Protestzug in Berlin - "Letzte Generation" demonstriert gegen Razzia - UN will mehr Schutz für Klima-Aktivisten
Nach der Razzia gegen Mitglieder der "Letzten Generation" sind hunderte Unterstützer gegen das juristische Vorgehen durch Berlin gezogen. Die Justizsenatorin prüft ein noch härteres Vorgehen. Unterstützung für die Aktivisten kommt von der UN.
- Mehrere hundert Menschen bei Demo gegen Razzia bei "Letzte Generation"-Mitgliedern
- Vereinte Nationen stehen Klimaaktivisten bei und verlangen mehr Schutz
- Berliner Justizsenatoren will dennoch härtere Gangart gegen "Letzte Generation" prüfen
Mehrere Hundert Menschen haben am Freitagabend in Berlin gegen Razzien und das juristische Vorgehen gegen die Aktivistinnen und Aktivisten der sogenannten Letzten Generation demonstriert. Mit Plakaten und Transparenten zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Frankfurter Allee in Richtung Brandenburger Tor. Die Veranstalter riefen zuvor zu friedlichen Demonstrationen auf.
Auf den Plakaten stand unter anderem "Nicht kriminell" oder "Letzte Generation vor den Kipppunkten". Gemeint sind die klimatischen Schwellenwerte, nach deren Überschreitung bestimmte Folgen nicht mehr vermieden werden können. Ein Beispiel ist dem Weltklimarat IPCC zufolge der Zusammenbruch der Eisschilde in Grönland und der Antarktis.
Um auf diese Folgen aufmerksam zu machen und die Politik zu einem entschlosseneren Handeln dagegen aufzufordern, kleben sich seit Monaten Aktivisten der Letzten Generation auf Straßen und Autobahnen fest und blockieren den Verkehr.
Seit der Razzia keine Blockaden
Anders als zu Beginn der Woche wurden seit der Razzia am Mittwoch keine Straßenblockaden mehr gemeldet. Auf Straßenblockaden werde die Klima-Protestgruppe in Zukunft aber weiterhin nicht verzichten, "... weil wir keine andere Möglichkeit sehen, den notwendigen Druck auf die entscheidenden Institutionen der Regierung aufrechtzuerhalten und sie so zum notwendigen Schutz der Lebensgrundlagen zu veranlassen", teilte ein Sprecher der Letzten Generation rbb|24 am Freitag mit.
Die Razzia habe "alle hart getroffen, doch wir haben keine Angst", teilte die Gruppe mit und forderte ihre Unterstützer auf: "Schließ dich einem Protestmarsch an, der in deiner Nähe startet." Insgesamt liefen in 17 Städten Vorbereitungen für Demonstrationen.
Am Donnerstagabend hatten in München einige Hundert Menschen für die Gruppe, für Klimaschutz und gegen die Razzia demonstriert. Am Mittwoch hatte es in Berlin und anderen Städten Demonstrationen mit jeweils einigen Hundert Menschen gegeben.
Beistand von der UN
Beistand erhielt die "Letzte Generation" unterdessen von den Vereinten Nationen. "Klimaaktivisten - angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen - haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je", sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric, der Deutschen Presse-Agentur in New York.
Protestierende hätten in "entscheidenden Momenten maßgeblich dazu beigetragen, Regierungen und Wirtschaftsführer dazu zu bewegen, viel mehr zu tun", sagte Dujarric weiter. Ohne sie wären die weltweiten Klimaziele bereits außer Reichweite. Guterres' Sprecher gab aber auch zu bedenken, dass Regierungen trotz des Grundrechts auf friedliche Demonstrationen natürlich die Verantwortung hätten, Gesetze durchzusetzen und die Sicherheit zu gewährleisten.
Badenberg will härteres Vorgehen gegen "Letzte Generation" prüfen
Am Sonntag sagte Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für die CDU) dem rbb zu den Aktionen der "Letzten Generation", sie prüfe ein härteres Vorgehen. Es gelte alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, erklärte Badenberg. "Dazu gehört eben auch die Frage, ob es sich bei der Gruppierung um eine 'kriminelle Vereinigung' handelt."
Die Äußerungen sollen ein Nachspiel im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses haben. Das haben die beiden Oppositionsparteien Linke und Grüne beantragt. Im Berliner Abgeordnetenhaus zeigten sich die beiden rechtspolitischen Sprecher der Linken, Sebastian Schlüsselburg, und Grünen, Petra Vandrey, in einer gemeinsamen Erklärung besorgt. Badenbergs Auftritt erwecke den Eindruck, dass die Justizsenatorin der Arbeit der Berliner Staatsanwaltschaft misstraue und deren bisherige Einstufung überprüfen lasse.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, hatte in der vergangenen Woche dem rbb gesagt, dass es keinen Anfangsverdacht gebe, auch weil es den Straftaten der Letzten Generation an einer "wirklichen Erheblichkeit" fehle. Der Sachverhalt unterliege aber einer ständigen Neubewertung.
Weisungen der Justizverwaltung seien zwar zulässig, sagen Vandrey und Schlüsselburg, aber unüblich: "Sie beeinträchtigen die Unabhängigkeit und Objektivität der Staatsanwaltschaft, die ein zentrales Element unseres Rechtsstaates ist." Die Einleitung eines Strafverfahrens dürfe nicht davon abhängen, für welche Partei eine Senatorin das Justizressort leite. Die nächste Sitzung des Rechtsausschusses findet am 14. Juni statt.
Berliner CDU verteidigt Vorgehen der Justizsenatorin
Die Berliner CDU verteidigte das Vorgehen von Berlins Justizsenatorin Badenberg zur "Letzten Generation" hingegen. Das sei nicht zu beanstanden und typisches Verwaltungshandeln, sagte der rechtspolitische Sprecher der Berliner CDU, Hermann am Freitag auf Radioeins vom rbb.
Wer Straftaten begehe, müsse sich vor der Justiz dafür verantworten. Das gelte nicht für alle Teile der "Letzten Generation", so Hermann. Es seien nicht die gemeint, die in Sozialen Netzwerken was teilen oder bei einer Veranstaltung dabei sind. Es gehe vor allem um die Rädelsführer, die Spendengelder einwerben und Aktionen planen.
Hermann erklärte, er sehe deshalb zumindest für einen Teil der Klimagruppe einen Anfangsverdacht für eine kriminelle Vereinigung. Nötig sei in einem Rechtsstaat aber natürlich eine juristische Entscheidung des Gerichts.
Razzia gegen "Letzte Generation"
Polizei und Staatsanwaltschaft waren am Mittwochmorgen mit einer Razzia gegen die "Letzte Generation" vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten bestreiten vehement, kriminell zu sein.
Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die Folgen der Erderhitzung aufmerksam, ihre Mitglieder kleben sich dabei häufig an Straßen oder Kunstwerken fest. Auch Attacken auf Einrichtungen der Ölindustrie werden ihnen vorgeworfen. Mit ihrem Protest will die Letzte Generation die Defizite der deutschen Klimapolitik auf die Agenda bringen - etwa mit Blick auf die immensen klimaschädlichen Emissionen des Autoverkehrs. Die Aktivisten verlangen einen sogenannten Gesellschaftsrat, der das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe in Deutschland bis 2030 planen soll. Außerdem fordern sie Tempo 100 auf Autobahnen und ein 9-Euro-Ticket.
Sendung: radioBerlin 88,8, 26.05.2023, 08:01 Uhr
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