Vorgezogene Neuwahlen - Warum der kurze Winterwahlkampf kleine Parteien benachteiligt

Mi 13.11.24 | 10:49 Uhr
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Der Deutsche Bundestag, Reichstag, davor steht ein geschmueckter Weihnachtsbaum, im Vordergrund ein Schneeman
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Video: rbb24 Abendschau | 12.11.2024 | Dorit Knieling | Bild: Imago/Malte Ossowski/Sven Simon

Das Datum für die vorgezogene Bundestagswahl steht quasi fest, es wird der 23. Februar 2025. Den Parteien lässt das wenig Zeit für Wahlkampf, in vielen Fällen gibt es nicht mal Kandidaten. Besonders hart aber wird es für kleine Parteien.

Die Vertrauensfrage ist noch gar nicht gestellt, da beginnt bereits der Winterwahlkampf, wenn auch nur inoffiziell: Mit der Verständigung zwischen den beiden verbliebenen Regierungsfraktionen, der Union als Oppositionsführerin und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) steht fest, dass am 23. Februar 2025 der Bundestag gewählt wird. Die Vertrauensfrage, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 16. Dezember stellen muss, gerät fast schon zur Randnotiz.

Doch so sehr sich alle über die Planungssicherheit freuen, so groß sind die Herausforderungen für die Parteien bei diesem kurzen, intensiven Winterwahlkampf: Was sonst innerhalb von Monaten geschieht, wird nun zu einem Sprint innerhalb weniger Wochen. Vor allem die kleinen Parteien haben es dabei besonders schwer - aber auch die großen Parteien stehen zum Teil noch ganz am Anfang der Vorbereitungen.

In Berlin ist bislang die AfD am besten präpariert: Die Rechtspopulisten haben bereits eine Liste für die Bundestagswahl aufgestellt. Die AfD will erneut mit Beatrice von Storch als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf ziehen. Hinter ihr auf Platz zwei und drei der Landesliste stehen der Innenpolitiker Gottfried Curio und Berlins Landesgeschäftsführer Ronald Glaeser.

Alle anderen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien wollten ursprünglich frühestens im Januar ihre Landeslisten. Die entsprechenden Parteitage sollen nun teilweise deutlich früher stattfinden, einige wahrscheinlich schon Ende November oder im Dezember, mitten in der Vorweihnachtszeit.

Besondere Hürde für kleine Parteien

Für die kleineren Parteien wird es besonders herausfordernd, den Wahlkampf jetzt so schnell zu starten. Hier sind die meisten Parteimitglieder ehrenamtlich tätig und haben weniger Zeit. Für sie ist es schon schwierig, auf die Schnelle überhaupt erst einmal Räume für Versammlungen zu organisieren. Etwa für die nötige Aufstellungsversammlung, bei der die Kandidatinnen und Kandidaten festgelegt werden, mit denen die Partei ins Rennen geht. Wenn die feststehen, müssen die kleinen Parteien in der Bevölkerung Unterschriften sammeln, um überhaupt antreten zu können. So sehen es das Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung für Parteien vor, die dem Bundestag vor der Wahl nicht schon angehören beziehungsweise dort mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind. Dazu brauchen sie jedoch zuerst offizielle Formulare, die angefordert und geliefert werden müssen. Die Unterschriften werden dann in den Bezirken eingereicht und geprüft. Das alles dauert.

Nico Poschinski, Landesvorsitzender der Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz sieht darin einen Nachteil. "Der Termin ist für uns als kleine Partei natürlich viel zu früh da wir Hürden überspringen müssen, die die großen Parteien gar nicht haben", so Poschinski. Der Partei würden am Ende etwa sechs Wochen bleiben, um die Unterschriften zu sammeln. "Das sind dann für Berlin ungefähr 334 Unterschriften pro Woche und das ist für uns als ehrenamtlich Tätige natürlich ein riesiger Aufwand, diese Unterschriften in der Zeit tatsächlich zu sammeln." Das werde sehr, sehr schwierig. Poschinski kritisiert das Verfahren: "Wir haben in Deutschland über 500.000 Wählerinnen und Wähler, in Berlin über 40.000 und es ist irrsinnig eigentlich, dass die Tierschutzpartei jetzt noch nachweisen muss, dass wir ein berechtigtes Interesse in der Bevölkerung haben, an diesen Bundestagswahlen teilzunehmen."

"Dann gehen wir halt auf die Weihnachtsmärkte"

Zuversichtlicher zeigt sich Gina Nießer, Sprecherin von Volt. "Wir sind bereit, diesen Wahlkampf zu machen und ob der jetzt einen Monat früher oder später stattfindet, spielt für uns gerade gar nicht so eine große Rolle." Die Partei habe bereits in den vergangenen Wochen über das Szenario Neuwahl nachgedacht und sich sortiert. Das Sammeln der Unterschriften sieht sie als Teil des Wahlkampfs. "Gerade wenn jetzt die kalte Jahreszeit kommt, dann gehen wir halt auf die Weihnachtsmärkte mit den Menschen, sammeln die Unterschrift, bringen uns ins Gespräch und dann sind wir optimistisch, dass wir das auch gut hinkriegen", so Nießer. Zudem spiele der Online-Wahlkampf eine wichtige Rolle. "Wir möchten die Menschen auch zuhause auf ihrem Sofa erreichen. Wenn das über Social Media ist, werden wir das auch priorisieren jetzt und schauen, dass wir auch da den Menschen ein Angebot machen können mit uns ins Gespräch zu kommen und sie da zu erreichen, wo sie den Winter verbringen", sagt Nießer.

Die großen Parteien können jetzt direkt in den Wahlkampf starten - ohne Unterschriften-Aktion. Und haben zum Teil schon mit der Aufstellung begonnen. "Es ist so, dass wir eine professionelle Landesgeschäftsstelle haben und auch in den Bezirken stark aufgestellt sind, so dass wir diese formalen Fragen gut miteinander werden klären können", sagt Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Grüne. Er rechnet damit, dass die Kandidatinnen und Kandidaten noch im Dezember feststehen.

Wahlplakate der Parteien AfD und FDP im Winterwahlkampf 2023

Dämpft Weihnachten die Toleranz für Politik?

Die Lichtenberger SPD-Abgeordnete Tamara Lüdke versuchte schon am Dienstag, am Lichtenberger Bahnhof mit Vorbeihastenden ins Gespräch zu kommen. Das war jedoch noch kein Auftakt zum Bundestagswahlkampf - sie verteilte Flyer für Veranstaltungen. Lüdke hält es für gut möglich, alle Wahlkampfschritte vorzuziehen und die Kandidatinnen und Kandidaten schon bald festzulegen. "Ich bin auch wegen der Wahlwiederholung beim letzten Mal sehr sicher, dass Berlin das organisationstechnisch hinbekommen wird", sagt Lüdke. Sie bedauere nur, dass die Aufmerksamkeit der Bevölkerung über die Weihnachtszeit wegfallen könnte. "Ich denke über die Weihnachtszeit möchten die Menschen von uns auch nicht zu sehr politisch bespielt werden."

Bundesinnenministerium bereitet Erleichterungen für kleine Parteien vor

Damit kleine Parteien bei der Neuwahl nicht benachteiligt sind, bereitet das Bundesinnenministerium eine Verordnung vor, die hier gewisse Erleichterungen vorsieht. Konkret betrifft dies die Fristen, zu denen die Landeslisten und die Kreiswahlvorschläge spätestens vorliegen müssen. Dies ermöglicht das Bundeswahlgesetz.

Erlassen werden könne die Verordnung über die Abkürzung von Fristen und Verlegung von Terminen aber erst, sobald bekannt wird, welchen Wahltag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bestimmt, sagte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage der deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.

CDU, SPD und Grüne einigten sich, den 23. Februar 2025 vorzuschlagen. Steinmeier hält den Termin für realistisch, wie eine Sprecherin Steinmeiers erklärte.

Sendung: rbb24 Abendschau, 12.11.2024, 19:30 Uhr

Kommentar

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69 Kommentare

  1. 69.

    Schnelle Neuwahlen werden nur den extremistischen Parteien nutzen. Aber das ist ja das erklärte Ziel solcher Forderungen.

    Deswegen Augen auf bei der Bundestagswahl, wer cDU wählt wacht womöglich in einer rechtsextremen Diktatur auf.

    Die Steigbügelhalter der Rechtsextremen, nun schon zum zweiten Mal in unserer Geschichte, einst Papen, nun Söder und Merz.

  2. 68.

    Fällt Ihnen nicht auf, dass auch die derzeitige Minderheitsregierung SPD/Grüne sowie die neue Opposition FDP/CDU/AFD "Nord-Stream-Pipeline" keine Schadenersatzforderungen an die vermeintlichen Verursacher stellt?

    Entschuldigung. - Der Intelligenzquotient von 90 reicht aus, um das zu erkennen.

  3. 67.

    mit dem Ersatzscholz wird das wohl auch nichts werden.

  4. 65.

    Starke Parteien schaffen das trotzdem. Ob klein oder groß. Die knappen Fristen sorgen für natürliche Selektion. Gut so!

  5. 64.

    ich hoffe das im präsidialamt folgende erkenntnis doch noch reift den wahltag ein wochenende früher also am 16.2. stattfinden lassen, da jener sonntag im februar sich nicht mitten in den winterferien eines bundeslandes befindet.

  6. 63.

    Bitte haltet Euch von den Weihnachtsmärkten fern. Das hat den Bürgern gerade noch gefehlt. Da sind alle ganz scharf drauf.

  7. 62.

    Wahlaussagen nach der Wahl Schall und Rauch sind. Da schau ich lieber wenigstens einmal im Monat was da so im Plenum los ist und treffe meine Wahl nach dem, was die Abgeordneten der einzelnen so alles durchsetzen wollen, oder wogegen sie sind und was davon meinen Vorstellungen am nächsten kommt. Diese gelebte Politik ist sehr viel aussagekräftiger als ein einstudiertes Wahlprogramm.

  8. 61.

    nur die Partei, die den Wahlkreis gewinnt und das gewonnen Direktmandat. Das mag sein, das dadurch der Wählerwille nicht zu 100% getroffen wird, es ist aber besser als jetzt, weil jetzt mancher Wahlkreis überhaupt nicht vertreten ist wenn durch die Wahlrechsverschlimmbesserung das Direktmandat das Nachsehen hat. Denn dann weiß der Wähler, er wird von zwei Personen aus seinem Wahlkreis vertreten, die zumindest wissen, wie die Stimmung im Wahlkreis ist. Im jetzigen Wahlsystem werden durch die Listen einige Wahlkreise überrepräsentiert.

  9. 60.

    Zu viele Trump-Kampagne konsumiert? Diese ständige Gerede von Wahlbetrug soll Ihnen wer glauben? Einfach mal als Wahlhelfer mithelfen und schauen, wie jede Partei darauf achtet, dass richtig ausgezählt wird!

  10. 58.

    Demokratie= die Mehrheit der Wähler bestimmt KanzlerIn!
    Sie wollen eine Kleinstparteienlandschaft nach Weimarer Modell? War schlecht und hatte schreckliche Folgen!
    Wenn ich mit einer Partei noch nicht soweit bin (aus meiner Sicht trifft das auf BSW zu), dann sollte ich mich nicht zur Wahl stellen! Man muss in der Politik über die Dörfer und sich eine Basis erarbeiten! Und manchmal muss man feststellen, dass man langfristig nicht über 2% kommt und das dann auch akzeptieren!

  11. 57.

    Die Wähler werden schon wissen, ob sie noch eine kleine Oppositionspartei wählen wollen oder ob sie eine handlungsfähige Regierung wollen. Nur Opposition hilft auch nicht weiter. Haben wir im Osten. Ergebnis: bis zu 50% der Abgeordneten (mehr oder minder geeignet > zT mit laufenden Strafverfarhen, keiner Erfahrung)in Landtagen sitzen da als Opposition auf teueren Stühlen und keiner will mit ihnen regieren.

  12. 56.

    In der Demokratie braucht es Mehrheiten. Keine Mehrheit, keine Umsetzung!
    "Arbeiten lohnt sich kaum noch. Mieten, Energie, Lebensmittel usw. steigen." > Dieser Unsinn, dass sich Arbeiten nicht lohnt. Gerade sind in vielen Bereichen die Löhne wg. des Krieges in der Ukraine (Energeikosstenanstieg = staatl. Zuschüsse; Mietzuschüsse erhöht, INflation wieder auf 2% zurück) neu ausverhandelt worden und teilweie erheblich gestiegen!
    Es lohnt immer mit anzupacken statt nur zu Jammern!

  13. 55.

    Szenen einer Ehe. Probleme werden in Luft aufgelöst.
    Das Tabu ""Nord-Stream-Pipeline" bleibt gesellschaftliches Regelwerk einer medialen Politik-Simulation..Schadenersatzforderung an die Verursacher stellen
    Sorry to say.

    Aktuelles Zitat in der heutigen Regierungserklärung um 13:25 MEZ
    "Der (kommende) Wahlkampf erhält (macht) die Demokratie lebendig."

    Der kurze Winterwahlkampf benachteilgt die kleinen Parteien und schiebt deren vermeintliches Wählerpotiential an die Mitbewerber (Gegner).
    Sorry to say.

  14. 54.

    In diesen Zeiten wird durch die Wähler versucht das schlimmere Übel zu verhindern. Wer einen merz nicht als Kanzler will, wählt dann SPD und umgekehrt.

    Wahlprogramme sind nach der Wahl nur schall & Rauch sowie das Papier nicht wert, aus dem sie gedruckt werden. Eine Wahl ist eine Materialschlacht.

    Der Bundestag wird nach einer Wahl so verbünden, dass kleinere Parteien keine Chance haben werden. Weniger Chancen im Wahlkampf = weniger Demokratie. Wenn viele ihre 2. stimme zur Kanzler Wahl nutzen

  15. 53.

    die unfähige afd jammert doch bloß weil sie ihr Umfragewerte abrutschen sieht.

  16. 52.

    Winter hamwanicht in Berlin

  17. 51.

    >"Ich würde auch nur von jedem Wahlkreis zwei Personen in den Bundestag einziehen lassen, einmal das Direktmandat und den Anderen darf sich die Partei wünschen."
    Das würde aber auch nicht den Wählerwillen entsprechend der Anzahl von Wählerstimmen widerspiegeln, wenn jede Partei unabhängig von ihrer Wählerzustimmung nur einen Direktkandidaten und eine weitere Person als Abordnung ihrer Wähler in den Bundestag schicken darf. Ihr System ist somit abgewählt. Ich finde es schon sinnvoll, dass eine Partei mit 30% mehr Stimmen im Bundestag hat als eine Partei mit nur 6%.

  18. 50.

    Dann müssten die Parteien aber auch bereit sein mit allen anderen zu koalieren. Da aber viele schon andere Parteien ausgrenzen, wird es wohl wieder ein Dreiergemauschel.
    Oder die ca. 8% Stimmen von den Sonstigen, die es jetzt aus Zeitgründen nicht auf den Wahlzettel schaffen, verteilt sich so, dass eine Mehrheit entstehen kann. Allerdings bezweifle ich, dass das Ergebnis wirklich gut werden wird.

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