Kein Wahlkampf in Deutschland - Türkischer Präsident Erdogan plant keinen Besuch in Berlin

Sa 15.04.23 | 08:03 Uhr | Von Hasan Gökkaya
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Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan (Quelle: dpa/Aytac Unal)
Bild: dpa/Aytac Unal

In der Türkei wird im Mai gewählt. Wahlkampfauftritte in Deutschland führten zuletzt zu Spannungen. Dieses Mal ist das nicht zu erwarten. Zehntausende Berliner können den Wahlausgang aber mitentscheiden. Von Hasan Gökkaya

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird vor der anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei wohl keinen Wahlkampf in Berlin führen. Es gebe keine Pläne des Präsidenten oder eines Vertreters der türkischen Regierung Berlin zu besuchen, sagte eine Sprecherin der Türkischen Botschaft in Berlin auf Nachfrage von rbb|24.

Zudem hat das Auswärtige Amt türkischen Mandatsträgern bisher keine Genehmigung für einen Wahlkampfauftritt in Deutschland erteilt. "Auftritte innerhalb von drei Monaten vor dem Wahltermin werden grundsätzlich nicht genehmigt", heißt es dazu vom Auswärtigen Amt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass gar nicht erst eine Erlaubnis beantragt wird. Eine Antwort der Berliner Innenverwaltung auf eine Anfrage von rbb|24 steht noch aus.

Anfang des Jahres hieß es noch, dass Erdogan Berlin Ende Januar einen Besuch abstatten wollte. Ein Besuch des türkischen Präsidenten hätte womöglich einen brisanten Ausgang nehmen können, da damit gerechnet werden konnte, dass er den Besuch möglicherweise auch zu Wahlkampfzwecken nutzen würde. Sein Ziel: Die mehr als 100.000 türkischen Staatsbürger, die in Berlin leben.

Vielleicht aber nicht nur dafür, wie ein Rückblick auf 2017 zeigt: Damals planten türkische Regierungsvertreter Wahlkampfauftritte in Deutschland, um für Stimmen unter den Deutschtürken zu buhlen. Hintergrund war das anstehende Verfassungsreferendum in der Türkei. Die geplanten Wahlkampfauftritte führten zu einem Streit zwischen der deutschen und der türkischen Regierung. Die Bundesregierung erlies am Ende ein Auftrittsverbot für ausländische Politiker kurz vor anstehenden Wahlen. Diese Regelung gilt auch bis heute: "Wahlkampfauftritte ausländischer Amts- und Mandatsträger bedürfen der Genehmigung der Bundesregierung", heißt es aus dem Bundesinnenministerium.

Zehntausende Menschen in der Region sind wahlberechtigt

Die Situation eskalierte weiter, als Erdogan der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "Nazimethoden" vorwarf - er nutzte die Krise aber auch aus, um innenpolitisch zu profitieren. Am Ende ging das Referendum zu seinen Gunsten aus, Erdogan verfügt seitdem als Staatspräsident über mächtige Exekutivrechte und kann das Land quasi im Alleingang regieren.

Tatsächlich hat aber der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen bereits "Besorgnis" ausgedrückt, weil ein Politiker von Erdogans Regierungspartei jüngst in Neuss eine aggressive Rede hielt [fr.de]. Es wird angenommen, dass der Politiker damit um Stimmen im Ausland werben wollte. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf prüft derzeit, ob eine Straftat vorliegt. Das Auswärtige Amt teilte rbb|24 dazu mit, dass die türkische Botschaft nach dem Vorfall "deutlich auf die bestehende Regelung zur Genehmigung von Wahlkampfauftritten hingewiesen" wurde.

Gewählt wird in Charlottenburg-Wilmersdorf

Bekanntlich leben Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland. Es besitzen aber nicht alle die türkische Staatsbürgerschaft, die Vorraussetzung ist, um an der Präsidentschafts- und Parlamentswahl teilzunehmen.

Bundesweit gibt es etwa rund drei Millionen Türkeistämmige. Davon besitzen 1,4 Millionen die türkische Staatsbürgerschaft und sind mindestens 18 Jahre alt. In Berlin sind es insgesamt rund 101.000 Menschen [statistik-berlin-brandenburg.de], in Brandenburg 5.300.

In der Türkei findet die Wahl zwar am 14. Mai statt. In Deutschland beginnt der Urnengang für türkische Staatsbürger jedoch bereits am 27. April, wie die türkische Rundfunkgesellschaft TRT berichtet [trtdeutsch.com]. Der letzter Wahltag für diese Gruppe ist demnach der 9. Mai.

Die Stimmen können in türkischen Auslandsvertretungen und an Grenzübergängen abgegeben werden. In Berlin wird vermutlich wieder das türkische Generalkonsulat an der Heerstraße 21 (Charlottenburg-Wilmersdorf) als Wahllokal dienen. Allerdings ist nur wahlberechtigt, wer auch im Wählerverzeichnis registriert ist. Wer dort nicht zu finden ist, kann dies wohl auch nicht mehr nachholen, da die Frist dafür am 2. April ablief.

Berlin - ein Exil für türkische Intellektuelle

Erdogan regiert die Türkei seit mehr als 20 Jahren, zuletzt mit immer härterer Hand. Viele Akademiker haben das Land verlassen, weil sie sich bedroht fühlen. Berlin ist seit Jahren ein Exil für bekannte türkische Journalisten, darunter Can Dündar.

Bei der kommenden Wahl stellt sich Erdogan ein starkes Oppostionsbündnis entgegen, angeführt von der Mitte-Links-Partei CHP. Tatsächlich muss Erdogan um eine Wiederwahl bangen, da unter anderem die Wirtschaftskrise den Menschen immer weiter zusetzt.

Beitrag von Hasan Gökkaya

30 Kommentare

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  1. 30.

    Erdogan braucht keinen Besuch und Wahlpropaganda in Berlin denn er wird die Wahlen in der Türkei sowieso durch seine massiven Manipulationen gewinnen ....

  2. 29.

    Im Blick auf die letzten Besuche ist es zur Vermeidung auch von politischen Diskussionen richtig, wenn er auf einen Besuch verzichtet.

  3. 27.

    Es gibt viele Länder die Doppelstaatsbügerschaft erlauben.
    Deutsche im Ausland lebend (auch ohne 2. Wohnsitz in BRD) können an Bundestagswahl teilnehmen.

  4. 26.

    Zitat: "Kein Land gibt zwei Pässe , da gibt es nur entweder oder. In Deutschland ist alles machbar und Deutschland passt sich an."

    Ihre Behauptung ist absolut falsch. Es gibt z.B. in Europa nur drei Länder, in denen der Doppelpass verboten ist, Toscana.

    https://www.dw.com/de/wie-h%C3%A4lt-es-europa-mit-dem-doppelpass/a-63927440

  5. 25.

    @ Toscsna, Türken dürfen an türkischen Wahlen teilnehmen, egal wo sie wohnen. Wollen Sie ernsthaft denen das Wahlrecht absprechen. Es kommt auf die Staatsbürgerschaft an, nicht auf den Wohnsitz. Und wie sinnvoll oder unsinnig Ihnen das erscheint, ist dabei völlig egal.

  6. 24.

    Richtig, wenn er gewählt wird , dann bitte in seiner Heimat. Die ,die in Deutschland leben, sollten sich zurückhalten, denn sie wollen hier gut leben….das tun sie ja auch. Kein Land gibt zwei Pässe , da gibt es nur entweder oder. In Deutschland ist alles machbar und Deutschland passt sich an. Wir war das ! Da hat doch jemand mal geschrieben!! Das Buch Trift den Nagel auf dem Kopf. Recht so Herr Zarrazin.

  7. 23.

    Letztlich will er damit auch nur seinen unerbittlichen Krieg gegen die Kurden legitimieren.
    Die europäischen Länder haben ja nur noch ein Blickfeld: Ukraine. Da wird er dann eben genau für diese Dinge, die Sie aufzählten, gefeiert. Vergessen der Autokrat, der Europa mit den Flüchtlingen erpresst.

  8. 22.

    Nun ja, es gibt aktuell Minister & Ministerin der BR , welchen das eigene Volk egal ist.

  9. 21.

    Mal etwas provokant:
    So wie es unsere Politiker in In- und Ausland machen?
    Interessen für alle Menschen, für die ganze Welt, für die Wirtschaft, für das Klima usw.

  10. 20.

    Nicht gegen, aber es gibt ja auch die Möglichkeit, Entscheidungen nicht nur im eigenen Interesse sondern im gemeinsamen interesse oder für bestimmte Anliegen, z.B. Menschenrechte, Untrestützung anderer etc. zu treffen, bzw. auch verlässlich und transparent. Soll es ja geben.

  11. 19.

    "... da dessen Entscheidungen nur nach Interessenlage getroffen werden, ..."
    Wer trifft den Entscheidungen gegen die eigenen Interessenlage?
    Wäre doch ziemlich dämlich ...

  12. 18.

    Das ist der Punkt. Erdogan ist keine verlässlicher Partner, da dessen Entscheidungen nur nach Interessenlage getroffen werden, es aber keine gemeinsamen Ziele gibt.

  13. 17.

    @ Berlinernd, zögerlich sind doch wohl die Stimmen, die auf Grundlage eigener Interessen nicht entschieden gegen diesen Krieg sprechen. Herr Erdogan versucht politische Bälle in der Luft zu halten, je nach eigener Interessenlage.

  14. 16.

    Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen. Aber ich bin nicht sicher, ob Ramon (No.8) das mit seinem Kommentar meinte....

  15. 15.

    Die täglichen Opfer auf dem Schlachtfeld sollten nicht vergessen werden. Ein "Wegbrechen der ... Stimmen, die sich zögerlich zum Krieg äußern", wäre geradezu verheerend.

  16. 14.

    Vielleicht besteht die Sorge diesmal nicht so gut aufgenommen zu werden, weil auch hier lebende Türken Verwandte oder Freunde im Erdbebngebiet haben und es gerade hier anders als in der Türkei mit gelenkter Presse viele Infos zum schlechten Management gab.....

  17. 13.

    Prima soll schön zuhause bleiben

  18. 12.

    Was hat die Erdbebenkatastrophe mit dem Wahltermin zu tun? Der stand doch schon vorher fest. Oder meinen Sie, die Wahl sollte verschoben werden, weil sie im Zusammenhang mit der Katastrophe pietätlos ist?
    Verstehe da ihren Einwurf nicht.

  19. 11.

    Endlich mal eine gute Nachricht an solch' einem grauen Tag.

  20. 10.

    Grundsätzlich stehe ich Wahlkämpfen von Politikern anderer Länder in D sehr kritisch gegenüber. Es bleibt ja nicht beim Wahlkampf für die Person/Partei. Auch das „Gastland“ erhält immer eine gewisse Aufmerksamkeit, welche eher dazu neigt, daß Gastland zu verunglimpfen o.ä.. Und das halte ich in dem Fall( Wahlkampf) für überwiegend grenzwertig bis unangemessen.
    Muß nicht unbedingt Wahlkampf sein. Reichen ja Reden von Botschaftern im Bundestag……
    Die Politik Erdogans sehen meine mir persönlich bekannten türkischen Kollegen allerdings völliig anders, wie es in deutschen Medien dargestellt wird. Watn nu?

  21. 9.

    Ach schade. Da hätte er gleich seinen Kumpel Attila mitbringen können.

  22. 8.

    Man sollte meinen, die Türkei hat momentan angesichts der Erdbebenkatastrophe ganz andere Probleme- aber Machtgier
    und Profilneurose ist wohl wichtiger - erinnert mich sehr stark an die Präsenz diverser Politiker im Ahrtal. Sehr starke Präsenz...apropo sehr starker Auftritt der AM Baerbock in China

  23. 7.

    @ Berlinernd, was ist das für ein Gedankengang? Sie wollen einen (Anti)demokraten akzeptieren, weil er eventuell (!) Einfluß auf einen Despoten hat?
    Das ist ziemlich ängstlich gedacht. Besser wäre doch ein Wegbrechen der (welt-) politischen Stimmen, die sich zögerlich zum Krieg äussern.
    Ausserdem ist die Türkei ein geopolitisch mehrfach wichtiges Gebiet. Eine Regierung, die mit den demokratischen Staaten zusammenarbeitet und sie nicht seit Jahren erpresst, wäre die deutlich bessere Wahl.
    Für die Türkei wäre es übrigens auch besser, mehr für die Bevölkerung zu tun, als für den Regierungschef ein 300 Zimmer Palast zu bauen.

  24. 6.

    Wat will och hier .Er ist hier nicht willkommen

  25. 5.

    Schade. Ein Rückschlag für die Diversität und was sich noch so alles Bereichernde daraus entwickelt....

  26. 4.

    Was machen eigentlich die "Grauen Wölfe" - die Türkischen Faschisten - eigentlich? Gibt es die noch in Berlin ( Symbol Mondsichel mit anheulendem Wolf ).

  27. 3.

    ... ja, in der Tükei leben auch weniger Deutsche, als Türken in Berlin. Daher macht es keinen Sinn, dort Wahlkampf zu machen.

    Bevor das Unken losgeht:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_in_der_T%C3%BCrkei
    https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrken_in_Berlin

  28. 2.

    Unter Berücksichtigung Erdogans Vermittlungsversuche in Sachen Ukraine (Waffenstillstand, Getreideexporte) wäre seine Wiederwahl geopolitisch doch eine gute Nachricht.

  29. 1.

    Es ist sehr gut, dass Herr Erdogan nicht nach Berlin kommt!

    Unsere Politiker machen in der Türkei auch keinen Wahlkampf. Wir können gut auf die hetzerischen Reden dieses undemokratischen Herrn Erdogan, der jeden Andersdenkenden verhaften lässt, verzichten.

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