Beurteilung von Brandenburgs "Neuem" - Erstes Zeugnis für Bildungsminister Freiberg
Genau 86 Tage ist Steffen Freiberg für das Bildungsressort zuständig. Knapp drei Monate, in denen der 41-Jährige vieles angestoßen, manches auch schon wieder verworfen hat. Am Zeugnistag erhält auch der Minister seine Beurteilung. Von Markus Woller
Eingewöhnung
Der "Neue" hat sich schnell eingefunden in die Ministerrolle. Vom plötzlichen Aufstieg nach dem Rücktritt seiner Vorgängerin Britta Ernst im April zeigte sich Steffen Freiberg (beide SPD) nicht überfordert. Keine Überraschung, war er doch als bisheriger Staatssekretär maßgeblich für deren (teilweise sehr umstrittenen) Maßnahmen mitverantwortlich.
So auch für den Vorschlag, 200 Lehrerstellen, die ohnehin nicht besetzt werden können, durch Hilfskräfte zu ersetzen. Als eine der ersten Amtshandlungen hat Freiberg diesen Vorschlag wieder kassiert. Nicht, weil er ihn mittlerweile für falsch hielt, sondern weil er schlicht politisch nicht durchzusetzen war.
Landtag, Eltern, Schüler - quer durch die Bildungslandschaft wurde das als sehr gute Entscheidung angesehen. Stattdessen sollen die Schulen nun ein eigenes Budget bekommen, mit dem sie fehlende Lehrer nach eigenem Ermessen durch Hilfskräfte ausgleichen können. Der Landeselternrat mahnt aber schon: "Das darf keine Lehrer ersetzen!"
rbb|24-Note: Sehr gut
Kommunikation
Freiberg kommuniziert offener als seine Vorgängerin. Zwar hatte Britta Ernst schon länger Gespräche, unter anderem mit Eltern- und Schülervertretern, ins Leben gerufen. Den Eindruck, dass da auf Augenhöhe kommuniziert wurde, haben aber nicht alle geteilt.
Der neue Minister bezieht bei der Ausarbeitung von Vorschlägen gegen den Lehrermangel nun auch die Gewerkschaften mit ein. Lehrern bietet er gerade die Möglichkeit, in einer Art Speeddating mit ihm persönlich ins Gespräch zu kommen. "Ich find's erstmal gut, dass er diese Tage einräumt und dass er uns Lehrern zuhört. Das gab's vorher nicht", sagt Schulleiterin Brigitte Herscher aus Blumenthal (Ostprignitz-Ruppin). Der Minister selbst sagt, er will damit nicht das große Rad drehen, sondern die kleinen Schrauben, an denen es hakt.
rbb|24-Note: Gut
Lehrermisere
Der "Neue" hatte zum Start einen Fünf-Punkte-Plan im Gepäck, um der Lehrermisere Herr zu werden. Darin steht unter anderem: eine Zwei-Millionen-Euro-Werbekampagne für die Lehrergewinnung; ein Programm, um rentenwillige Lehrkräfte doch länger im Job zu halten; mehr Personal in den Schulämtern, damit Lehrer schneller eingestellt werden können.
Doch Punkte-Plänen aus dem Bildungsministerium trauen viele Akteure nicht mehr über den Weg. Was unter Freibergs Vorgängerin auf solchen Plänen stand, ist meist verpufft. So wie 2018 der Fünf-Punkte-Plan, den Ernst zur Verbesserung im Lesen und Schreiben erdachte. Am Ende belegte Brandenburg im IQB-Bildungstrend einen der letzten Plätze deutschlandweit.
Mittlerweile hat Freiberg seinen Plan sogar auf zehn Punkte ausgeweitet. Während die SPD-Bildungssprecherin Katja Poschmann den Minister für seine Ideen lobt, sieht die Linke-Bildungsexpertin Kathrin Dannenberg noch "tausend Fragezeichen". Das "63plus" genannte Programm für ältere Lehrer beispielsweise sei bislang so unklar formuliert, dass sich viele Lehrkräfte nicht dafür haben entscheiden wollen, so Dannenberg. Das Ministerium plant nun erstmal ein Pilotprojekt zum zweiten Schulhalbjahr, Anfang nächsten Jahres.
Ob Freibergs Fünf-bis-zehn-Punkte-Plan wirklich zündet? Kurzfristig jedenfalls nicht!
rbb|24-Note: Befriedigend
Lehrerausbildung
Von seiner Vorgängerin hat Freiberg den Plan für eine Grundschullehrer-Ausbildung in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) übernommen. Zusammen mit dem Kulturministerium und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) baut das Land dort einen zweiten Standort für die Lehrerausbildung auf. Auch die lange von Gewerkschaften geforderte praxisnahe Ausbildung soll dort möglich werden.
Erstmals soll es ab 2026 ein Duales Studium für Lehramtsanwärter geben, damit die so viel Praxis wie möglich bekommen und zugleich die Schulen entlasten können. Schon im kommenden Wintersemester sollen die ersten etwa 50 Studierenden ihre Lehrerausbildung in Senftenberg beginnen. Dass damit die jährlich rund 1.800 bis 2.000 neu zu besetzenden Lehrerstellen langfristig auch vergeben werden können, glaubt aber niemand.
Es fehlt weiter ein Plan, wie der Misere auf lange Sicht beizukommen ist, bemängeln Opposition und Elternvertreter. Mehr Anreize, auch finanzieller Natur, täten Not, damit Lehrer sich entscheiden, nach Brandenburg zu kommen oder - wenn sie denn hier ins Vorrentenalter kommen - noch ein paar Jahre dranzuhängen. Außerdem brauche es eine "ehrliche" Lehrermodellrechnung, damit klar ist, was zukünftig in Sachen Lehrernotstand wirklich aufs Land zukomme.
rbb|24-Note: Ausreichend
Unterrichtsqualität
Das Thema Unterrichtsqualität hat der "Neue" noch nicht ausreichend angepackt. Die Frage, warum Thüringen und Sachsen regelmäßig auf den vorderen Plätzen in Vergleichsstudien landen und Brandenburg zurückfällt, bleibt unbeantwortet. Am Geld kann es nicht liegen. Pro Kopf wird hierzulande mehr in Bildung investiert als etwa in Sachsen.
Ab dem kommenden Schuljahr sind nun an Grundschulen 15 bis 20 Minuten Lesezeit an vier bis fünf Tagen pro Woche geplant. Brandenburg führt damit das sogenannte Leseband ein, ein Konzept, das in Hamburg zur Verbesserung der Lesekompetenz geführt hat.
Weitergehende Forderungen, in den ersten Schuljahren weniger Englisch, dafür mehr Kernfächer zu unterrichten, sind aber umstritten. "Ich hätte erwartet, dass er uns ein Konzept gegen die Lese- und Rechtschreibschwäche unserer Schüler vorlegt, das ist bis heute nicht passiert", resümiert Dennis Hohloch von der oppositionellen AfD. Außerdem glaube Hohloch nicht, dass die Verbeamtung von Bachelor-Lehrern, die der Brandenburger Landtag erst kürzlich beschlossen hat, zur Verbesserung der Unterrichtsqualität beiträgt.
rbb|24-Note: Mangelhaft
Extremismus
In den ersten Wochen nach den rechtsextremen Vorkommnissen an der Oberschule in Burg (Spree-Neiße) hat Freiberg zu zögerlich reagiert. Und das, obwohl schnell klar war, dass es sich offenbar nicht um singuläre Ereignisse an einer Schule, sondern um ein größeres Problem handelt.
Mittlerweile gab es in Cottbus eine Fachtagung zum Thema Extremismus. Außerdem hat sich der Minister nun auch persönlich einen Eindruck in der Schule verschafft und mit den Lehrkräften gesprochen, die den Skandal öffentlich gemacht hatten. Welche konkreten Ergebnisse die angekündigte Aufarbeitung in der Schule denn nun erbracht hat, ist hingegen öffentlich weiterhin nicht bekannt.
rbb|24-Note: Ungenügend
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.07.2023, 19:30 Uhr