.B. aus Süditalien.

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