"Klima 2050" in Brandenburg - Ohne Grundwasseranreicherung trocknet die Region aus
In den vergangenen 20 Jahren ist der Grundwasserspiegel in Brandenburg deutlich gesunken. Die Forscher sehen keine Trendwende. Ein Pilotprojekt untersucht nun, wie der Wasserhaushalt stabilisiert und an Wetterextreme angepasst werden kann. Von Stefanie Otto
Hydrogeologen von der TU Berlin hatten Anfang des Jahres in mehreren kleinen Fließgewässern im Einzugsgebiet der Unteren Spree zwischen Spreewald und Berlin Pegelsonden eingebaut, die den Wasserstand und die Fließgeschwindigkeit festhalten sollten. Wenn Irina Engelhardt und ihr Team zu den Messstellen fahren, um dort die gesammelten Daten auszulesen, müssen sie manchmal nach Wasser suchen. Die Messungen zeigten über Monate nur Nullen.
"Die Fließe sind eigentlich alle zwischen Mai und Juni trockengefallen. Wir sehen hier in der Darstellung auch die Starkregenereignisse. Darauf haben die Gewässer gar nicht reagiert", erklärt Irina Engelhardt beim Blick auf die Daten der vergangenen Monate.
Mehr Erkenntnisse brachten ihnen Sensoren für Bodenfeuchte, die in verschiedenen Tiefen den Wassergehalt messen und per Funk übermitteln. In 25 Zentimetern Tiefe reagierten die Sensoren noch, wenn es regnete. Weiter unten, in 75 Zentimetern Tiefe, registrierten die Messgeräte kaum eine Änderung. Für Irina Engelhardt ist das Problem klar: "Der ganze Niederschlag verdunstet einfach wieder und kommt eben unserem Wasserhaushalt und auch den Fließen nicht entsprechend zugute."
Brandenburg hat bereits ein erhebliches Grundwasser-Defizit
Weiter unten im Grundwasser sieht es ähnlich aus - die Forscher können auch auf Daten der Wasserbehörden aus früheren Jahren zurückgreifen. Seit dem Jahr 2000 beobachten sie in Brandenburg ein stärkeres Absinken der Grundwasserpegel. Im Untersuchungsgebiet der Unteren Spree zwischen Spreewald und Berlin fielen die Grundwasserstände mancherorts sogar um zwei Meter und mehr. "Ein erhebliches Wasserdefizit" nennt es Engelhardt. "Und dafür muss ich natürlich wissen, was die Einflussfaktoren sind. Ist es meine Wasserversorgung? Ist es die Landnutzung? Ist es die Veränderung im Klima?"
Im Rahmen des Forschungsprojekts "SpreeWasser:N" wollen Irina Engelhardt und ihr Team mithilfe der neuen Messdaten ein aufwändiges Modell vom Wasserhaushalt erstellen und herausfinden, wo in der Pilotregion das meiste Wasser verloren geht und wie gegengesteuert werden kann.
Wasserverbrauch und Klimawandel sind Ursache des Defizits
Klar ist: Der Trend beim Grundwasser wird sich in absehbarer Zeit nicht umkehren. Die Wasserentnahmen für Haushalte, Landwirtschaft und Industrie zusammen mit den Verlusten durch den Klimawandel sind in der Summe größer als die Grundwasserneubildung. Engelhardt spricht von einer "Übernutzung". Sie schätzt, dass "der Einfluss des Klimas voraussichtlich viel relevanter ist als der Einfluss der Grundwasserentnahmen durch die ansässigen Wasserversorger".
Die zentrale Frage: Was kann getan werden, um das Wasser in der Region zu halten? Zum einen sind das einfache Dinge - Wasser sparen, mehrfach nutzen oder Flächen entsiegeln, damit wieder mehr Regenwasser versickern kann. Dabei geht es auch um Wasserkonzessionen für Industrie und Landwirtschaft. Irina Engelhardt kennt die Konflikte, die schon heute um die Nutzung der endlichen Ressource Trinkwasser entbrannt sind. Daher plädiert sie für weitergehende Maßnahmen.
Eine Möglichkeit wäre, das gereinigte Abwasser nicht über die Flüsse ins Meer zu leiten. Besser wäre ein Kreislauf, bei dem das Abwasser in der Region gehalten wird. Allerdings gebe es hier noch Vorbehalte, weil auch das gereinigte Abwasser noch Schadstoffe beinhalten kann.
Vielversprechender sei daher die Grundwasseranreicherung durch Regenwasser: "Das heißt, ich nehme Starkniederschlag ab, speichere das Regenwasser und bringe es in den Grundwasserleiter. Das macht die Stadt London, das macht der ganze Mittelmeerraum und auch in Frankreich ist das sehr stark verbreitet", so die Hydrogeologin. Als Speicher könnten Seen und Senken dienen. Zum Versickern großer Wassermengen bräuchte es jedoch spezielle Infiltrationsbrunnen.
Versickern von Starkregen ist sinnvoller als eine Überleitung aus der Elbe
Das Überleiten von Wasser aus größeren Flüssen wie der Elbe in die Spree sieht Irina Engelhardt kritisch. Zum einen, weil das schon im sächsischen Bereich passieren müsste und das zusätzliche Wasser auf dem Weg bis nach Berlin größtenteils verdunsten würde. Außerdem schätzt sie, dass auch die Elbe in Zukunft nicht genügend Wasser führen wird: "Ich denke nicht, dass das reicht, um das Wasser-Defizit aufzufüllen."
Als letzte Chance sieht Irina Engelhardt noch die Möglichkeit einer Ostsee-Pipeline. Entsalztes Meerwasser hätte den Vorteil, dass man es direkt in der Trinkwasserversorgung nutzen könnte. Nachteil: der höhere Energiebedarf. Den könnte man an der Küste aber gut über erneuerbare Energie wie Wind, Solar und Gezeiten decken. Für viele mag das weit hergeholt klingen.
Irina Engelhardt sieht das anders: "Ich habe in der Vergangenheit ausschließlich im Ausland gearbeitet. Unsere großen Forschungsprojekte waren in Saudi-Arabien, Syrien und Israel. All diese Länder wären bereits verdurstet, sie würden nicht eine Tomate anbauen können, wenn sie diese Technologien nicht nutzen würden."
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 25.10.2023, 19:30 Uhr