Sicherheit - Grüne schlagen Abteile nur für Frauen in Berliner U-Bahnen vor
Tokio als Vorbild: Die Berliner Grünen schlagen vor, zu manchen Zeiten einige U-Bahnwagen in Berlin für Frauen vorzubehalten. Damit wollen sie die Sicherheit für weibliche Fahrgäste erhöhen. Die BVG sieht keinen Handlungsbedarf.
- Zahl der erfassten Sexualdelikte in Bussen und Bahnen nimmt zu
- Grüne schlagen getrennte Wagen für Frauen vor
- BVG hält bisherige Vorkehrungen für ausreichend
- Mehrere Parteien reagieren skeptisch
Damit Frauen sich im Großstadt-Nahverkehr zu jeder Tageszeit sicher fühlen können, hat die Berliner Grünen-Abgeordnete Antje Kapek getrennte U-Bahn-Waggons für weibliche Fahrgäste ins Spiel gebracht.
"Es gibt eine sehr schöne Idee, die ich aus Tokio abgeguckt habe, wo man in den Abendstunden spezielle Frauenabteile eingerichtet hat", sagte die Politikerin. "Hier haben sie einen Schutzraum, der es ihnen ermöglicht, auch in der Rushhour, auch bei großem Gedränge ohne Antatschen oder Übergriffe mit der U-Bahn zu fahren", betonte Kapek. In den Frauen vorbehaltenen Wagen sollen der Grünen-Politikerin zufolge weibliche Fahrgäste vor männlichen Übergriffen insbesondere in den Hauptverkehrszeiten besser geschützt sein. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet.
Auch in den Abendstunden, wenn es besonders eng sei, sei es für Frauen oft besonders unangenehm, so Kapek. Auch zu Nachtzeiten nehme die Zahl der Übergriffe auf Frauen zu. Bisher handelt es sich lediglich um eine Idee im Landesverband der Grünen. Einen Gesetzesvorschlag gibt es dazu bisher nicht.
Vergewaltigung im Frühjahr auf der U3
Hintergrund des Vorschlags ist eine Vergewaltigung im Frühjahr dieses Jahres in einer Berliner U-Bahn. Ein 33 Jahre alter Mann wird verdächtigt, eine Frau auf der Linie U3 im Stadtteil Zehlendorf zunächst sexuell genötigt und anschließend vergewaltigt zu haben. Nach der Tat soll er das Fahrzeug verlassen haben und mit dem Bus weiter gefahren sein. Nach einer öffentlichen Fahndung wurde der mutmaßliche Vergewaltiger wenige Wochen später gefasst.
Laut aktuellem BVG-Sicherheitsbericht passieren pro Tag im Durchschnitt mehr als elf Gewalttaten in U-Bahnen, Bussen und auf Bahnhöfen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Demnach waren es im vergangenen Jahr insgesamt 4.181 Körperverletzungen, Nötigungen, Raubüberfälle und Sexualdelikte. Das war der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Die Zahl der Sexualdelikte steigerte sich seit 2014 (68) kontinuierlich auf 313 im Jahr 2022. 2023 wurden 259 Vorfälle registriert. Die Zahl der Nötigungen stieg von 284 (2014) auf 636 im vergangenen Jahr.
BVG hält Vorkehrungen für ausreichend
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sehen den Vorschlag der Abgeordneten dennoch skeptisch und halten die bisherigen Sicherheitsvorkehrungen in ihren Fahrzeugen für ausreichend. "Wir arbeiten mit vollem Einsatz daran, dass alle Fahrgäste jederzeit sicher und mit einem guten Gefühl ans Ziel kommen. Das ist unser Anspruch", teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.
"Wer sich unwohl fühlt oder Hilfe benötigt, hat auf jedem Bahnhof zu jeder Tages- und Nachtzeit die Möglichkeit, über die Notruf- und Informationssäulen direkten Kontakt zu unseren Mitarbeitenden und der Sicherheitsleitstelle aufzunehmen", hieß es. Die BVG verwies zudem auf rund 250 Sicherheitsbeschäftigte, die rund um die Uhr im Einsatz seien. "Schwerpunktbahnhöfe werden dauerhaft Tag und Nacht besetzt, zusätzlich alle Endbahnhöfe zwischen 20 und 5 Uhr."
Kritik von AfD und FDP - Linke sieht anderen Schwerpunkt
Die Berliner AfD hält wenig von dem Vorstoß. "Die Forderung nach reinen Frauenwagen bei der U-Bahn ist absurd und geht am Problem vorbei. Sicherheit schafft man nicht durch Separierung der Opferkategorien, sondern durch konsequentes Durchgreifen gegenüber Straftätern sowie schnellere Verurteilungen unter Ausnutzung des Strafmaßes", sagte der Verkehrsexperte der AfD-Hauptstadtfraktion, Rolf Wiedenhaupt.
Auch Peter Langer, Generalsekretär der Berliner FDP, kritisierte den Vorschlag der Grünen. Er sprach von einer "Bankrotterklärung". Jeder müsse sich in Berlin frei bewegen können. Es dürfe keine No-Go-Areas geben. "Statt Extra-Wagons zu schaffen, müssen alle U-Bahn-Wagen durchgängig sein. Zusätzliches Sicherheitspersonal muss vor allem in den Abend- und Nachtstunden vor Ort zur Verfügung stehen", so Langer. An Bahnhöfen dürfe es keine dunklen Ecken geben. Zudem brauche es noch mehr Notfallsäulen, die dann auch jederzeit problemlos funktionieren.
Ausweichend äußerte sich die Linke-Fraktion. "Wir teilen die Auffassung, dass wir im öffentlichen Nahverkehr mehr für die subjektive wie objektive Sicherheit für Fahrgäste unternehmen müssen", erklärte der Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. "Frauen sind hier besonders betroffen." Aus seiner Sicht wäre es notwendig, in den Zügen und an den Bahnhöfen dauerhaft mehr Sicherheitspersonal einzusetzen, um Übergriffe zu verhindern.
Neben Tokio gibt es zahlreiche weitere Beispiele für getrennte Frauenbereiche in Zügen. In der indischen Großstadt Neu-Delhi etwa gibt es solche Frauenwaggons in der U-Bahn. Diese sind allerdings in der Regel nicht über Türen oder andere Abgrenzungen vom Rest des Zuges getrennt. Auch in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro sind an Werktagen zu Hauptverkehrszeiten einzelne Waggons weiblichen Fahrgästen vorbehalten. In Nachtzügen der Österreichischen Bundesbahnen können Frauen sogenannte Damenabteile buchen, in denen sie unter sich bleiben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.11.2024, 13:30 Uhr
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