Wolfsjagd - Europäischer Gerichtshof bestätigt Ausnahmen bei Wolfsjagdverbot
Wenn ein Wolf Schafe oder andere Tiere reißt, darf er nicht einfach so getötet werden. In Brandenburg wird schon länger ein leichterer Abschuss von Wölfen gefordert. Ein Gerichtsurteil zu einem Fall in Österreich macht Ausnahmen wahrscheinlicher.
Schäfer, Rinderzüchter und Tierhalter, die die wachsende Zahl von Wölfen in Brandenburg aufmerksam beobachten, hatten lange auf dieses Urteil gewartet: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am Donnerstag den Wolfsschutz gestärkt – und gleichzeitig Ausnahmen bestätigt. Konkret ging es um das Wolfsjagdverbot im Nachbarland Österreich. Dieses ist laut EuGH gültig.
Umweltschützer hatten Beschwerde eingelegt, nachdem die Tiroler Landesregierung vor zwei Jahren einen Wolf zum Abschuss freigegeben hatte. In den Tiroler Alpen hatte das Tier 20 Schafe gerissen. Der EuGH gab den Tierschutzorganisationen recht.
In Brandenburg gibt es 52 Rudel
Wölfe sind nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) streng geschützt, wie das Gericht feststellte. Ausnahmen kann es nur geben, wenn die Jagd die Erhaltung der Wolfspopulation nicht gefährdet. Das sei in Österreich nicht der Fall, so der EuGH. Zudem müssen Schäfer und Tierhalter zuerst mit allen möglichen Mitteln versucht haben, ihre Tiere zu schützen, bevor ein Abschuss infrage kommt. Die Richtlinie gilt auch in Deutschland, wo die Wolfsjagd streng verboten ist und außer in vorher genehmigten Ausnahmefällen eine Straftat darstellt.
Überträgt man das Urteil auf Brandenburg, dann sollten hier die bisherigen und sogar weitere Ausnahmen beim Wolfsjagdverbot erlaubt sein, da es im Land genug Wölfe gibt. Brandenburg ist nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz das Bundesland mit den meisten Wölfen. Mit einem großen Zuwachs der Population rechnen Fachleute derzeit nicht mehr, die Zahl der Wolfsrudel stagniert laut Daten des Landesumweltamtes (LfU) seit Jahren. Im Jahr 2023 gab es demnach 52 Rudel, gezählt wurden 190 Welpen in insgesamt 62 Territorien.
Mehr als 1.500 Weidetiere im vergangenen Jahr von Wolfen gerissen
"Die Wolfbestände sind auf einer Höhe, die bei der Ausrottung des Wolfes vor 150 Jahren nicht denkbar war. Damals waren die Wildbestände in Deutschland um Größenordnungen niedriger", sagte Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, dem rbb. Jetzt hätten Wölfe in genug Schutzzonen, in die sie sich zurückziehen kann, so Hofer. "Das bedeutet, dass der Wolf sich weiter ausbreitet und die Population anwächst." Die meisten Wölfe sterben nach Angaben von Hofer im Straßenverkehr.
Mit dem Anstieg der Population wächst auch die Zahl der Wolfsangriffe: 358 Übergriffe gab es laut Angaben des LfU im vergangenen Jahr in Brandenburg, bei denen fast 1.500 Weidetiere starben, die meisten davon Schafe und Ziege. Abgeschossen wurden in diesem Zeitraum nur zwei Wölfe aus demselben Rudel bei Luckau (Dahme-Spreewald). Neben dieser Ausnahme wurden im vergangenen Jahr drei illegale Tötungen registriert.
"Problemwölfe" müssen bisher vor Abschuss eindeutig identifiziert werden
Viele Tierhalter wollen das nicht hinnehmen, so wie Udo Felgendreher aus Frankfurt (Oder). Er hat in diesem Jahr nach eigenen Angaben bereits elf Lämmer bei Wolfsangriffen verloren. Deswegen fordert er, "dass sie zeitnah gejagt werden können", wie er dem rbb sagte. Bereits am Tag nach einem Angriff sollte ein Jäger den für den Schaden verantwortlichen Wolf abschießen können, so Felgendreher.
Nach der geänderten Brandenburger Wolfsverordnung aus dem Jahr 2022 dürfen Wölfe geschossen werden, die über einen Zeitraum von sechs Monaten überdurchschnittlich viele Weidetiere in ihrem Territorium getötet haben. Notwendig dafür ist ein eindeutiger Nachweis, dass ein Wolf zweimal in einer Herde Tiere gerissen hat. Der Nachweis erfolgt oft über DNA-Analysen. Wenn der "Problemwolf" aber von anderen Wölfen nicht unterschieden werden kann, dürfen Tiere aus dem Rudel erlegt werden, bis von diesem Rudel keine Gefahr mehr ausgeht.
Künftig könnte es Abschussgebiete für Wolfe geben
Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hatte im vergangenen Jahr einen schnelleren Wolfsabschuss sogenannter Problemwölfe gefordert. Im vergangenen Dezember einigten sich Bund und Länder auf neue Möglichkeiten dafür. Wenn ein Wolf einen Schutzzaun überwindet und ein Nutztier tötet, dürfen künftig 21 Tage lang Wölfe im Umkreis von 1.000 Metern geschossen werden. Der Vorschlag kam von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Brandenburg wollte daraufhin seine Wolfsverordnung lockern, was bisher aber nicht geschehen ist.
Der Landesjagdverband dringt auf eine rasche Änderung der Regelungen. "Der Abschuss schadenstiftender Wölfe muss in Brandenburg zur Routine werden", forderte der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, Kai Hamann, im April. Mit einer neuen Wolfsverordnung ist laut rbb-Informationen vor der Landtagswahl im September nicht mehr zu rechnen. Die Entscheidung muss wohl ein neues Landesparlament ab Herbst treffen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.07.2024, 16:40 Uhr
Mit Material von Sabine Tzitschke