Reaktion auf gerichtliche Niederlage - Lehrerinnen in Berlin dürfen jetzt auch mit Kopftuch unterrichten
Anders als es im Neutralitätsgesetz steht, dürfen muslimische Lehrerinnen in Berlin künftig grundsätzlich ihr Kopftuch tragen. Nur noch in begründeten Einzelfällen, wenn beispielsweise der Schulfrieden dadurch gefährdet wäre, soll es verboten werden.
- Muslimische Lehrkräfte in Berlin dürfen künftig grundsätzlich im Unterricht ein Kopftuch tragen.
- Ein Verbot soll es nur noch in begründeten Einzelfällen geben.
- Hintergrund für das Abweichen vom Neutralitätsgesetz ist eine Niederlage vor Gericht.
Das Land Berlin akzeptiert grundsätzlich, dass muslimische Lehrerinnen im Unterricht Kopftuch tragen. Ein Verbot soll es nur noch in begründeten Einzelfällen geben. Die Senatsbildungsverwaltung schreibt in einem Brief an alle Schulleiterinnen und Schulleiter, die Verwaltung werde "von ihrer bisherigen wortgetreuen Anwendung des Neutralitätsgesetzes abrücken."
Im Zweifelsfall entscheidet die Schulaufsicht
"Das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke und Symbole" könne nur dann untersagt werden, wenn sich "konkret die Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität" abzeichne. Mit dem Schreiben, über das zuerst der "Tagesspiegel" berichtet hatte, reagiert das Land Berlin auf eine weitere gerichtliche Niederlage: Anfang des Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht eine Berliner Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Damit hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020 Bestand, wonach Berlin muslimischen Lehrerinnen nicht pauschal verbieten darf, ein Kopftuch zu tragen.
Die Bildungsverwaltung bewertet die Schwelle für ein Kopftuch-Verbot wegen konkreter Störung oder Gefährdung des Schulfriedens als "hoch" und gibt in ihrem Brief an die Schulen Tipps, wie sie die Angelegenheit im Alltag handhaben sollen. Problematisch sei das Tragen des Kopftuchs oder anderer religiöser Symbole erst, "wenn missionarischer Eifer oder Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler hinzukommen".
Falls es in einer Schule Anlass zu Sorge gibt, soll die regionale Schulaufsicht einbezogen werden, um mit ihr gemeinsam zu prüfen, ob durch das Verhalten einzelner Personen der Schulfrieden konkret gestört oder die staatliche Neutralität gefährdet ist. Laute die Antwort "Ja", entscheide die Schulaufsicht über arbeitsrechtliche oder disziplinarrechtliche Schritte.
Was mit dem Neutralitätsgesetz passiert, ist unklar
Größere Probleme mit der neuen Regelung erwartet die Bildungsverwaltung offenbar nicht, sie schreibt: "Die Erfahrungen anderer Bundesländer haben gezeigt, dass auch das Tragen religiöser Kleidung nicht zu erheblichen Konflikten an Schulen geführt hat."
Wie es mit dem Berliner Neutralitätsgesetz nun insgesamt weitergeht, ist unklar. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag von 2021 war angekündigt, das Gesetz "in Abhängigkeit von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" anzupassen. CDU und SPD, die gerade über eine neue Regierung verhandeln, haben sich noch nicht zu gemeinsamen Plänen geäußert.
Sendung: rbb24, 28.03.2023, 13 Uhr