Geflüchteten-Unterbringung - Berlin bereitet sich auf neue Zeltstädte vor

Do 27.07.23 | 20:29 Uhr | Von Leonie Schwarzer und Sabine Müller
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Archiv: Im sogenannten „Labor 5000“ vom Deutschen Roten Kreuz DRK auf dem Gelände des Ehemaligen Flughafen Tegel stehen Feldbetten. Das Pilotprojekt "Labor 5000" ist eine Zeltstadt, in der im Notfall bis zu 5.000 Menschen leben können. (Foto: dpa)
Video: rbb24 Abendschau | 27.07.2023 | Leonie Schwarzer | Bild: dpa

In der Flüchtlingspolitik stehen schwierige Entscheidungen an. Denn es kommen immer mehr Geflüchtete nach Berlin und die Suche nach neuen Standorten wird zunehmend schwieriger. Die Stadt ist am Limit. Von Leonie Schwarzer und Sabine Müller

  • Bezirke melden, dass keine Standorte mehr zur Verfügung stehen
  • Berliner Senat gerät immer mehr in die Klemme
  • Leichtbauhallen als Unterbringungsalternative

"Wir sehen hier eine Brachfläche. Hier muss noch einiges geschehen, wenn das Gelände überhaupt ausgewählt wird", sagt Oliver Igel, der SPD-Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, und blickt über eine große Fläche an der Schnellerstraße in Treptow. Gerade läuft die Prüfung, ob dieses Gelände als Standort für eine neue Flüchtlingsunterkunft in Frage kommt. Bürgermeister Igel ist skeptisch – hier wurden mal Lacke hergestellt, möglicherweise ist der Boden verseucht. Und überhaupt, sagt er: "Wir sind hier faktisch in einem Gewerbegebiet, es gibt keine soziale Infrastruktur in der Umgebung – öffentlicher Nahverkehr, Schule, Kita – das ist nicht so ideal." Die einfach zu bebauenden Grundstücke seien längst weg, beklagt Igel, jetzt gebe es nur noch "Schrottimmobilien mit großen Problemen".

Neue Standorte müssen gefunden werden

Weil Berlins Bezirke immer öfter sagen, dass angedachte Flächen nicht in Frage kommen, hat der schwarz-rote Senat ein riesiges Problem. Denn die neu gegründete Task Force "Unterbringung und Integration Geflüchteter" muss dringend neue Standorte für Unterkünfte finden, da die Aufgabe mit jedem Tag größer wird.

Von Januar bis Juni wurden 6.531 Asylsuchende in Berlin registriert, das waren 34 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dazu kamen 8.500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, insgesamt also mehr als 15.000 Menschen. Aktuell kommen täglich etwa 110 Geflüchtete hinzu, die ein Dach über dem Kopf brauchen.

Die Unterkünfte des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sind aber bereits fast komplett voll. 32.019 Plätze in Aufnahme- und Gemeinschaftseinrichtungen sind belegt, mit Stand Donnerstag waren nur 547 Plätze frei.

Neue Flächen für den Bau von Unterkünften zu finden, ist schwierig. Gleichzeitig gibt es praktisch keinen Spielraum mehr für sogenannte Nachverdichtung, also weitere Menschen an den bestehenden Standorten unterzubringen.

Keine Kapazitäten mehr

Peter Hermanns arbeitet für die IB Berlin-Brandenburg gGmbH, eine Mitbetreiberin der Container-Unterkünfte, die in den Hangars 2 und 3 am ehemaligen Flughafen Tempelhof stehen. "Hier geht gar nichts mehr", sagt Hermanns. "Wir haben jetzt schon zu wenig Räume, um Angebote zu machen. Und Sie sehen ja, die Container stehen dicht an dicht. Hier gibt es definitiv keine Möglichkeiten mehr."

Von den 840 Plätzen seien aktuell 800 besetzt. Die noch unbesetzten Plätze werden nicht lange frei bleiben - weil ständig neue Geflüchtete kommen und weil die meisten viel länger bleiben müssen als gedacht. So wie der 31-Jährige Hussein Rezaei aus Afghanistan, der mit seiner Frau und drei kleinen Kindern seit mehr als sieben Monaten in der Aufnahmeeinrichtung in Tempelhof lebt. Zwölf Quadratmeter in einem Container für fünf Menschen. Er sei nicht zufrieden hier, sagt Rezaei: "Aber was soll ich machen? Wir haben keine andere Wahl."

Im Herbst kann es eng werden

"Wir haben den Geflüchteten wie auch den Betreibern in den vergangenen Monaten enorm viel zugemutet, weil eine ganze Reihe von Unterkünften nochmal nachverdichtet worden ist", beschreibt LAF-Sprecher Sascha Langenbach die Lage. Wenn sich viele Menschen sehr wenig Platz teilen müssten, sei das eine große Belastung.

Noch bekommt das Landesamt die Menschen irgendwie untergebracht, aber im Herbst, wenn die Zahl der ankommenden Flüchtlinge erwartbar nochmal deutlich ansteigt, könnte es "ganz schön knifflig" werden, so Sprecher Langenbach.

Kiziltepe fasst Leichtbauhallen als Alternative ins Auge

So knifflig, dass Sozial- und Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) bereits an einer "Notlösung“ arbeitet: Leichtbauhallen. Also riesige Zelte wie im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel, wo die Menschen noch beengter leben als in den Containern und praktisch ohne Privatsphäre. Senatorin Kiziltepe schätzt, dass bis Ende des Jahres weitere 10.000 bis 12.000 Geflüchtete kommen.

Es gebe "Potentialflächen", sagte sie, auf denen zur Not innerhalb weniger Tage Leichtbauhallen aufgebaut werden könnten: "Diese Flächen gibt es und die werden wir auch als Notlösung für die Unterbringung der geflüchteten Menschen nutzen." Dazu, in welchen Bezirken neue Zeltstädte entstehen könnten, sagt Kiziltepe auch auf mehrfache Nachfrage nichts.

Leichtbauhallen, Zeltstädte – das ist nicht der Unterbringungsstandard, den das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten eigentlich anstrebt. Allerdings werde der Standard durch die Nachverdichtung auch jetzt schon teilweise unterlaufen, räumt Kiziltepe ein. Es gehe aber nicht anders. Mit Blick auf den Herbst und Winter gibt sich die Senatorin trotzdem weiter optimistisch: "Es ist unsere humanitäre Pflicht, diese Menschen unterzubringen und gemeinsam mit den Bezirken werden wir das auch schaffen."

Schul- und Kita-Fragen folgen

Aus den Bezirken kommen deutlich skeptischere Töne. Bürgermeister Oliver Igel aus Treptow-Köpenick warnt: "Wenn jetzt halb Berlin vollgestellt wird mit diesen Unterkünften, haben wir trotzdem die Frage von Schule oder Kita. Das hört ja nicht mit dem Gebäude auf. Danach geht's zur Sache."

Nach der Sommerpause stehen für die Task Force des Senats harte Entscheidungen an.

Sendung: rbb24 Abendschau, 27.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Leonie Schwarzer und Sabine Müller

50 Kommentare

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  1. 50.

    Gut das ich Berlin verlassen habe in den Speckgürtel

  2. 49.

    Wenn Putin D angreift, werden wir auch flüchten müssen, sofern dann noch möglich und Sprüche zu hören bekommen, weshalb wir dann überall nicht willkommen sind.

  3. 48.

    Sie haben recht, ihre Antwort war unpassend.

    "Haben Sie je - auch unbezahlt m. dem betr. Personenkreis - gearbeitet?" Kurz und knapp, ja.

    Und auf welchen "Boden der Realitäten" soll ich denn landen?

  4. 47.

    Und Ihre Rundumschlag-Antwort löst das konkrete Problem?
    Haben Sie je - auch unbezahlt m. dem betr. Personenkreis - gearbeitet? Oder wollen Sie dann als Freiwilliger in die Herkunftsländer gehen, um für Freiheit und Demokratie zu kämpfen? - Ich weiß, dass das genauso eine unpassende Antwort wie die Ihre ist. Es wäre nur die logische Konsequenz! Deshalb werde ich nicht die Afd wählen, sondern wünsche mir einfach nur ein vernünftiges Denken und Handeln vor Ort! Mitmachen, nicht über die Geflüchteten sprechen, sondern mit ihnen arbeiten. Sie werden sich wundern, wie schnell Sie auf dem Boden der Realitäten landen, abgesehen von den Strapazen, die sie sich die Betr. aufgebürdet haben.

  5. 46.

    Wie haben Geld im Überfluss wenn wir uns es leisten können sinnlose Autobahnen zu bauen und weitere Milliardengeschenke an Banken und Konzerne zu verteilen.

    Es gibt inzwischen Landstriche in den neuen Bundesländern da müssen Schulen schließen weil nicht genug Schüler die Schulen besuchen. Da wurden Häuser, ganze Siedlungen abgerissen.

  6. 45.

    Da muss man halt irgendwann die Reißleine ziehen und sagen: es geht nicht mehr, wir sindam Limit. Schon um den sozialen Frieden zu erhalten - keine Wohnungen, zu wenig Lehrer, überfüllte Klassen. Wo soll das enden?

  7. 44.

    Wie wäre es denn, wenn sich die Völker echt verständigen, an einen Tisch setzen und die Hand reichen? Aufhören, alles sinnlos zu zerstören und aufhören zu streiten, wer der erste war und die Hauptschuld trägt?

  8. 43.

    Ich könnte meinen Keller frei räumen….

  9. 42.

    Es gäbe genügend städtische Wohnungsgesellschaften die Bauen würden. Es war auch schon vieles geplant, leider sind die Baukosten durch neue Vorschriften (GEG) so durch die Decke gegangen das sich viele auf die Sanierung und Renovierung der Bestandsimmobilien beschränken müssen. Geld was danach übrig bleibt reicht ganz einfach nicht für neue Projekte, auch Kredite sind erheblich teurer geworden. Emissionsfrei heißt wohl am Ende, gar nicht bauen!?

  10. 41.

    Ich frage mich, ob der neue Senat endlich den Wohnungsbau ankurbelt, damit wäre vielen Menschen geholfen, egal ob zugezogen oder nicht.

  11. 40.

    Ich hatte gehofft der Krieg ist irgendwann vorbei, aber solange Putin außer Rand und Band ist und täglich die Ukraine bombadiert, werden auch die Flüchtlingszahlen weiter hoch bleiben.

  12. 39.

    Alles hat seine Grenzen, so auch das Weltall (so heißt es zumindest)!
    Unendlichkeit besteht lediglich beim Wünschen und Fordern, ist meine Meinung.

  13. 38.

    Als Ur-Berliner erkenne ich seit RRG unsere Stadt nicht mehr wieder. Es gibt nichts positives mehr - mit der Ampelpolitik hat sich dieser Prozess massiv beschleunigt

  14. 37.

    Unser Herz ist weit, unsere Möglichkeiten begrenzt.

  15. 36.

    Ich suche seit drei Jahren eine kleinere, bezahlbare Wohnung. Erfolglos. Die jetzige kann ich mir, laut Gehalt und Lebensunterhalt, offiziell nicht leisten. Es gibt aber keine Wohnungen für Berufstätige. Das Gehalt steht seit 12 Jahren still, da hat sich nichts entwickelt und Lebensmittel sind 80-120% teurer geworden, ich werd verrückt.

  16. 35.

    Bis die AfD absolute Mehrheiten erreicht - Die Politik der anderen Parteien scheint auf dieses Ziel hinzuarbeiten!
    Statt auf die Ablehnung der Bürger zu reagieren und einen gemäßigten Schwenk der Flüchtlingspolitik einzuleiten, setzt man lieber darauf, seine Politik stur durchsetzen zu wollen und fördert so den Zulauf zuf AfD!

  17. 34.

    Im letzten Frühjahr haben wir uns an den Landkreis und die Ankunftzentren in Tegel und Eisenhüttenstadt bzw. Das BAMF gewandt und Wohnraum gemeldet. Passiert ist von dieser Seite nichts. Erst durch Eigeninitiative und mit Kontakten von Kontakten. Kein Wunder, wenn es sich staut.
    Zudem läuft die Integration miserabel. Da müssten den Flüchtlingen bereits in solchen Zentren Möglichkeiten für Deutschkurse geboten werden. Dort sind sie schon gebündelt und haben Zeit! Das wird zu wenig genutzt.

  18. 32.

    Diese unsägliche Asylpolitik wird schon lange nicht mehr von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen.
    Wieviel Zulauf soll die AfD denn noch bekommen???

  19. 31.

    Interessant wird es in Sachen Wohnungsnot, Stromversorgung, Telekommunikation (Internet wird langsamer, wenn immer mehr Leute sich die Leitungen am Sendemast oder im Festnetz teilen müssen). Dazu noch die immer größer werdenden Mengen an Wasser und Nahrungsmittel. Wo soll das plötzlich herkommen?

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