Berliner Friedhöfe - Protest gegen akuten Mangel an Grabstätten für Muslime - Senat verspricht Abhilfe
Der Platz für muslimische Grabflächen in Berlin wird knapp. Am Freitag hat der Senat Abhilfe versprochen, doch eine Bürgerinitiative fordert langfristige Lösungen. Zuletzt konnten nur noch in Spandau muslimische Gräber angefragt werden.
- In Berlin herrscht ein akuter Mangel an Grabstätten für Muslime
- Protestler fordern langfristige Lösungen, wie Umwidmungen oder Friedhofserweiterungen in allen Bezirken
- Senat verspricht 2.000 neue Gräber ab März
Der Berliner Senat will mehr Friedhofsflächen für muslimische Bestattungen zur Verfügung stellen. Nach aktuellen Planungen sollen in diesem Jahr rund 2.000 neue muslimische Grabstätten auf speziellen Grabfeldern entstehen, wie ein Sprecher der Senatsumweltverwaltung am Freitag in Berlin sagte. Damit könne der sich abzeichnende akute Mangel vorerst verhindert werden, hieß es. Vor der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin-Neukölln hatte es am Freitag eine Kundgebung gegeben, bei der langfristige Lösungen für das Problem gefordert wurden.
Ab März erste neue Grabfelder
Konkret sollen in Kürze auf dem Landschaftsfriedhof in Gatow neue Bestattungsstellen für muslimische Begräbnisse gesichert werden. Friedhofsträger ist der Bezirk Spandau. Voraussichtlich ab Mai werde die Erweiterung in Gatow fertiggestellt sein.
Im März würden zudem neue Flächen auf einem evangelischen Friedhof im Bezirk Neukölln eröffnet. Auch im Bezirk Pankow soll ab März ein kleineres Bestattungsangebot zur Verfügung stehen. Erweiterungsflächen seien zudem auf landeseigenen Friedhöfen in Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg geplant, ebenso wie auf einem kirchlichen Friedhof in Mitte.
Kundgebung mahnt Mangel an
Noch am Freitagmittag war bei einer Kundgebung in Neukölln der Mangel an muslimischen Grabstätten angeprangert worden. Organisiert wurde die Aktion von den Berliner Bürgerplattformen, ein Zusammenschluss verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen [communityorganizing.de].
Bereits im Vorfeld hieß es: "Obwohl in Berlin über 250.000 Muslime leben, gibt es in der Stadt kaum Möglichkeiten, Bestattungen nach islamischen Ritus durchzuführen." Mit der Kundgebung, zu der die Organisatoren mehrere Hundert Teilnehmer erwarteten, sollten angemessene Bestattungsmöglichkeiten in jedem Bezirk gefordert werden.
Es gibt viele Friedhöfe mit muslimischen Gräbern in Berlin. Auf dem Friedhof am Columbiadamm fand zum Beispiel erstmals 1866 eine Bestattung nach islamischem Ritus statt. Wer jedoch nicht über ein Familiengrab verfügt oder eine Grabfläche langfristig vorbestellt hat, konnte zuletzt nur auf den Friedhof Gatow in Berlin-Spandau ausweichen.
Bezirksstadtrat fordert Unterstützung vom Senat
Ein Bericht der "Berliner Morgenpost" hatte im Januar offen gelegt, dass der letzte verbliebene Berliner Friedhof, auf dem noch muslimische Bestattungen durchgeführt werden können, keine Flächen mehr vorhalten kann. Nach dem 7. April könne der Landschaftsfriedhof Gatow im Bezirk Spandau keine Beerdigungen mehr annehmen. Nur noch bis zum 24. März könne dies überhaupt noch angefragt werden, hieß es.
"Wir wollen den Friedhof erweitern, wir wollen auch weiter bestatten", sagte der zuständige Bezirksstadtrat Thorsten Schatz (CDU) dem rbb und ergänzte: "Wenn wir könnten. Wenn wir dazu auch rechtlich und finanziell vom Berliner Senat in die Lage versetzt werden."
Seit 1988 werden in Gatow muslimische Bestattungen durchgeführt, erläuterte Schatz gegenüber der rbb24 Abendschau. 9.000 muslimische Gräber gebe es derzeit. Acht Mal habe man den Friedhof seither erweitern müssen. Jedes Mal habe man den Senat um Unterstützung gebeten. Zudem handele es sich um ein stadtweites Problem, dass nicht von Spandau allein gestemmt werden könne. Aktuell stamme weniger als zehn Prozent der in Gatow bestatteten Muslime aus Spandau, so Schatz.
Eidechsen müssten erneut umgesiedelt werden
Nun müsse der Senat sowohl den Bezirk unterstützen, als auch eine langfristige Lösung finden, forderte der Bezirksstadtrat vor Bekanntwerden der Senatspläne. "Wir reden hier insgesamt von knapp sechs Millionen Euro, die wir für die Erweiterung brauchen", so Schatz. "Was wir aber vor allem brauchen ist ein Zeichen vom Land Berlin, dass auch in anderen Bezirken endlich Kapazitäten für Muslime zur Verfügung gestellt werden. Denn der Bezirk Spandau wird auf absehbare Zeit die Hauptlast nicht mehr schultern können."
In Gatow habe sich das Problem zugespitzt, weil einige Flächen auf dem Friedhof Anfang der 2000er Jahre umgewidmet worden seien, erläutert Schatz. So sei ein Teil der Anlage als Ausgleichsfläche für Bauvorhaben genutzt worden, auf die seltene Eidechsen umgesiedelt worden sind. Diese müssten nun erneut umgesiedelt werden, bevor die Flächen wieder zum Friedhof umgewidmet werden könnten.
Bestattung innerhalb eines Tages
Zu einer islamischen Bestattung gehört unter anderem, dass zwischen Tod und Begräbnis nicht mehr als ein Tag vergeht. In Deutschland darf dagegen ein Begräbnis nicht früher als 48 Stunden nach dem Tod vorgeschrieben. Traditionell werden Muslime in Tücher gehüllt beigesetzt. Für die in den deutschen Bestattungsgesetzen vorgeschriebene Sargpflicht gibt es Ausnahmen auf Friedhöfen, die spezielle Grabfelder für die muslimische Bestattung im Leichentuch angelegt haben.
Muslimische Gräber müssen nach Mekka ausgerichtet sein. Eine "Ewige Ruhe", so wie es im Islam, aber auch im Judentum, üblich ist, gewähren Friedhöfe in Deutschland in der Regel nicht.
Sendung: rbb24 Abendschau, 03.02.2023, 19.30 Uhr