Interview | Schulessen in Berlin - Verbindliche Qualitätskriterien gelten für alle Caterer gleichermaßen

Mo 16.09.24 | 14:31 Uhr
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Symbolbild:Schüler beim Mittagessen in der Mensa in der Grundschule an der Wuhlheide.(Quelle:picture alliance/dpa/J.Kalaene)
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Ein Caterer lieferte Schulessen in Berlin zuletzt oft nicht wie vereinbart aus. Doch wie erfolgt die Vertragsvergabe und wie werden Qualitätsstandards gesichert? Manuela Sorg von der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung erläutert Hintergründe.

rbb|24: Frau Sorg, können Sie zunächst aus Sicht Ihres Vereins für die Leute, die Kinder in einer Berliner Schule haben, kurz erklären, wie diese Catering-Verträge überhaupt zustande kommen?

Manuela Sorg: Grundsätzlich muss man wissen, dass dieser Vergabeprozess in Berlin für das Elternkosten-beteiligungsfreie Schulmittagessen den Anforderungen einer EU-weiten Ausschreibung unterliegt. Das hat was mit dem Auftragsvolumen zu tun. Das heißt, die ausschreibenden Stellen, die Bezirksämter in Berlin, unterliegen hier dem Vergaberecht. Das ist ein recht komplexes Verfahren, aber das ist auch grundsätzlich vorgegeben.

Die Bezirke schreiben letztlich für ihre Schulen Verträge aus und die gelten dann ein Schuljahr?

Die Verträge gelten immer für vier Jahre.

Schulen können sich nicht einfach frei aussuchen, welchen Caterer sie nehmen und sind dann auch an diesen gebunden?

Durch diese EU-weite Ausschreibung ist es nicht so einfach möglich, dass sich Schulen den Anbieter selbst aussuchen. Das geht vergaberechtlich nicht. Das prüfen natürlich auch Juristen immer wieder. Wo die Schulen aber Mitsprachemöglichkeiten hatten, jetzt auch in diesem Vergabeprozess, war bei der Gewichtung von Zuschlagskriterien. Beispielsweise konnten die Schulen sagen, uns ist es besonders wichtig, dass es im Schuljahr mehrmals ein Wunschessen gibt.

Dann können auch die Schüler mitentscheiden, was sie gerne mal auf dem Mittagstisch haben wollen. Oder sie hatten die Möglichkeit, das Kriterium hoch zu gewichten, dass der Caterer drei Menülinien anbietet und die Schule zwei Menülinien auswählen kann, die wirklich in der Schule angeboten zur Auswahl stehen müssen. Hier gibt es also auf jeden Fall Mitsprachemöglichkeiten. Außerdem ermöglicht das Verfahren die Bewertung von Speisekarten.

Die Anbieter haben Speisekarten eingereicht mit jeweils 20 Gerichten. Die Schulen konnten hier mit zuvor bestimmten Personen diese Speisekarten in Hinsicht auf die erwartbare Akzeptanz bewerten. Die Lehrer vor Ort können natürlich besser einschätzen, was ihre Schülerschaft für Speisen mag. Also ob Couscous besonders gut ankommt oder nicht oder ob die hellen Soßen meistens zurückgegeben werden. Hier gab es schon die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.

Manuela Sorg ist Geschäftsführerin der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung [vernetzungsstelle-berlin.de] in Berlin. Der gemeinnützige und unabhängige Verein setzt sich für eine qualitativ hochwertige, gesundheitsfördernde Verpflegung ein und berät Kitas und Schulen.

Und das ist in die Bewertung und die Auswahl des Caterers letztlich auch eingeflossen?

Genau.

Nicht eingeflossen ist die Frage, was das Essen kostet. Spielt es für die Vergabe keine Rolle, weil der Preis festgesetzt ist?

Richtig. In Berlin gibt es tatsächlich einen einheitlichen Festpreis, der für alle verbindlich ist. Das hat natürlich auch einen Vorteil, weil man dann als Auftragnehmer, als Caterer weiß, welcher Essenpreis für ihn garantiert ist. Ziel war es in Berlin auch, wegzukommen von dieser Preisdebatte. In der Ausschreibung spielt oft der Preis die übergeordnete Rolle und es sollte eigentlich mehr eine Qualitätsdebatte geben. Und in Berlin ist besonders gut, wie ich finde, dass es wirklich verbindliche Qualitätskriterien gibt, an die sich die Caterer alle halten müssen.

Ziel war es in Berlin auch, wegzukommen von dieser Preisdebatte. In der Ausschreibung spielt oft der Preis dann die übergeordnete Rolle und es sollte eigentlich mehr eine Qualitätsdebatte geben.

Manuela Sorg, Geschäftsführerin der Vernetzungsstelle Kita und Schulverpflegung in Berlin

In Berlin ist der DGE*-Qualitätsstandard verbindlich, in anderen Bundesländern ist das überwiegend noch nicht der Fall, richtig?

Genau.

Haben die Caterer denn aufgezeigt, dass es vielleicht Probleme gibt, diese Qualitätsstandards zu dem Preis zu halten?

Wir hatten in Berlin durchaus auch Preisdiskussionen beim Schulessen. Natürlich ist immer die Frage, was kostet ein gutes Essen? Der Preis ist meines Erachtens, wenn man es zunächst weit vergleicht, schon recht hoch. Eigentlich ist Vieles möglich, denke ich. Genau kann ich nicht beurteilen, ob der einzelne Caterer das so bewertet, dass der Preis ausreichend für ihn ist. Aber alle unterliegen hier den gleichen Wettbewerbsbedingungen. Und das macht eigentlich dieses Ausschreibverfahren am Ende sehr fair.

Wo liegt der Festpreis eigentlich?

Der ist angepasst worden aufgrund der steigenden Energie-, Preis- und Lebensmittelkosten und liegt aktuell bei 5,16 Euro, inklusive der Umsatzsteuer. Zuvor war er bei 4,36 Euro.

Egal für welches Essen?

Genau.

Kann der Anbieter nicht sagen, ich kann für den Preis nur die und die Qualität anbieten?

Die Anbieter sind schon verpflichtet, entsprechend die Qualitätskriterien einzuhalten, die festgelegt sind. Es gibt in Berlin sogar eine Qualitätskontrollstelle, die das dann überprüft.

Es geht also NICHT darum, zu zeigen, dass man Nudeln mit Tomatensoße für 1,50 Euro anbieten kann?

Ganz genau, das ist zumindest die Absicht, die alle Beteiligten hier mit diesem Verfahren versucht haben, bestmöglich umzusetzen und deshalb auch diese Speisekarte, um die Schulen hier wirklich mitreden zu lassen.

Halten Sie denn das System und die Art der Ausschreibung so, wie es in Berlin praktiziert wird, für sinnvoll? Würden Sie sagen, auch Sie als Vernetzungsstelle, die Qualität dieser Art von Auftragsvergabe funktioniert eigentlich ganz gut?

Berlin hat sich dieses Vergabeverfahren nicht ausgedacht, das ist vorgeschrieben durch das Vergaberecht. Im Grunde gäbe es als Alternative nur Modelle, die gibt es sicherlich in anderen Ländern, dass man kommunale Küchen einrichtet. Das wäre aber eine grundsätzliche Umstrukturierung, die sehr langfristig angegangen werden müsste. Im Moment muss man natürlich mit den Bedingungen, die man hat, arbeiten und ich finde, dass hier in Berlin doch eine ganze Menge – auch bei aller Kritik zurzeit – gut läuft.

Alle Bezirksämter schreiben nach den gleichen Kriterien aus, die sind verbindlich für die Caterer und hier fließen wirklich Qualitätskriterien ein, der DGE*-Qualitätsstandard ist verbindlich. Wir haben das elternbeitragsfreie Mittagessen in der Primarstufe, das es allen Kindern ermöglicht, teilzunehmen und wir haben eine Qualitätskontrollstelle, die die Kriterien überprüft. Das sind erstmal grundsätzlich, finde ich, in Berlin viele Punkte, wo ich sage, das läuft richtig und gut. Dass man noch ein bisschen nachjustieren muss und die Beteiligten noch mal den aktuellen Prozess auswerten und schauen, wo kann man vielleicht im nächsten Vergabeverfahren Anpassungen vornehmen, das denke ich, wird in jedem Fall auch erfolgen.

(*DGE - Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.)

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Sebastian Schöbel.

 

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2 Kommentare

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  1. 2.

    Hat jemand von den Foristen den aktuellen Speiseplan? Ich sehe auf den Bildern immer nur zwei Gerichte, nämlich Nudeln mit Tomatensosse und Tomatensosse mit Nudeln.

  2. 1.

    Der Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung nach VOL liegt gegenwärtig bei 221.000€. Es besteht immer die Möglichkeit, mit einer entsprechenden Begründung davon abzuweichen und nur öffentlich auszuschreiben. Bei Schulessen dürfte das nicht schwer sein, oder soll das Essen zB aus Polen oder Frankreich jeden Tag geliefert werden, wenn ein Unternehmen von dort gewinnt?? Ein Widerspruch ist auch, dass jeder Bezirk selbst ausschreibt, aber doch viele den gleichen haben - echter Wettbewerb ??

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