Uckermark - "Der Wolf ist an der Spitze der Nahrungskette und bestimmt unseren Tagesablauf"
In der vergangenen Woche wurden in der Uckermark wieder Schafe gerissen - vermutlich von Wölfen. Der Jagdverband fordert Maßnahmen. Doch sollte der Wolf ins Jagdrecht kommen, könnten die Schäfer zur Kasse gebeten werden.
Die Rückkehr der Wölfe ist für Naturschützer ein Grund zur Freude. Andere sehen die Folgen und Risiken. Laut Landesumweltamt gab es 2023/24 in Brandenburg 58 Rudel - ein bisheriger Höchststand. [www.lfu.brandenburg.de]. Doch je mehr Wölfe zurückkehren, desto größer und unversöhnlicher scheint der Konflikt zwischen beiden Seiten zu werden.
Uckermärkische Herde dieses Jahr bereits acht Mal angegriffen
"Ruhig Mädels, ruhig", beschwichtigt Schäfer Jens Kath seine Herde in der Uckermark, als er zusammen mit Tochter Julia Kath den Elektrozaun abschreitet. Die Tiere sind noch immer aufgeschreckt: Ein Wolf hat in der vergangenen Woche die Schafherde angegriffen. Zwei Tiere lassen noch immer Verwundungen erkennen. "Was die für Schmerzen haben müssen, da gucken die Rippen raus", sagt die Halterin. "Jetzt heißt es, die Tiere einfangen. Ich glaube nicht, dass wir sie noch behandeln können, wenn die Bauchdecke offen ist."
Insgesamt acht Übergriffe habe es in diesem Jahr schon auf die Schafherden der Familie Kath in Friedrichsfelde gegeben. Am Ende der Wiese entdecken die Schäfer ein weiteres totes Tier. Der Wolf hatte den Herdenschutzzaun einfach übersprungen, sagt Jens Kath. "Wir kriegen sie zwar ersetzt, aber die Arbeit, die wir hier täglich haben - der Tag ist gelaufen." Der Wolf stehe laut Kath an der Spitze der Nahrungskette "und bestimmt unseren Tagesablauf und das soll so sein? Also ich weiß nicht, das kann es wohl nicht sein."
Am Ende trennen der Schäfermeister und seine Mitarbeiter die verletzen Exemplare von der übrigen Herde. Ein Tier, dem die Organe aus dem Bauch hängen, wird auf einen Wagen verladen. Später werden die beiden erlöst.
Jagdverband fordert Aufnahme ins Jagdrecht
Rund 50 Kilometer weiter im Gartzer Bruch sind 28 Schafe vom Wolf getötet worden. Ein Rissgutachter zieht die Plane von den damit abgedeckten Kadavern und entnimmt mit einem Wattestäbchen Genproben an den Halswunden. Damit soll der Wolf überführt werden.
Viele Landwirte fordern Maßnahmen, um die Wolfsbestände zu regulieren. Auf EU-Ebene wird gerade über den möglichen Abschuss von Wölfen diskutiert. Dafür spricht sich auch Kai Hamann, Geschäftsführer des Landesjagdverbands aus. "Der Schutzstatus vom Wolf soll von 'streng geschützt' auf 'geschützt' reduziert werden - damit haben auch die Mitgliedsstaaten endlich die Möglichkeit, eigene Verordnungen und Gesetze zu erlassen."
Auch beim Landkreis Uckermark sieht man Handlungsbedarf. Aktuell ist das Töten von Wölfen grundsätzlich verboten, kann jedoch durch Ausnahmeregelungen erlaubt werden. Beispielsweise wenn Wölfe mehrfach Weidetiere angegriffen haben, obwohl effektive Schutzmaßnahmen, wie Zäune und Herdenschutzhunde, vorhanden sind oder das Vergrämen versagt hat.
"Selbstverständlich müssen Wölfe entnommen werden" sagt Frank Bretsch von der Unteren Naturschutzbehörde der Uckermark. "Wir haben Wölfe, die gelernt haben, über 1,20 bis 1,40 Meter hohe Zäune in Schafherden einzudringen", so Bretsch. Dies würden sie dann auch ihren Welpen beibringen.
Schäfer müssten selbst für Schaden zahlen
Karsten Arnold vom "Artenschutzbüro Unteres Odertal" sieht hingegen die Abschusspläne kritisch. Er beobachtet seit Jahren den Wolf in Polen und Deutschland und befürchtet nicht nur Probleme beim Artenschutz, sondern auch finanzielle Einbußen für Nutztierhalter. "Sollte man das noch weiter absenken und dann den Wolf direkt ins Jagdgesetz überführen und regulär regulieren wollen, hätte das unter Umständen echte Auswirkung auf die Nutztierhalter, zum Beispiel, dass Präventionen nicht mehr gefördert werden."
Das heißt: würde der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden, müsste Jens Kath in Zukunft etwa seine Herdenschutzzäune selbst finanzieren und auch die Entschädigung für jedes gerissene Schaf könnte wegfallen. Rund 2,5 Millionen Euro stellt Brandenburg eigenen Angaben zufolge jedes Jahr für das Wolfmanagement zu Verfügung – so viel wie kein weiteres Bundesland.
Jens Kath ist das allerdings zu wenig. "Die Tiere werden ersetzt, aber nicht die Arbeit, der Mehraufwand. Das ärgert mich schon." Kath denkt generell, dass ein Zusammenleben mit Wölfen möglich sein kann. Auf viele Probleme fehlen ihm aber Antworten. Doch auch er befürchtet, dass die Kosten der Risse auf die Akteure vor Ort wie Jäger und Landwirte abgeschoben wird und die Ausgleichszahlungen des Landes wegfallen könnten.
Der Landkreis Uckermark will demnächst alle Betroffene an einen Tisch holen und im kommenden Jahr Vorschläge erarbeiten.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.11.2024, 19:30 Uhr
Mit Material von Riccardo Wittig