Tödlich erfasstes Mädchen - "Ein Tiefschlag!": Bewährungsstrafe bleibt bestehen

Di 25.06.24 | 20:30 Uhr | Von Oda Tischewski
Symbolbild: Auf einem Polizeifahrzeug warnt eine Leuchtschrift vor einer Unfallstelle. (Quelle: dpa/Stefan Puchner)
dpa/Stefan Puchner
Video: rbb24 Abendschau | 25.06.2024 | Sami Chabani | Bild: dpa/Stefan Puchner

Ein Mann fährt auf der Landsberger Allee mit Tempo 65 anstatt der erlaubten 50. Er überfährt eine rote Ampel und erfasst ein Kind, das daraufhin stirbt. Lebensrisiko im Berliner Straßenverkehr? Oder Grund für eine Mordanklage? Von Oda Tischewski

Am Ende bleibt alles bestehen: der Schuldspruch, die Bewährungsstrafe, der Führerscheinentzug - die verzweifelte Trauer der Eltern, der Gram des Unfallfahrers, der Tod des Kindes. Die 65. Strafkammer des Berliner Landgerichts hat am Dienstag beide Berufungen abgewiesen, die des Angeklagten und die des Vaters, der gehofft hatte, damit eine Anklage wegen bedingt vorsätzlichen Mordes zu erreichen statt – wie bisher – wegen fahrlässiger Tötung.

Dafür aber sah das Gericht die Voraussetzungen nicht erfüllt, es bleibt – vorerst – beim erstinstanzlichen Urteil: Neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine Führerscheinsperre von sechs weiteren Monaten. Schon nach dem Unfall vor mehr als zwei Jahren wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis abgenommen. Frühstens sechs Monate nachdem das Urteil rechtskräftig wird, kann er sie erneut beantragen – ob er sie dann bekommt und unter welchen Voraussetzungen, das entscheidet die Führerscheinbehörde.

Die Elfjährige und ihre Mutter wollten am Nachmittag des 12. April 2022 bei für Fußgänger grüner Ampel die Landsberger Allee überqueren. Das Mädchen sei auf der Fußgängerfurt von dem Wagen des Angeklagten erfasst worden. Es erlitt schwerste Kopfverletzungen und starb wenige Tage später im Krankenhaus.

Richterin: Unfallverursacher handelte nicht unter Vorsatz

Wann das Urteil rechtskräftig wird, ist indes nicht absehbar: Nachdem die Berufung als Nebenkläger, für die er öffentlich Spenden gesammelt hatte, nun zurückgewiesen wurde, wolle er prüfen, ob er in Revision gehen wolle, so der Vater nach dem Prozess. Das Urteil sei für ihn "ein Tiefschlag", er habe sich von der Richterin "mundtot gemacht" gefühlt, die nach seiner Ansicht "die Justiz brüskiert" habe.

Tatsächlich hatte der Vater als Nebenkläger nach dem Plädoyer seiner Anwältin selbst das Wort ergriffen und dem Angeklagten sein Verhalten nach der Tat vorgeworfen: Er habe seine Bitte um ein Gespräch unbeantwortet gelassen, sich bis heute nicht an der Aufklärung des Unfalls beteiligt. Mehrfach unterbrach die Richterin seinen Vortrag, als er dabei weiter ins Detail gehen wollte: Diese Aspekte kämen nach prozessualer Ordnung zu spät, mahnte sie. Vielmehr hätten sie bereits während der Beweisaufnahme vorgebracht werden müssen.

Der von der Nebenklagevertreterin hergestellten Nähe zu den Prozessen um die sogenannten "Kudammraser" wollte die Kammer am Ende nicht zustimmen: Weder habe der Angeklagte einen Tötungsvorsatz gehabt, noch habe er den Tod eines Menschen durch sein Verhalten "billigend in Kauf genommen". Damit bleibt es beim Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung.

Sendung: rbb24 Abendschau, 25.06.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Oda Tischewski

Nächster Artikel