Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg - Der schwierige Weg zum 29-Euro-Ticket
Die schwarz-rote Koalition in Berlin will das günstige 29-Euro-Ticket wieder anbieten. Dafür braucht es wohl ein "Ja" aus Brandenburg, jede Menge Geld und eine gute Idee, um das komplexe Tarifsystem nicht zu sprengen. Von Jan Menzel
Wie heikel die Ticketfrage ist, lässt die neue Chefin des Verkehrsverbunds Ute Bonde in bemerkenswerter Weise durchblicken. "Es sind politische Gespräche, die da geführt werden müssen. Insofern kann ich ihnen dazu wirklich keine Aussage geben. Ich weiß nicht, welche Positionen da wirklich eingenommen werden", sagt sie. Dabei gilt Bonde als ausgewiesene Expertin im Verkehrsbereich. Als frühere BVG-Managerin weiß sie auch ganz praktisch, wo die Fallstricke liegen. Man darf also annehmen, dass sie zur Ticketstruktur durchaus eine eigene Auffassung hat.
Aber im 29-Euro-Ticket steckt spätestens seit dem Berliner Alleingang politischer Sprengstoff: Der damalige rot-grün-rote Senat hatte das günstige Angebot gegen Brandenburger Bedenken durchgeboxt – als Übergangslösung bis Ende April. Seit Mai gibt es nun das bundesweite 49-Euro-Ticket. Die neue schwarz-rote Koalition in Berlin will aber wieder ein günstigeres 29-Euro an den Start bringen. Fragt sich bloß: Wie?
Deutschland-Ticket als Grundlage?
Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) lässt durchblicken, dass mehrere Varianten diskutiert werden, der Teufel wie so oft im Detail steckt, der Berliner Senat aber schon in eine bestimmte Richtung denkt: "Mit dem Deutschland-Ticket für 49 Euro haben wir jetzt schon eine ganz gute Grundlage und wie wir gegebenenfalls darauf aufsatteln können, ist Gegenstand der Gespräche."
Verkehrssenatorin Manja Schreiner (ebenfalls CDU) betont, es gelte ein "stimmiges Tarifsystem" gemeinsam mit Brandenburg zu entwickeln. Schreiner meint dabei durchaus positive Signale aus dem Nachbarland zu vernehmen. "Wir werden uns einigen", ist sie optimistisch.
Preis versus Angebot
In Brandenburg ist es aber nicht so sehr der Ticket-Preis, der die Verantwortlichen umtreibt. "In Ferienzeiten gibt es teilweise gar keinen Busverkehr in einzelnen Dörfern. Der RE 6 fährt jede Stunde. Das ist nicht so hochwertig, wie es in anderen Regionen ist. Wir brauchen mehr Angebot. Erst dann ist die Frage zu beantworten, zu welchem Preis", sagte der Bürgermeister der Stadt Pritzwalk Ronald Thiel.
Der CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag Jan Redmann warnt ebenfalls, dass das 49-Euro-Ticket schon jetzt den Landeshaushalt belaste, langfristig aber gar nicht ausfinanziert sei: "Wenn man jetzt diskutiert über 29-Euro-Tickets, dann muss man sich die langfristigen Kosten ganz genau durchrechnen. Unser Schwerpunkt liegt darauf, das Angebot für die Fahrgäste attraktiver zu machen." Konkret denkt Redmann an eine schnellere Anbindung der Prignitz an Berlin, Strecken Richtung Polen und die Reaktivierung der Stammbahn in Kleinmachnow.
Rabatte für bestimmte Gruppen?
Die in der Potsdamer Kenia-Koalition mitregierenden Grünen wiederum können sich das 29-Euro-Ticket vorstellen, aber in einer speziellen Version. "In Berlin haben die allen alles versprochen. In Brandenburg bei unseren Koalitionspartnern, die ja dieselben sind wie die in Berlin, laufen wir gegen Wände. Wir hoffen aber, dass man sich in der Mitte trifft", so der verkehrspolitische Sprecher Clemens Rostock. Damit meint der Grüne aber nicht ein Ticket für alle, sondern einen Sparpreis von 29 Euro nur für Bedürftige, Studenten und Schüler.
In Berlin ist das längst Realität bzw. sind die Angebote noch attraktiver. Schülerinnen und Schüler können seit 2019 kostenlos Busse und Bahnen nutzen. Erst kürzlich verlängerte der Senat das 9-Euro-Ticket für Bezieher von Sozialleistungen. Dazu kommen Firmentickets, mit denen die Unternehmen ihren Mitarbeitern das 49-Euro-Ticket für deutlich weniger Geld anbieten.
"Es geht uns darum, dass wir nicht bestimmte Gruppen ausschließen, sondern alle, die es wollen, das auch nutzen können", sagt Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Im Fokus dürften daher insbesondere diejenigen stehen, die kein Jobticket bekommen, aber auch keinen Anspruch auf das vergünstigte 9-Euro-Sozialticket haben.
Kein Revival für das "alte" 29-Euro-Ticket
Eine Rückkehr zum alten 29-Euro-Ticket, das bis Ende April galt, aber auf den Tarifbereich AB beschränkt war, halten viele im Berliner Abgeordnetenhaus weder für wünschenswert noch für wahrscheinlich.
"Das 29-Euro-AB hat sich insofern überlebt, weil es eine Insellösung in einem Überbrückungszeitraum war", sagte Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Ähnlich argumentiert CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft: "Ich glaube tatsächlich nicht daran, dass es sinnvoll ist, dass wir ein paralleles 29-Euro-Ticket nur für Berlin haben und dazu das 49-Euro-Ticket vom Bund."
Verkehrssenatorin Manja Schreiner deutete im "Tagesspiegel" [Bezahlschranke] an, dass sie zwei mögliche Wege sieht, um das Wahlversprechen vom 29-Euro-Ticket einzulösen. Entweder könnte ein Konzept mit und im Rahmen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg entwickelt werden. "Eine Alternative dazu wäre eine Rabattierung des Deutschlandtickets. Das wird auch in anderen Bundesländern gemacht", so die Senatorin.
Rechtliche Fallstricke
Experten halten letzteres jedoch für kein ganz einfaches Unterfangen. Sie warnen davor, sich im Dickicht der verschiedenen rechtlichen Bestimmungen zu verheddern. So sieht beispielsweise die Umsetzungsrichtlinie des Bundes für das 49-Euro-Ticket vor, dass zunächst die Erfahrungen mit dem Ticket ausgewertet werden sollen, bevor über neue Tarife nachgedacht wird. Zahlreiche Verkehrsunternehmen stehen zudem noch unter dem Schutz des Corona-Rettungsschirms. Sie bekommen also Geld und dürfen im Gegenzug nicht einfach ihre Ticketeinnahmen mutwillig reduzieren.
Aber selbst wenn sich hier eine Variante finden sollte – am Ende wird auch der Finanzsenator ein Wörtchen mitzureden haben. Ein 29-Euro-Ticket für alle könnte Kosten von bis zu 300 Millionen Euro für den Berliner Landeshaushalt verursachen. Die ehemalige Regierende Bürgermeisterin und jetzige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sieht deshalb noch einiges an Arbeit zu leisten: Das Ticket werde "nicht einfach so per Fingerschnipp" kommen: "Ich hoffe sehr, dass wir vor 2024 einen Weg finden, damit das in die Tat umgesetzt werden kann", so Giffey.
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.05.2023, 19:30 Uhr