Zukunft der Karstadt-Warenhäuser - Unmut über Signa - Koalitionsvertreter fordern Stopp der Zusammenarbeit

Mo 16.01.23 | 21:42 Uhr
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Symbolbild: Karstadt in der Wilmersdorfer Strasse (Quelle: dpa/Joko)
Video: rbb24 Abendschau | 16.01.23 | Boris Hermel | Bild: dpa/Joko

In der rot-grün-roten Koalition wächst der Unmut über das Agieren des österreichischen Signa-Konzerns in Berlin. Nach Berichten über nicht eingehaltene Zusagen des Mutterkonzerns der insolventen Warenhauskette Galeria Karstadt-Kaufhof fordern Fachpolitiker Konsequenzen - bis hin zur Aufkündigung der Zusammenarbeit.

Nach Angaben des Betriebsrats am Standort Wilmersdorfer Straße soll das Karstadt-Warenhaus dort in einem Jahr geschlossen werden, ohne dass es für die etwa 110 Mitarbeitenden eine Weiterbeschäftigungs-Perspektive gebe. In einer Absichtserklärung („Letter of Intent“/LOI) mit dem Senat hatte Signa 2020 für die Wilmersdorfer Straße erklärt, angestrebt werde eine Standortsicherung "für mindestens zehn Jahre". Allerdings ist Signa nicht Eigentümerin des Geländes und der Mietvertrag soll nicht verlängert werden.

Linke spricht von "Erpressung"

Die Linke wirft Signa vor, nie daran interessiert gewesen zu sein, Standort- und Arbeitsplatzversprechen in der Wilmersdorfer Straße und anderen Berliner Warenhäusern einzuhalten. Es sei Signa-Gründer René Benko nur darum gegangen, sich mit "Erpressung" die Unterstützung des Senats für große Signa-Bauprojekte am Alexanderplatz, am Kurfürstendamm und am Hermannplatz zu sichern. Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linkspartei, fordert deshalb, "die Zusammenarbeit mit Signa einzustellen". Die Bauvorhaben sollten sofort gestoppt werden.

Skepsis auch bei der SPD, deren Stadtentwicklungssprecher Mathias Schulz betont: "Der Letter of Intent ist ein Gesamtpaket mit vielen Standorten, wo alle Zusagen eingehalten werden müssen, weil sich natürlich nur dann auch der Senat an die Zusagen zu halten hat."

In der Absichtserklärung hatte Signa 2020 zudem Investitionen von 45 Millionen Euro in vier Berliner Standorte versprochen. Julian Schwarze, Sprecher der Grünen-Fraktion für Stadtentwicklung, sagt, diese Investitionen seien bisher nicht getätigt worden: "Dementsprechend ist der Letter of Intent durch Signa gebrochen." Deshalb gehörten jetzt alle Projekte auf den Prüfstand, so Schwarze.

Wirtschaftssenator geht von Einhaltung der Vereinbarung aus

Wirtschaftssenator Stefan Schwarz (parteilos, für SPD) reagierte kühl auf diese Forderungen. Er ließ seine Verwaltung mitteilen: "Signa Real Estate hat uns gegenüber versichert, dass sie die Zusagen aus dem LOI einhalten wollen. Wir gehen davon aus, dass der Letter of Intent weiterhin Gültigkeit hat." Gleiches hatte Stadtentwicklungs- und Bausenator Andreas Geisel (SPD) am Vormittag im Abgeordnetenhaus gesagt.

Die Gewerkschaft Verdi appelliert bei aller Kritik an Signa daran, die Zusammenarbeit nicht aufzukündigen. "Wenn der Senat sich jetzt zurückzieht, sinken die Chancen auf Arbeitsplatzerhalt für die Beschäftigten dramatisch", warnt Ralph Thomas vom ver.di Fachbereich Handel. Es sei unbedingt notwendig, eine Zusammenarbeit und Diskussion mit allen Beteiligten weiterzuführen, um sicher zu stellen, dass die Zusagen aus dem Letter of Intent eingehalten werden.

Geisel: "Glaube an Vertragstreue von Signa"

Bausenator Geisel sagte in der rbb24 Abendschau auf die Frage, ob er an eine Vertragstreue von Signa glaube, er hätte noch keine gegenteiligen Informationen. Er werde insofern nicht einseitig den LOI infrage stellen.

Galeria Kaufhof und die Warenhäuser insgesamt seien sicherlich in Schwierigkeiten, so Geisel weiter. Dies liege auch an einem veränderten Konsumverhalten. Der Onlinehandel hätte auch durch die Corona-Pandemie nochmals einen Schub erhalten, sie müssten sich daher umstellen. Geisel sagt aber auch: "Berlin hat Zusagen gemacht und wir erwarten, dass sich Signa auch an seine Zusagen hält."

Er sehe ein Bemühen von Signa, zum Beispiel am Alexanderplatz, dort werde bei Galeria Kaufhof gebaut. Auch bei Karstadt am Hermannplatz fände eine Entwicklung statt. Berlin habe auch ein Interesse, diese Entwicklung fortzusetzen, betonte Geisel auf die Frage nach möglichen Konsequenzen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 16.01.23, 19:30 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Wenn bei mir die Hälfte stimmt, ist das immer noch 50% mehr als bei Ihnen. Insofern alles im grünen Bereich. Da Sie wie üblich nichts beizutragen haben, lassen Sie es doch Ihre unsachlichen Angriffe und Unterstellungen einfach sein, daß hebt hier das Niveau ungemein.

  2. 11.

    "Das wollte die Politik nicht wahrhaben und hat das Märchen vom Kundenmagneten Karstadt erzählt und mit den Millionen an Subventionen letztlich nur überhöhte Mieten nach Österreich bezahlt. Arbeitsplätze wurden trotzdem abgebaut und damit Service und Beratung."

    Wie immer bei ihnen stimmt höchstens die Hälfte. Wir haben ein Problem weil wir unsere Innenstädte auf diese billigen Konsumtempel jahrzehntelang zugeschnitten haben (Kundenmagneten). Parkplätze ohne Ende und auch noch kostenlos, wenn man an der Kasse den Parkschein abstempelte. Verwieldauer nur so lange wie unbedingt notwendig, statt lebendiger Innenstädte mit kleinen Fachgeschäften und Handwerk mit echten Service und Beratung und nicht das Pseudogetue.

    Und selbstverständlich wollte Geisel das glauben, kommt er aus demselben Stall (PwC) wie die Nieten in Nadelstreifen.

  3. 10.

    "Das wollte die Politik nicht wahrhaben und hat das Märchen vom Kundenmagneten Karstadt erzählt und mit den Millionen an Subventionen letztlich nur überhöhte Mieten nach Österreich bezahlt. Arbeitsplätze wurden trotzdem abgebaut und damit Service und Beratung."

    Wie immer bei ihnen stimmt höchstens die Hälfte. Wir haben ein Problem weil wir unsere Innenstädte auf diese billigen Konsumtempel jahrzehntelang zugeschnitten haben (Kundenmagneten). Parkplätze ohne Ende und auch noch kostenlos, wenn man an der Kasse den Parkschein abstempelte. Verwieldauer nur so lange wie unbedingt notwendig, statt lebendiger Innenstädte mit kleinen Fachgeschäften und Handwerk mit echten Service und Beratung und nicht das Pseudogetue.

    Und selbstverständlich wollte Geisel das glauben, kommt er aus demselben Stall (PwC) wie die Nieten in Nadelstreifen.

  4. 9.

    "Es ist auf jeden Fall gerechtfertigt, die ganze Geschäftstätigkeit von Herrn Benko ausgesprochen kritisch zu hinterfragen. "

    Es ist auf jeden Fall gerechtfertigt, die ganze Geschäftstätigkeit ALLER Heuschrecken ausgesprochen kritisch zu hinterfragen.

  5. 8.

    Ich denke, Kleidung und Schuhe sind die letzten großen Bereiche, in denen der stationäre Einzelhandel überhaupt noch punkten und überleben kann. Gibt ja genug Ketten in diesem Bereich und durchaus auch eine ansehnliche Zahl von Fachgeschäften. Außerhalb dieser Nische ist der Einzelhandel stationär tot, soweit es sich nicht um Luxusläden oder echte, beratende Fachgeschäfte handelt. Das Warenhaus als ganzes hat ausgedient. Das wollte die Politik nicht wahrhaben und hat das Märchen vom Kundenmagneten Karstadt erzählt und mit den Millionen an Subventionen letztlich nur überhöhte Mieten nach Österreich bezahlt. Arbeitsplätze wurden trotzdem abgebaut und damit Service und Beratung. Es fehlt schlicht an ausreichender Kundschaft, die bereit ist, in Warenhäusern mehr zu bezahlen. Dieses Pferd ist tot und die Politik sollte endlich den Sattel runternehmen und auf ein neues Pferd setzen, statt weiter auf den toten Gaul zu wetten und damit vorhersehbar Geld zu verschleudern.

  6. 7.

    Es ist auf jeden Fall gerechtfertigt, die ganze Geschäftstätigkeit von Herrn Benko ausgesprochen kritisch zu hinterfragen.
    Aber ein Letter of Intent ist nun einmal genau das, eine Absichtserklärung. Sicher kann man, also das Land Berlin, bei Nichteinhaltung von einer Seite die im LOI dafür als Absicht erklärten Zahlungen an das Unternehmen kürzen oder streichen. Aber es handelt sich nicht um einen Vertrag. Es sei denn, man hat einen Vertrag so genannt (was ziemlich blöde oder wa

    Hoffen wir einfach, dass der Senat sich nicht schon an der Stelle gewaltig über den Tisch hat ziehen lassen.

  7. 6.

    Was auch komischerweise vergessen wird: ein Geschäft ist kein kostenloser Aufenthaltsraum gegen Langeweile. Ohne Umsatz verschwinden die Läden.

    Wer besonders in Berlin - bei der Vielzahl an Geschäften online Bekleidung kauft braucht nicht zu jammern das die Strassen durch Lieferfahrzeuge immer voller werden.

  8. 5.

    Verdi hat wirklich Humor. Die Chancen auf Arbeitsplatzerhalt für die Beschäftigten sind und waren nie gegeben.
    Benko verdiente seine Milliarden mit Immobilien und eine Hand voll Luxuskaufhäuser. Glaubte Verdi jemals ernsthaft das er Interesse an einer Warenhauskette hatte?

    Der Hermannplatz und vor allem Alexanderplatz und Kudamm sind die Immobilien-Highlights die er wollte.


  9. 4.

    Geisel: "Glaube an Vertragstreue von Signa"

    Nun aber bleiben Andreas Geisel Glaube an den Markt, Hoffnung auf ein Mietsenkungs-Wunder, Liebe zu den Investoren. Diese drei, aber Geisels Liebe zu den Investoren ist die größte unter ihnen.

    Wer indes nicht auf Wunder warten will, sollte die Kooperation mit Signa aufkündigen und den Volksentscheid zur Vergesellschaftung privater Wohnungskonzerne umsetzen.

  10. 3.

    Wann hört eigentlich endlich einmal das GEPÄMPER und die damit verbundene STEUERGELDVERSCHWENDUNG an diesen "Herrn Benko" auf.

    Der schert sich doch weder um den Erhalt der Karstadthäuser noch um die Angestellten die durch seine Machenschaften arbeitslos werden.

  11. 2.

    Ich habe den Bericht in der Abendschau gesehen und bekam fast Schnappatmung wie dort die Fakten verdreht wurden. Da wird z.B. eine 3 jährige Vereinbarung und eine 10 jährige Option so dargestellt, als würde die OPTION plötzlich verplichtend sein. Eine Option ist eine Option. Wenn ich mich dann noch düster erinnere, wie der Neubau am Hermannplatz politisch und von den Anwohnern notorisch torpediert wird, dann kann ich hier nur eine politische Masche erkennen um wiedermal einem Investor an die Karre zu fahren.
    Dann müssen die Anwohner im Einzugsgebiet eben mehr dort einkaufen statt beim bösen Amazon und co das Internet leer zu kaufen. Dann rechnet sich so ein Kaufhaus mit seinen Arbeitsplätzen auch.

  12. 1.

    Subventionen und Bevorzugung der Sigma Gruppe stoppen und die Euros an Berliner Firmen zahlen, die wirklich Arbeitspl
    ätze erhalten und schaffen. Den Karstadt am Hermannplatz, Müllerstr., Wilmersdorferstr und Kaufhof Alexanderplatz selbst entwickeln und ausschreiben. Ideenwettbewerb o.ä. Interessenten gibt es sicher genug. Die Markthalle 9 ist auch erfolgreich mit neuen Konzepten

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