Kritik am Umgang mit Lehrermangel - Brandenburger Bildungsministerin Britta Ernst tritt zurück
Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) ist überraschend zurückgetreten. Als Grund nannte sie den fehlenden Rückhalt für ihre Pläne in der eigenen Partei. Vor allem Ernsts Lösungen für den Lehrermangel waren zuletzt kritisiert worden.
- Bildungsministerin Britta Ernst ist überraschend zurückgetreten
- Bisheriger Staatssekretär Steffen Freiberg wird Ernsts Nachfolger
- Opposition bezeichnet Rücktritt einhellig als "überfällig"
Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) ist zurückgetreten. Als Grund nannte sie am Montag Differenzen mit der Landtagsfraktion ihrer eigenen Partei. Wie die Politikerin in einem Statement erklärte, habe ihr der Rückhalt in der Brandenburger SPD für ihre Pläne zur Bewältigung des Lehrermangels im Land gefehlt.
"Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir die anstehenden Herausforderungen nur mit maximaler Geschlossenheit bewältigen werden. Diese Geschlossenheit ist nicht mehr gegeben", teilte Ernst schriftlich mit.
Ministerpräsident Woidke akzeptierte ihren Rücktritt und dankte Ernst in seinem offiziellen Statement für ihre Arbeit als Ministerin. Sie habe das Amt in schweren Zeiten "mit Weitblick und ruhiger Hand" ausgeführt. "Ich bin mir sicher, dass ihre Amtszeit in der Rückschau mit wichtigen Meilensteinen wie der kontinuierlichen Verbesserung des Kita-Personalschlüssels und des Einstiegs in die Beitragsfreiheit verbunden werden wird", sagte Woidke. Britta Ernst gehörte seit 2017 zwei Kabinetten unter der Führung von Woidke an. Sie ist die Ehefrau von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Neben Parteikollege Woidke nahm auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann die scheidende Ministerin gegenüber den Kritikern in Schutz: "Um den Scherbenhaufen verfehlter Politik der letzten 30 Jahre aufzuräumen, bedarf es einer breiten und verlässlichen Unterstützung", sagte er.
Nachfolger wird der bisherige Staatssekretär Steffen Freiberg (ebenfalls SPD), am 10. Mai soll er offiziell vereidigt werden, so Woidke. Freiberg verwies bei seiner Vorstellung auf die schwierige Lage im Bildungsbereich. Während der Pandemie seien Dinge unerledigt geblieben. Er zeigte sich zuversichtlich, dass man in den kommenden Monaten vorankomme.
Grünen-Fraktionschefin Petra Budke sieht das Bildungsministerium vor großen Hürden. Sie schaue mit Spannung auf die bildungspolitischen Lösungsvorschläge ihres Nachfolgers, sagte sie.
Kritik an Maßnahmen gegen Lehrermangel und Fünf-Punkte-Programm
Während ihrer aktuellen Amtszeit war Britta Ernst phasenweise deutlich kritisiert worden, von Fachverbänden, Schulen und Eltern sowie den Grünen im Landtag. Zuletzt beispielsweise aufgrund des vom Bildungsministerium vorgelegten Maßnahmenplans gegen den Lehrermangel oder zuvor wegen des kurzfristigen Aussetzens der Präsenzpflicht während der Corona-Pandemie. Auch ein Fünf-Punkte-Programm zur Verbesserung der Grundkompetenzen von Schülerinnen und Schülern im Lesen und Schreiben habe seine Wirkung verfehlt, hieß es erst Anfang des Jahres von Experten des Brandenburger Grundschulverbands.
Der Landeselternrat Brandenburg erklärte am Montag, er bedauere Ernsts Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt, "nachdem endlich erkannt wurde, dass es in Brandenburg große Probleme mit Lerndefiziten und fehlenden Lehrkräften gibt". Es habe in letzter Zeit konstruktive Gespräche gegeben. Die scheidende Ministerin habe viele gute Ideen gehabt, um dem Lehrermangel zu begegnen. Der Pädagogenverband sieht mit dem Rücktritt Probleme wie den Lehrkräftemangel und die schleppende Digitalisierung nicht gelöst. "Es wird eine Nase ausgetauscht, es ändert sich der Geruch aber nicht", sagte Verbandspräsident Hartmut Stäker der Deutschen Presse-Agentur.
Die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), derzeit auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz, bedauerte Ernsts Rücktritt: "Ich teile bekanntlich ihre Ansicht, dass uns die Herausforderung des Lehrkräftemangels Deutschland leider noch auf viele Jahre begleiten wird."
Ernst verteidigt Plan und schreibt von "guten und richtigen Entscheidungen"
Ernst selbst schrieb in ihrem Statement, der Mangel an Lehrkräften sei eine wachsende Herausforderung, die durch den demografischen Wandel verursacht werde und ganz Deutschland betreffe. In Brandenburg seien "viele gute und richtige Entscheidungen zur Sicherung des Unterrichts" getroffen worden. Als Beispiele nannte sie die systematische Einstellung von Seiteneinsteigern und die Erhöhung der Studienplätze.
Für sie sei klar, dass der Unterricht in allen Brandenburger Regionen gesichert werden müsse. Sie habe dafür Vorschläge unterbreitet, wie die vorhandenen Lehrkräfte gerechter verteilt und durch Umwandlung von nicht besetzten Stellen die Schulen entlastet werden könnten. Diese Pläne hätten aber nicht die Unterstützung ihrer Landtagsfraktion gefunden, so Ernst. Sie wünsche ihrem Nachfolger den nötigen Mut und die Kraft.
Freiberg mit Schwerpunkt "Bildung im digitalen Zeitalter"
Ernsts Nachfolger, Steffen Freiberg, war erst seit September als Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport tätig. Der 41-Jährige habe sich, so Woidke, dort "schnell etabliert". Zuvor war Freiberg bereits als Staatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern im Bereich Schulen und politische Bildung tätig. "Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die Bildung im digitalen Zeitalter, auch deshalb bin ich mir sicher, dass er der Richtige für die anstehenden Aufgaben ist und freue mich auf die Zusammenarbeit", sagte Dietmar Woidke über seinen künftigen Minister.
Freiberg ist in Rostock geboren und aufgewachsen. Er studierte auch an der Universität Rostock, Politik- und Verwaltungswissenschaften sowie Anglistik. 2006 wurde er Referent der SPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, zunächst für Umwelt, Verbraucherschutz und Rechtsextremismus, später im Verkehrs- und Bauministerium. 2011 wechselte er schließlich in die Bildungspolitik.
Opposition begrüßt einhellig Rücktritt von Ernst
Die Oppositionsparteien haben den Rücktritt der Bildungsministerin am Montag begrüßt. Sie werfen Ernst vor, den Lehrermangel und die fehlende Digitalisierung an den Schulen nicht konsequent angegangen zu haben.
"Dieser Rücktritt hat seine Gründe in einer verfehlten Bildungspolitik", erklärte die bildungspolitsiche Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag, Kathrin Dannenberg. Die Baustellen seien bekannt, Ernsts Nachfolger werde sich in den nächsten Monaten beweisen müssen.
Die AfD-Fraktion sieht in dem Rücktritt ein "Eingeständnis des Versagens". "In ihre Amtszeit als Bildungsministerin fallen die gescheiterte Kita-Rechtsreform, die kinderfeindlichen Corona-Maßnahmen, der desaströse Lehrermangel und der beispiellose Absturz der Schülerleistungen", so der bildungspolitische Sprecher der Frakion, Dennis Hohloch. Nachfolger Freiberg sei eine Fehlbesetzung.
Der Landesvorsitzende der Fraktion BVB/Freie Wähler, Péter Vida, sprach von einem längst überfälligen Schritt der Ministerin. Ihr Rücktritt sei ein Sieg für Schüler, Eltern und Lehrer. "In Zukunft müssen endlich wieder die Schüler im Mittelpunkt des Handelns stehen und nicht die Parteipolitik", so Vida.
Die FDP, die aktuell nicht im Brandenburger Landtag vertreten ist, kritisiert, dass "diese Legislatur als verlorene 5 Jahre für die Chancen junger Menschen in die Geschichte eingehen" werde. Generalsekretär Jeff Staudacher fordert, "der akute Lehrermangel und die mangelnde Digitalisierung an den Schulen müssen höchste Priorität haben".
Sendung: rbb24 spezial, 17.04.2023, 20:15 Uhr
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