Interview | Landwirt - "Je mehr kleine Betriebe verschwinden, desto mehr Flächen gehen an Großkonzerne"
Tausende Menschen werden am Samstag bei der "Wir haben es satt"-Demo in Berlin erwartet. Auch Landwirt Valentin Kätzl, der im Oderbruch Gemüse anbaut, wird teilnehmen. Er hat das Gefühl, bei seiner Arbeit zunehmend überwacht zu werden.
Seit 13 Jahren baut Valentin Kätzl im Oderbruch Gemüse an. Sein Betrieb "Ackerbande" in Zechin (Märkisch-Oderland) beruht auf dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft. Seine Kundschaft bekommt für einen monatlichen Beitrag einmal die Woche eine Kiste mit frischem Gemüse. Damit finanziert sich Kätzl zu 100 Prozent.
Aber auch ihn belaste und überfordere die zunehmende Bürokratie. Auch deshalb will er sich am kommenden Samstag bei der Demo "Wir haben es satt" in Berlin beteiligen, um seinem Frust gegen die Bundesregierung Luft machen.
rbb|24: Herr Kätzl, wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Landwirtschaft?
Valentin Kätzl: Unsere Landwirtschaftspolitik in Europa und im Speziellen auch in Deutschland wird immer komplizierter. Es werden immer mehr Auflagen geschaffen. Es kostet mich in meiner Arbeitskraft zu viel Zeit. Ich soll eine App auf meinem Handy installieren, wo mir angeordnet wird, auf welches Feld ich zu gehen habe, um dort eine Fotodokumentation zu machen. Ob ich dies, das oder jenes auch gemacht habe. Es ist quasi eine Unterstellung, dass wir alle betrügen.
Und so wird das immer mehr. Ich muss permanent all das beachten. Ich habe schon genug zu tun. Ich möchte, dass es dem Boden gut geht. Ich gehe auf meine Felder, und gucke, wie viele Regenwürmer ich habe, ob der Boden in Ordnung ist. Ich gucke, dass es meinen Tieren gut geht, dass das Futter eine gute Qualität hat, dass sie ausreichend haben, dass das Wasser funktioniert und dass wir Menschen vernünftige Lebensmittel haben.
Es gibt immer mehr Bürokratie, immer mehr Überwachung von Menschen, die davon eigentlich gar keine Ahnung haben. Und man hat auch den Eindruck, dass deren Berater auch keine Ahnung haben. Da muss man einfach mit Politik, Gesellschaft und den Bauern zusammen eine Lösung finden, die sinnvoll und nachhaltig ist, damit wir alle und die Natur etwas davon haben und damit es halt irgendwie weitergeht und zukunftsfähig ist.
Für eine bessere Agrarpolitik haben tausende Landwirte in der vergangenen Woche in Deutschland mit ihren Traktoren demonstriert. Höhepunkt war die Kundgebung am Montag in Berlin. Dort versprach Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Bauern einen Abbau der Bürokratie. Ein Lichtblick?
Das ist alles Blabla. Das hören wir schon seit 20 Jahren, dass die Bürokratie abgebaut werden soll. Ich weiß, dass viele Bauern und mittelständische Unternehmen die Karten auf die FDP gesetzt haben, weil sie dachten, die bewirken was. Die CDU hat es nicht geschafft, obwohl sie es versprochen hat. Die FDP, eigentlich eine klassische Mittelstand-Partei, hat gesagt, sie macht das. Und was dabei rausgekommen ist, ist eigentlich genau das Gegenteil.
Also Sie glauben nicht mehr dran?
Nein. Wer daran glaubt, ist meiner Meinung nach äußerst naiv.
Ihr Betrieb funktioniert nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi). Welche Vorteile bringt dieses Konzept mit sich?
Wir sind nicht von den üblichen Marktpreisen abhängig, sondern haben unsere festen Mitglieder, die sich die Betriebskosten teilen, die dann entsprechend natürlich ein bisschen teurer werden. Aber das ist ja nicht nur Agrardiesel. Das sind Transporte oder die CO2-Steuer, die draufkommen.
Das kalkulieren wir und legen das dann auf jeden Einzelnen um. Darüber wird dann solidarisch entschieden. Egal, ob ich jetzt 1.000 Euro im Monat verdiene oder 10.000 Euro. Dann haben wir diese Abstimmung über die Beiträge, dass die Menschen, die weniger zur Verfügung haben, weniger bezahlen können und die, die mehr haben, einfach mehr bezahlen. Das ist ein eigenverantwortliches Abstimmungsverhalten, das die Leute dort haben, was ziemlich gut funktioniert.
Es gibt natürlich immer Leute, die sich da raushalten und den Regelbeitrag zahlen. Aber eigentlich kann jeder bei uns mit dabei sein. Also wir haben Beiträge zwischen zwischen 45 und und 90 Euro für ein und dieselbe Menge an Gemüse. So funktioniert Gesellschaft. Aber es braucht ein Stück weit Eigenverantwortlichkeit und Bewusstsein für die Sache.
Sie wollen bei der "Wie haben es satt"-Demo in Berlin teilnehmen. Bei den Trecker-Protesten der Landwirte waren Sie allerdings nicht dabei. Warum?
Das hat verschiedene Ursachen. Zum einen verfüge ich nicht über moderne Trecker, wo immer die Heizung funktioniert. Und ich hatte auch nicht die Zeit. Es gibt bei uns in der Gemeinschaft - in der Ackerbande - denen ich ja Rechenschaft schuldig bin, natürlich auch sehr kontroverse Meinungen dazu. Es gibt Bedenken, dass das von rechts unterwandert wird. Ich habe dann einfach gesagt: Leute, wir müssen uns das anders überlegen. Ich respektiere das, was die Bauern machen. Ich finde es auch gut. Ich glaube, man hat gesehen, dass alles mit rechten Dingen zuging. Wenn man dem Chef der Polizeigewerkschaft, der Feuerwehr und den Rettungskräften glaubt, dann ist das alles in der Größenordnung echt super abgelaufen. Ich sehe meine Aufgabe eher darin, den Menschen zu vermitteln, um was es denn eigentlich geht. Sie wachzurütteln und zu sagen: Leute, wir haben alle eine Verantwortung unseren Mitmenschen gegenüber.
Wie meinen Sie das?
Wir leben hier in unserer Solawi-Blase. Wir sind quasi auf einer gewissen sicheren Seite. Aber es gibt viele andere Betriebe, die das nicht haben und die das auch nicht können, weil der Markt dafür nicht da ist. Wir arbeiten alle mindestens 50 bis 60 Stunden in der Woche und auch am Sonntag, wenn es kalt ist. Das sehen wir ja jetzt. Wir haben Minusgrade und müssen trotzdem arbeiten.
Da beschwert sich auch keiner. Wir machen das alles gerne. Wir haben uns das ausgesucht. Aber je mehr kleine Betriebe aufgeben und verschwinden, desto mehr Flächen - die größtenteils ja Pachtflächen sind - gehen dann an Großkonzerne. Oftmals sind das Agrarholdings, wo die Finanzindustrie dahintersteckt. Investoren, die Lebensmittel produzieren.
Das heißt, es konzentriert sich alles auf immer weniger Betriebe, die immer mehr Anteil an der Lebensmittelproduktion haben. Und da können wir als Bürger dann kaum Einfluss darauf nehmen. Und der Gesellschaft schadet das meiner Meinung nach eher. Klar, man braucht gewisse große Betriebe. Klar, man braucht manchmal Kapital, um irgendetwas umzusetzen, was kleinen Landwirten nicht einfach so möglich ist mit ihren Mitteln. Aber da gibt es auch andere Wege das zu lösen.
Also haben Sie Verständnis für die Proteste Ihrer Kollegen?
Ja natürlich. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Menschen auf die Straße gehen, um ihrer Meinung nach auf Missstände aufmerksam zu machen. Das macht eine Demokratie aus, weil Regierungen Fehler machen können. Man kann über Sachen reden. Aber es muss auch alles eine Konsequenz haben. Es muss zum Wohle aller geschehen. Darum geht es ja. Wenn eine Berufsgruppe, wie momentan die Landwirte, einfach das Gefühl hat, es geht nicht mehr und sich etwas ändern muss, dann ist das ein ganz legitimer Protest, der natürlich im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Werten stattzufinden hat.
Es ist so ein großes, komplexes Thema, die Landwirtschaft im Zusammenhang mit unserer Gesellschaft zu betrachten. Da gehört viel, viel mehr dazu. Also wir müssen diese Diskussionen wesentlich breiter aufstellen, dass ein größeres Verständnis für die Funktion von Landwirtschaft und Wirtschaft im Allgemeinen stattfindet, die für jeden nachvollziehbar ist. Da werden wir immer verschiedene Meinungen haben. Das macht eine Gesellschaft aus. Das macht eine Demokratie aus. Und trotzdem müssen wir gucken, dass wir für die Zukunft auf sicheren Beinen stehen und dass Landwirtschaft auch immer ein Teil der Gesellschaft und Teil der ländlichen Region bleibt.
Haben Sie das Gefühl, dass ihre Arbeit als Landwirt von der Gesellschaft wertgeschätzt wird?
Ich persönlich habe das schon. Ich lebe aber auch auf dem Land. Ich habe Kontakt mit den Menschen. Das wird wertgeschätzt, auch als Teil der Gesellschaft. Wenn mal irgendjemand mit einem Auto in den Graben fährt, dann geht er zum Bauern und fragt, ob er ihn wieder rauszieht. Hier in den neuen Bundesländern wurden ja sehr viele Lebensmittel produziert. Damals gab es noch keine Biogasanlage, keine Photovoltaik oder Windkraft auf den Feldern. Die Leute, mit denen ich spreche, sagen, ich finde es super, dass du nicht nur Mais für die Biogasanlage oder irgendein Zeug anbaust, das sonst keiner braucht.
Dass sagen Ihre Kunden?
Ja, aber auch in der Nachbarschaft und in den Dörfern. Die Leute, mit denen man spricht, die sagen, dass wir Bauern brauchen. Das ist wichtig.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Marie Stumpf für rbb24 Brandenburg Aktuell. Das Interview ist eine gekürzte und redigierte Fassung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.01.2024, 18:20 Uhr