Abstimmung in Berlin - Klima-Volksentscheid gescheitert - Initiative verfehlt Quorum deutlich
Ein klimaneutrales Berlin schon 2030 statt 2045 wollten die Initiatoren eines Volksentscheids durchsetzen. Doch das Vorhaben ist gescheitert - zu wenige Berlinerinnen und Berliner gaben ihre Stimmen ab.
- Rund 442.000 Menschen stimmen für "Berlin 2030 klimaneutral", rund 423.000 dagegen.
- Das nötige Quorum von 607.518 Stimmen wird deutlich verfehlt.
- Die Wahlbeteiligung lag bei 35,8 Prozent.
Der Volksentscheid, nach dem Berlin schon 2030 klimaneutral werden sollte, ist gescheitert. Zwar erreichten die Befürworterinnen laut vorläufigem Ergebnis aller Stimmen eine knappe Mehrheit von 50,9 Prozent, aber das erforderliche Quorum wurde verfehlt.
442.210 Ja-Stimmen wurden laut Abstimmungsleiter Stephan Bröchler gezählt. Das vorgeschriebene Quorum von 607.518 Ja-Stimmen wurde damit deutlich verfehlt.
Mit Nein stimmten 423.418 Berlinerinnen und Berliner (48,7 Prozent). Das ist insofern überraschend, als Experten erwartet hatten, dass Gegner des Volksentscheids eher nicht abstimmen würden als dagegen zu votieren.
Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 35,8 Prozent.
Friedrichshain-Kreuzberg dafür, Marzahn-Hellersdorf dagegen
In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte stimmte eine große Mehrheit derjenigen, die zur Abstimmung gingen, für den Gesetzesvorschlag. In Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln überwogen ebenfalls die Ja-Stimmen. In Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick und Reinickendorf lagen hingegen die Nein-Stimmen vorne. In Spandau und Marzahn-Hellersdorf votierten besonders viele Menschen gegen die vorgeschlagene Gesetzesänderung.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen auf das Scheitern des Volksentscheids fielen sehr unterschiedlich aus. Die CDU äußerte sich erfreut über "Nein zu falschen Versprechen". Die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sagte, sie wolle dennoch "schnellstmöglich" eine klimaneutrale Stadt. Enttäuscht zeigte sich hingegen Luisa Neubauer von der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future".
Viermonatige Unterschriftensammlung
Das Bündnis "Klimaneustart Berlin" hatte den Volksentscheid im Vorjahr mit einer viermonatigen Unterschriftensammlung erzwungen, bei der rund 260.000 Menschen für das Ansinnen unterschrieben.
Exakt 2.430.072 Berlinerinnen und Berliner waren am Sonntag aufgerufen, über den Volksentscheid "Klimaneutral 2030" abzustimmen. Diese Zahl gab die Landeswahlleitung am Samstag nach Schließung der Abstimmungsverzeichnisse durch die Berliner Bezirkswahlämter bekannt.
Die Wahlämter haben im Vorfeld 458.000 Abstimmungsscheine ausgestellt - für 18,8 Prozent der Menschen, die zur Teilnahme berechtigt sind. Die Scheine sind die Voraussetzung für eine Abstimmung per Brief. Wie viele Scheine zurückgeschickt wurden, ist allerdings noch nicht bekannt.
Abstimmungsleitung: "Volksentscheid ist sehr gut gelaufen"
Insgesamt sei die Abstimmung, "sehr gut gelaufen", teilte Abstimmungsleiter Bröchler mit. Vereinzelt gab es dennoch Hinweise auf mögliche Pannen. So schrieb eine Frau am Donnerstag Vormittag auf Twitter, in einem Abstimmungslokal in Tempelhof würden Menschen ohne Abstimmungsbenachrichtigung weggeschickt. Laut DPA geht die Landesabstimmungsleitung diesem Hinweis nach. Jedoch sei es schwierig, den Sachverhalt direkt zu überprüfen. Die Frau wollte nämlich laut eigener Aussage auf Twitter nicht veröffentlichen, um welches Abstimmungslokal es sich handelt.
Die Landesabstimmungsleitung teilte außerdem mit, vereinzelt hätten sich Menschen beschwert, dass sie Briefabstimmungsunterlagen beantragt, aber nicht erhalten hätten. Weil sie Briefabstimmung beantragt hätten, konnten sie am Sonntag auch nicht vor Ort abstimmen. Es sei mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden, dass man sich beim zuständigen Wahlamt melden müsse, wenn die Unterlagen nicht eintreffen, teilte die Landesabstimmungsleitung mit. Nun sei es zu spät um noch abzustimmen.
Ein Bündnis "Klimaneustart" wollte mit dem Volksentscheid erreichen, dass Berlin sich verpflichtet, bis 2030 und nicht wie bislang vorgesehen bis 2045 klimaneutral zu werden. Dafür sollte das Energiewendegesetz des Landes geändert werden.
Schon vor der Abstimmung hatte die amtierende rot-grün-rote Landesregierung das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 als nicht umsetzbar bezeichnet und empfohlen, den Volksentscheid nicht anzunehmen.
Potsdamer Experte: Ziel nicht realistisch
Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die zum Beispiel durch die Natur aufgenommen werden. Dafür müssten die klimaschädlichen Emissionen etwa von Verbrennerautos, Flugzeugen, Heizungen, Kraftwerken oder Industriebetrieben um etwa 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.
Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung hält dieses Ziel nicht für realistisch. Die Mehrheit der Experten sage, dass sei ein zu ehrgeiziges Ziel, erklärte der Soziologe am PIK, Fritz Reusswig, in der rbb24 Abendschau.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.03.2023, 9.00 Uhr