Endhaltestelle für den 822er - Wichtige Buslinie in Birkenwerder soll eingestellt werden

Do 14.12.23 | 06:11 Uhr | Von Karsten Zummack
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Symbolbild: Eine Frau steht in Brandenburg während des ersten Schneefalls mit einem Regenschirm an einer Bushaltestelle. (Quelle: dpa/Fischer)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 13.12.2023 | Karsten Zummack | Bild: dpa/Fischer

Das Umsteigen vom Auto in den Öffentlichen Nahverkehr ist erklärtes Ziel der Politik. Doch im ländlichen Raum ist das gar nicht so einfach. Noch schwieriger wird es bald in Birkenwerder - dort soll zum Jahresende eine wichtige Buslinie eingestellt werden. Von Karsten Zummack

Durch Pfützen und über teils holprige Sandpisten kommt er angepoltert: der 822er Bus. Hier am nördlichen Ende von Birkenwerder (Oberhavel), am Waldfriedhof, steigen morgens um halb acht vor allem Kinder ein, die zur Schule wollen. Aus dem Dunkel der Straßen des neuen Wohngebietes kommen sie mit Ranzen zur Haltestelle.

Anderthalb Kilometer Fußweg als Alternative

Auch die zehnjährige Luna nutzt die Verbindung Richtung Pestalozzi-Grundschule in der Innenstadt. "Meine Tochter ist sehr dringend darauf angewiesen. Sie müsste sonst bei jedem Wetter immer ungefähr anderthalb Kilometer zur Schule laufen, durch dunkle Straßen oder über die Autobahnbrücke", sagt Mary Tjardes. Die 41-jährige Mutter zweier Kinder macht im Ort mobil für die Beibehaltung der sogenannten Birkenlinie. Seit zwei Jahren rollt der Bus zwischen Birkenwerder und Hohen Neuendorf testweise.

Zumindest morgens vor Schulbeginn ist der Bus recht gut gefüllt, "teilweise sogar überfüllt", wie die rührige Frau betont. Außerdem könne man dadurch den Autoverkehr und die Zahl der "Elterntaxis" reduzieren. Trotzdem soll das Projekt nun auslaufen.

Mehr als 2.300 Unterschriften hatten Mary Tjardes und ihre Mitstreiter gegen das drohende Ende der Verbindung gesammelt und während einer Kreistagssitzung im Oktober dem Landrat von Oberhavel, Alexander Tönnies (SPD) übergeben. Trotzdem besiegelte das Kommunalparlament an jenem Abend mit knapper Mehrheit (22 zu 19) das Aus für den 822er Bus.

Zu wenig Fahrgäste

Grundlage für die Entscheidung waren Fahrgastzählungen der zuständigen Oberhavel Verkehrsgesellschaft (OVG). "Wir mussten dabei leider feststellen, dass gerade der Teil in der Gemeinde Birkenwerder schwach nachgefragt wird", erklärt OVG-Geschäftsführer Andreas Ernst. Die Zahlen, die der Nahverkehrsplan vorgibt, würden nicht erreicht. Deshalb wollte der Kreis die Finanzierung der Buslinie nicht übernehmen. Insgesamt 5,2 Millionen Fahrgäste befördert die Gesellschaft pro Jahr im ganzen Kreis, bedient 43 Linien.

Hohen Neuendorf will selbst zahlen

Der 822er wird ab dem kommenden Jahr wohl nicht dazu gehören. Zumindest in der jetzigen Form dürfte Schluss sein. Hohen Neuendorf will die Linie selbst weiterführen. "Wir werden die Verbindung nun aus eigenen finanziellen Mitteln stemmen", verspricht Bürgermeister Steffen Apelt (CDU). Allerdings soll der Bus dann nur noch zwei Haltestellen im Nachbarort ansteuern, ansonsten in der eigenen Gemeinde unterwegs sein.

Letzter Hoffnungsschimmer?

Der mögliche Partner indes winkt ab. "Das Geld ist so knapp, dass wir den Bus nach zwei Jahren einstellen", räumt Birkenwerders Bürgermeister Stephan Zimniok (parteilos) ein. Die Gemeindevertretung hatte die Finanzierung des Projektes abgelehnt. Zimniok sieht für die "Daseinsvorsorge mit Anbindung an den ÖPNV" ohnehin Land und Landkreis in der Pflicht. Dabei weiß er um die Befindlichkeiten im Ort. Auch auf seinem Schreibtisch liegt ein vorweihnachtlicher Wunschzettel, auf dem Schüler für die Fortführung des 822er unterschrieben und gemalt haben.

Bisher waren die Aktionen erfolglos. Doch aufgeben möchte Mary Tjardes auch zwei Wochen vor dem eigentlichen Stichtag nicht. Sie hofft zumindest auf einen Kompromiss. "Ich möchte, dass der Bus wenigstens für die Schüler weiterfährt", so Tjardes. Denkbar ist eine abgespeckte Linie, die nur noch zu den Stoßzeiten unterwegs ist. Doch auch an einer solchen Notvariante müsste sich Birkenwerder finanziell beteiligen – verbunden mit einem neuen, positiven Votum der Gemeindevertreter.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 13.12.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

27 Kommentare

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  1. 27.

    Der Busverkehr ist eine Aufgabe des Landkreises, nicht der Kommunen. Wer die Situation in Birkenwerder kennt, weiß, wie angespannt die Verkehrslage um die Grundschule herum ist. Und ein Vergleich mit der Situation im Norden verbietet sich, denn in Birkenwerder ist die Verkehrsdichte sehr viel höher. Ein Bus ist zudem gerade für ältere Menschen im Ort wichtig. Darauf hatten insbesondere der Seniorenbeirat und die Schwerbehindertenbeauftragte hingewiesen.
    Ein Bus muss die Chance haben, sich zu bewähren. Durch Corona, viele Baustellen bedingte Umleitungen, etc.hatte diese Linie genau diese Chance nicht.

  2. 26.

    "Warum kommt man bloß nicht von selbst drauf?" Die Verkehrsunternehmen mögen solche zeitlich unterbrochenen Linien nicht, weil sie da keine Gnaztagsfahrer einsetzen können sondern Fahrer stundenweise suchen müssen. In der Zwischenzeit ist ja auch auf anderen Linien tote Hose, so dass man die Fahrer nicht einfach umdisponieren kann. In Berlin mag das teilweise etwas anders sein, weil dort viel mehr Fahrzeuge unterwegs sind und außerhalb der Berufsverkehre immer noch die Touristenlinien brummen. Auf dem Land sieht das schon anders aus. Ich kann mir vorstellen, dass deshalb eine Linie, die nur morgens und abends fährt, nicht viel weniger kosten würde, als eine, die den ganzen Tag bedient wird.

  3. 25.

    Im Grunde mag das schon richtig sein, dass den Kindern etwas (mehr) Bewegung nicht schadet. Allerdings muss man sich dafür auch die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort betrachten, die ich in diesem Fall auch nicht kenne. Wenn der Schulweg für die Kleinen nicht sicher ist, weil zum Beispiel Fuß- und Radwege oder eine ausreichende Beleuchtung fehlen, dann ist das problematisch und dann kann ich Eltern verstehen, die dann als Alternative doch wieder das Elterntaxi spielen.

  4. 24.

    1,5 km Schulweg - jeden Tag zu Fuß - völlig unzumutbar, ein Skandal! Obwohl: von meinem 6. bis zum 11, Lebensjahr musste ich mich bei Wind und Wetter genau diese Strecke zur Schule durchkämpfen. Dann bekam ich zum Geburtstag ein gebrauchtes Fahrrad von meinem Patenonkel geschenkt. Alter haben wir im Luxus gelebt :-)

  5. 23.

    Wenn nur 1/5 der Fahrgäste vom Mindestwert an Fahrgästen mitfährt kann kein Bus eingesetzt werden. Wer soll das bezahlen.
    Den individuellen ÖPNV wird es nicht geben.
    Den Kinder ist ja wohl 15 Minuten Fußweg zumutbar. Im ländlicheren Norden des Landkreises sind die Kinder wesentlich länger zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs zur Schule. Den Kindern wird nichts mehr zugemutet und verweichlichen immer mehr. Jede Art von Bewegung tut auch den Kindern gut.

  6. 22.

    „Das das Umland weitläufiger ist als ein Stadtbebiet und die ÖPNV Verbindungen dort nicht so dicht sind - das weiß man, bevor man dort hinzieht.“

    Naja, was hier Umland ist und was Stadtgebiet, ist die Frage. Immerhin ist Birkenwerder nahezu eingeschlossen von einer Stadt, die übrigen eine sehr ähnliche Siedlungsstruktur aufweist wie die Gemeinde Birkenwerder.

  7. 21.

    Meines Wissen sagen Verkehrsexperten, dass man einer neuen Linie mindestens 2 Jahre Zeit geben muss, bevor sich die Gewohnheiten entsprechend angepasst haben. Die Testphase hier dauerte wohl auch diese Zwei Jahre, allerdings fiel mehr als die Hälfte davon in die Corona-Zeit mit FFP2-Maskenpflicht. Da ich beispielsweise mit solchen Masken überhaupt nicht klarkam, habe ich diesen Bus da natürlich auch gemieden – keine Ahnung, wie vielen Leuten es noch so ging wie mir.

    Und als ich nach der FFP2-Pflicht mal mitfahren wollte, habe ich prompt einen Bus verpasst, weil ich im Fahrplan in der Zeile verrutscht war. Der Bus hat ja keinen Taktfahrplan, sondern fährt in jeder Stunde zu einer anderen Minute ab.

  8. 20.

    Hat die Stadt Birkenwerder oder die Kreisverwaltung schon ein Mal daran gedacht:
    Warum den Bus ganz abschaffen? Wenn die Auslastung zu gering ist, dann nur während der Hauptverkehrszeiten 6:30 Uhr bis 9 Uhr und 13 Uhr bis 18 oder gar 19 Uhr den Bus bis ins Wohngebiet fahren lassen. Sodass er außerhalb der stark frequentierten Zeiten an der gemeinsamen Sammelstation endet. Und sollte die Nachfrage eben zwischen 9 und 13 Uhr nur auf eine Fahrt kommen, oder ab 19 Uhr bis 22 Uhr, ja dann spart man da auch schon Geld.

    Ein kompletter Wegfall ist der falsche Weg. In Berlin gibt es auch solche Linien, wie die Linie 322 oder 320. Sie fahren nur als Pendlerlinien zur Fabrik-Schichtwechsel-Zeiten. Außerhalb dieser Zeiten fährt der 320er nicht, die 322 endet auf halber Strecke. Das, ähm wäre ja eine einfache Lösung... Warum kommt man bloß nicht von selbst drauf?

  9. 19.

    Ich sehe das so ähnlich wie Sie.
    Ein bisschen frische Luft hat meinen Kindern auch nicht geschadet. Es kostete aber Mut und Überwindung sie allein laufen zu lassen.

    Dennoch möchte ich anmerken dass im Vergleich zu Ihrer Jugend sich einiges geändert hat im Verkehr. Es sind schon mehr Autos unterwegs und gefühlt haben alle keine Zeit mehr.

  10. 18.

    Sehr schlechtes Zeichen. Man bedenke, dass es in Birkenwerder gar keinen Bus gibt!! Ich wollte es damals nicht glauben. Einer der schönsten und lebendigsten Umlandorte besitzt keinen Bus!

  11. 17.

    Moin, von meinen 10 Schuljahren bin ich gefühlt mindestens 6Jahre jeden Tag diese Strecke in die heutige Gesamtschule gelaufen, später mit Rad gefahrenund lebe noch immer mit fast im 75. Was habt ihr heute bloß alles für idiotische Vorstellungen, was nicht gehen würde. Im Übrigen ist Laufen sehr gesund. Mehr als mit dem Bus zu fahren.

  12. 16.

    Unsere Tochter muss von der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule bis zur Autobahn Birkenwerder (Wohnort) ohne die Buslinie 40Minuten bei Wind und Wetter laufen. Es wurden unnötig den ganzen Tag große Busse eingesetzt, obwohl dies nur zum Schulbeginn und Schulschluss nötig gewesen wäre. Ein Schulbus ist eine Grundversorgung aus meiner Sicht. Die Gemeinde hat so lange für die Buslinie gekämpft. Ich bin sehr enttäuscht, über die Tatsache, dass Rentner aus Borgsdorf und Birkenwerder nicht zur Sparkasse oder Kaufland kommen werden und Schüler wieder per Auto zur Schule gebracht werden müssen.

  13. 15.

    Die FDP/ Piraten im Kreistag hatten einen Antrag eingereicht, diese Linie in den Nahverkehrsplan aufzunehmen. Dann hätte die Linie weiter bestehen können und gleichzeitig wirtschaftlicher betrieben werden können. Selbst zwei Kreistagsabgeordnete aus Birkenwerder (CDU und Freie Wähler)haben diesen vernünftigen Antrag abgelehnt.
    Leidtragende sind die Familien mit Kindern aus Birkenwerder und viele ältere Menschen, die ohne den Bus nicht wegkommen.
    Die FDP wird Anfang 2024 mit neuen Aktionen in Birkenwerder dafür werben, dass Birkenwerder vernünftig angebunden wird.

  14. 14.

    Schulbus ist in der Satzung von OHV nicht vorgesehen.
    Besteht zwischen Wohnung und einer Schule keine zumutbare Verbindung des ÖPNV kann z.B. Taxisbeförderung beantragt werden.
    Was zumutbar ist, steht dann im Ablehnungsbescheid.
    Unzumutbar ist eine Verbindung z.B., wenn es keinen Fußweg gibt, sondern nur Straße.

  15. 13.

    Über eine unsinnige und teure Magnetbahn wird nachgedacht und den Schulkindern in Birkenwerder wird der Bus gestrichen. Verkehrte Welt !

  16. 12.

    Mein Schulweg von der 1. bis zur 8. Klasse- das waren auch knapp 2 km. Anfangs zu Fuss, später mit Fahrrad. Es waren andere Zeiten - Elterntaxis gab's noch nicht und wir Kinder verbrachten ohnehin viel Zeit draußen, das Wetter spielte keine Rolle. Wir habens überlebt.
    Aus heutiger Sicht denke ich, zumindest einen Schulbus muss es geben. Und wenn Birkenwerder - ähnlich wie auch andere Gemeinden - das nicht hinkriegt, die Eltern es aber für unerlässlich halten, dann müssen die Eltern selbst aktiv werden. Ein Kleinbusunternehmen wird sich finden und an der Finanzierung müssten die Eltern sich beteidigen. Das das Umland weitläufiger ist als ein Stadtbebiet und die ÖPNV Verbindungen dort nicht so dicht sind - das weiß man, bevor man dort hinzieht.

  17. 11.

    „Kindeswohlgefährdung“
    Worin soll die denn bestehen? Es ist gar nicht so einfach, dass Wesentliche zu erkennen, wenn emotional berichtet wird, mit einer lenkenden Attitüde. Bleiben Sie kritisch ;-)

  18. 10.

    "Wichtige Buslinie in Birkenwerder soll eingestellt werden" versus "Wir mussten dabei leider feststellen, dass gerade der Teil in der Gemeinde Birkenwerder schwach nachgefragt wird" empfinde ich als Widerspruch.

  19. 9.

    Also an meinem Fahrrad ist Licht dran. Wenn es einen sicheren Radweg gibt ist es wirklich kein Problem ein Kind zehn Minuten zur Schule fahren zu lassen. Kalt wird einem so schnell nicht. Oder man zieht halt in eine Gegend mit funktionierender Infrastruktur und zahlt entsprechend mehr Miete. Wer aufs Land zieht muss manchmal Abstriche machen.

  20. 8.

    Die Sache der Nichtauslastung ist systembedingt richtig gehändelt und die Leute gehen das falsch an.
    Im Text steht die Lösung: Birkenwerder muss den Schulbus finanzieren, wenn er gebraucht wird. Logisch und einfach.
    Die Mutter hat nicht die richtigen Argumente:
    „durch dunkle Straßen oder über die Autobahnbrücke" Eine Autobahnbrücke soll sehr sicher sein...Oder?
    Dunkle Straße(n) ist ersteinmal per se kein Grund nicht da durch zu laufen und bei näherer Betrachtung sogar falsch?
    Die Räder sind für 1,5 km ideal? Bin gespannt...wer da anderer Meinung ist ;-)

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