Berlin und Brandenburg - Behörden schätzen Zahl der "Reichsbürger" in der Region auf 1.300 Menschen

Mo 12.12.22 | 21:12 Uhr
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Bei einer Razzia gegen sogenannte «Reichsbürger» führen vermummte Polizisten, nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug. (Quelle: dpa/Boris Roessler)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.12.2022 | Uli Hauck | Bild: Boris Roessler/dpa

In Brandenburg hat die Reichsbürgerszene schon während der Corona-Pandemie einige neue Anhänger bekommen. Aber auch in Berlin rechnen Polizei und Verfassungsschutz der waffenaffinen und radikalisierten Szene hunderte Mitglieder zu.

Polizei und Verfassungsschutzbehörden in Berlin und Brandenburg schätzen, dass in der Region insgesamt 1.300 "Reichsbürger" und Selbstverwalter leben. Dabei werden in jedem der beiden Bundesländer jeweils 650 Menschen diesem Spektrum zugerechnet.

Der Gefahr durch diese "sehr radikalisierte" Szene und ihrer Waffenaffinität sei man sich schon lange bewusst gewesen und habe immer wieder darauf hingewiesen, sagte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Montag im Innenausschuss. Daher werde auch "konsequent jeder Waffenbesitz" im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bei entsprechenden Personen durch die Polizei und den Senat unterbunden.

"Erheblicher Zuwachs" in Brandenburg

Spranger nannte eine ganze Reihe von Gruppen, die zu der Szene gehören würden: "Staatenlos.info", "Gelbe Westen Berlin", "Verfassungsgebende Versammlung" und "Vaterländischer Hilfsdienst". Zu der großen deutschlandweiten Razzia am Mittwoch und die vielen Festnahmen äußerte sich Spranger mit Verweis auf die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) nicht weiter.

Das Brandenburger Innenministerium hatte bei der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2021 bereits auf einen "erheblichen Zuwachs bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern" aufmerksam gemacht. 2020 seien dieser Gruppe noch noch 570 Menschen zugerechnet worden, also 80 Personen weniger. Die Zunahme im vergangenen Jahr ist laut Innenministerium "im Wesentlichen auf die Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen".

Umsturz geplant - Schießtraining in Bayern

Die Polizei hatte am Mittwoch bei einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik in 11 Bundesländern sowie in Italien und Österreich 25 Menschen festgenommen. Es gab mehr als 50 Verdächtige und mehr als 150 Durchsuchungen. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Unter ihnen ist auch eine frühere Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin. Gegen sie läuft inzwischen ein Disziplinarverfahren.

Die vergangene Woche ausgehobene "Reichsbürger"-Gruppierung hatte offensichtlich noch deutlich mehr Mitwisser als bislang bekannt. Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags berichteten am Montag, die Ermittler hätten eine dreistellige Zahl sogenannter "Verschwiegenheitserklärungen" mit Unterschrift von Menschen gefunden, die von der Gruppe angesprochen worden seien.

Die mutmaßlichen Verschwörer sollen geplant haben, bundesweit 286 "Heimatschutzkompanien" zu bilden. Diese hätten nach Auskunft eines Vertreters der Bundesanwaltschaft im Falle eines Umsturzes Menschen "festnehmen und exekutieren" sollen, sagte Ausschussmitglied Clara Bünger (Linke). In Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg habe es dafür bereits konkrete Vorbereitungen gegeben. Mehrere Verdächtige hätten in Bayern an einem Schießtraining teilgenommen.

400.000 Euro, Gold- und Silbermünzen

Auch wenn es keinen Hinweis gebe, dass ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden habe, sei die Bedrohung hier wegen der hohen Gewaltbereitschaft der Beteiligten ernst zu nehmen, betonte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU). Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, der Fall sei "erschreckend", sowohl was die Anzahl der Beteiligten angehe, als auch die Finanzmittel der Gruppe.

Bei den Durchsuchungen seien mehr als 400.000 Euro in bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden, sagte Bünger. Außerdem solle es ein Schließfach geben, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollten. Für den engeren Kreis der Verschwörer habe es Satelliten-Telefone gegeben, um intern sicher zu kommunizieren. In einer von den Sicherheitsbehörden abgefangenen Kommunikation sei es um den Zugang zum Bundestag gegangen, berichtete Bünger aus der Sitzung.

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene in Deutschland rund 21.000 Anhänger zu.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.12.2022, 17:00 Uhr

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14 Kommentare

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  1. 14.

    Die Rheinische Post macht sich Sorgen. "Dennoch deutet vieles darauf hin, dass die Beweisführung, wenn es zum Prozess kommt, nicht einfach werden dürfte. Denn einige der Ideen, die in der Gruppe kursierten, waren so merkwürdig, dass die Grenze zwischen Wahrnehmung und Realität oft schwer zu ziehen ist. Während der Durchsuchungen am Mittwoch sind zwar etliche Waffen gefunden worden. Das waren allerdings laut einer ersten Aufstellung hauptsächlich Signalschuss- oder Schreckschusswaffen sowie Schwerter und Armbrüste. Mit anderen Worten: Nicht genügend Ausrüstung für das Umsturz-Szenario, auf das sich die Gruppe vorbereitet haben soll. Man hört auch nicht mehr. Das Ganze scheint sich zu einem einzigartigen Fiasko für die Initiatoren zu entwickeln.

  2. 13.

    Die offizielle Berichterstattung ist schon bizarr. “Einer der Soldaten, Oberstabsfeldwebel Andreas M., gehört dem Stab der Bundeswehreliteeinheit an.” Oberstabsfeldwebel ist Enddienstgrad der Feldwebellaufbahn. OStFw bzw. OSF in einem Stab ist praktisch ein Elefant auf dem Elefantenfriedhof, der auf seinen Ruhestand zuwartet. Vor allem mit der Lachnummer “Er ist die Schnittstelle zum Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung” (ist übrigens sachlich falsch weil es das BWB nicht mehr gibt und durch das BAAINBw ersetzt wurde) als absolute Papierschubse ohne Einflußmöglichkeit. Die Beschaffung von Material wurde durch von der Leyen und ihrer McKinsey-Dame Suder komplett
    kaputt-reformiert, das kann kein kleiner OStFw toppen.

  3. 12.

    Sie hätten es wahrscheinlich nicht geschafft die Regierung zu beseitigen, aber sie waren entschlossen es zu versuchen. Tote wurden dabei einkalkuliert und dafür wären ein paar Jagdflinten ausreichend gewesen. Um allein das zu verhindern, hat sich die Razzia gelohnt.

  4. 11.

    Jeder hat das Recht auf seine eigene gepflegte Unwissenheit. Schützt aber nicht vor Strafe.

  5. 10.

    Wie wäre es mal, wenn die Innensenatorin konsequent gegen den illegalen Waffenbesitz in Berlin vorgeht. Es gibt doch keinen Tag, wo nicht einer niedergeschossen wird. Eine Durchsuchung mit 3000 Polizisten bei den Clans würde mehr illegale Waffen zutage fördern, als die ganze Reichsbürgerszene legal besitzt.

  6. 9.

    Nu macht doch endlich mal Schluß mit den psychisch Kranken die sich Reichbürger nennen.
    Die gehören in die Geschlossene eingeliefert.

  7. 8.

    Es muss doch irgendwann mal Schluss sein mit dieser Verharmlosung von Rechtsextremismus. Es interessiert nicht, ob jemand dieses oder jenes glaubt. Es gibt strafrechtliche Ermittlungen. Es gibt eine gefährliche rechtsextremistische Szene, die Bombenanschläge geplant und bereits zukünftige "Ministerämter" verteilt hat. Es ist gut, dass die Sicherheitsbehörden rechtzeitig diesem braunen Spuk ein hoffentliches Ende gesetzt haben.

  8. 7.

    Wem es in unserem Staat nicht gefällt.... die Grenzen sind offen, jederzeit kann man gehen

  9. 5.

    Es wird höchste Zeit, dass rechte Umtriebe endlich von höherer Stelle ernst genommen und konsequent hart geahndet werden. Was bilden sich diese Leute eigentlich ein? Unser Grundgesetz muss voll ausgeschöpft werden.

  10. 4.

    Reichsbürger, Aluhut-Träger. Coronaleugner, Verschwörungsideologen... Sind diese Personengruppen psychisch labil? Wurden sie einer Gehirnwäsche unterzogen? Haben sie zu wenig Chemtrail abbekommen? Oder haben sie zuviel Russia Today geguckt? Ich würde dieses destruktive Verhalten gerne verstehen.

  11. 3.

    Ich habe noch immer nicht verstanden,. wieviele und welche unbefugt existierende Waffen, es waren dabei auch Dienstwaffen, bei den teilweise im höheren Rentenalter befindlichen verhafteten Personen gefunden wurden. Die TAGESSCHAU schreibt dazu "Den Obleuten des Innenausschusses des Bundestages war mitgeteilt worden, bei der Razzia seien zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen gefunden worden". Der Besitz von Schwertern und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen ist nicht verboten. Weswegen wird denn dann diese Gattung von Waffen überhaupt erwähnt?
    Finde ich jetzt nicht so wahnsinnig gravierend als Ergebnis einer polizeilichen Durchsuchung, wo nach Angaben der Bundesnwaltschaft rund 3000 Beamte aus elf Bundesländern im Einsatz waren. Da erbringt vermutlich eine Clan-Razzia mit einem Zehntel des Aufwandes eine höhere Ausbeute.

  12. 2.

    I h schätze die Zahl mal 2 Mio
    Bei unserem unfähigen Staat RG (Bindes- als auch Berliner Politik)

  13. 1.

    Es muss doch irgendwann mal Schluss sein mit dieser Menschenverdummung. Glaubt man wirklich im ernst, das eine Gruppe von 25 Personen die verhaftet worden sind einen Staat stürzen könnten? Ich glaube dazu müssten es zigtausende sein die sich dann noch in Schlüsselpositionen befinden. Für mich nicht nachvollziehbar.

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