Äußerung zur Zusammenarbeit mit AfD - Salto Kommunale
Friedrich Merz wirft neue Fragen auf - mit seinen Äußerungen zu einer möglichen CDU-Kooperation mit der AfD auf lokaler Ebene. Dabei verunsichert er nicht nur seine Partei. Von Hanno Christ
Kaum war das ZDF-Sommerinterview mit CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag ausgestrahlt, liefen die Twitter-Kanäle voll und auch in der CDU-Brandenburg wurden offenbar flugs die Laptops aufgeklappt. Klarstellungen konnten offenbar nicht schnell genug geschrieben werden. Geht da eine Partei gar in Opposition zu ihrem Chef?
Zuvor hatte CDU-Parteichef Friedrich Merz in dem Interview angedeutet, dass es eine Zusammenarbeit mit der AfD in bestimmten Gemeinden geben könne. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, so Merz.
Der Brandenburger CDU-Chef Jan Redmann, auch Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei, war eigentlich gerade drauf und dran, es sich im schwedischen Stockholm gemütlich zu machen, als ihn die Aufregung um die Merz-Äußerungen ereilte. Gerade in Brandenburg bestehe "kein Zweifel, wes Geistes Kind die AfD ist", so Redmann in einer Pressemitteilung. Deshalb blieben Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD "sowohl auf der Landes- als auch auf der Kommunalebene ausgeschlossen." Wer Extremisten in den eigenen Reihen dulde und fördere, könne kein Partner der CDU sein. Redmanns Äußerungen ließen sich auch als Contra gegen den Parteichef lesen.
Brandenburgs CDU grenzt sich bislang deutlich ab
Gerade die Brandenburger CDU versucht sich seit Jahren gegen die AfD abzugrenzen. Der brandenburgische Verfassungsschutz hatte unlängst erst die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Der AfD-Landesverband wird seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet, Teile der Führungsriege werden als rechtsextremistisch eingeschätzt.
Brandenburgs CDU unter ihrem Innenminister und damaligen Landesvorsitzenden Michael Stübgen gehörten zu den ersten Landesverbänden, die nicht nur redeten, sondern auch gegen die AfD handelten. Eine Öffnung hin zu mehr Kooperation - wie sie sich aus den Äußerungen des CDU-Parteichefs herauslesen lässt - hätte die Brandenburger CDU in eine wohl ausweglose Lage gebracht.
Debatten über kommunale Zusammenarbeit schon früher
Dabei schwappt die Debatte über eine mögliche Kooperation immer wieder über die Grenzen von Brandenburg – und das nicht nur über die Reihen der CDU. In Forst zerstritt sich die Linke 2020 über eine gemeinsame Sache mit der AfD für den Fortbestand eines Jugendclubs und auch in der Potsdamer Stadtversammlung trieb die Frage der Zusammenarbeit einen Keil in die Linken-Fraktion. Auch in anderen ostdeutschen Bundesländern gab es immer wieder Schlagzeilen nach gemeinsamen Anträgen mit der AfD.
Vieles ist nicht neu in der Debatte, manches aber doch: Nach den AfD-Erfolgen bei Landrats- und Bürgermeisterwahlen in Thüringen und Sachsen-Anhalt hat die Frage nach dem Verhalten gegenüber der Partei eine neue Qualität bekommen. Während eine Zusammenarbeit auf Landes- und Bundesebene öffentlich weiterhin abgelehnt wird, wird auf kommunaler Ebene aus praktischen Zwängen heraus neu gedacht. Wie sollen sich Kommunalpolitiker verhalten, wenn der Chef der Verwaltung nun von einer - in Teilen - rechtsextremistischen Partei gestellt wird? Bislang hat es kein AfD-Funktionär an die Spitze eines Landkreises oder eines Rathauses geschafft, allerdings war es bei der letzten Landratswahl in Brandenburg denkbar knapp.
Schaller: Kommunalpolitik nicht tabuisieren
CDU-Landeschef Redmann stellt klar, dass Haushalte auf acht Jahre hin nicht lahmgelegt würden, weil sich dafür keine Mehrheit findet. Eine solche Abstimmung habe nichts mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der AfD zu tun. Merz habe mitnichten einen Kurswechsel verkündet. Ähnlich sieht es auch André Schaller, Vorsitzender der CDU Oder-Spree, Landtagsabgeordneter und ehemaliger Bürgermeister von Rüdersdorf. Schaller hat viel Erfahrung mit der Kommunalpolitik, kennt die Niederungen und Widrigkeiten von Verwaltungsvorgängen. "Für uns stellt sich diese Frage nicht und ich glaube auch nicht, dass es Friedrich Merz so gemeint hat", so Schaller.
80 bis 90 Prozent der Vorlagen, die in einem Kommunalparlament auf den Tisch kommen, seien Verwaltungsvorlagen etwa zu einer Schülerbeförderungssatzung oder zum Ausbau einer weiterführenden Schule. "Dann wird man darüber zu beschließen haben und ob man das gleich alles zu einer Kooperation mit der AfD macht, die Frage muss man sich berechtigterweise stellen. Das ist eine Tabuisierung der gesamten Kommunalpolitik. Man macht sich handlungsunfähig dadurch." Eine Grenze sieht Schaller aber auch bei vermeintlich sachlichen Verwaltungsvorlagen erreicht. "Wenn man merkt, dass da ein politischer Touch drin ist, kann man auch eingeständig Gegenvorlagen machen."
Lachender Dritter ist die AfD
Wo beginnt Zusammenarbeit und wo endet sie? Eine Frage, die sich auch die Brandenburger SPD Brandenburgs stellt. Generalsekretär David Kolesnyk sieht klare Grenzen. "Es ist ja ein anderer Punkt, ob man mit der AfD berät, ob man eine Mehrheit für einen Haushalt zustande bringt, wo man dann im Zweifel darüber berät, welche Sachen gestrichen werden, die die AfD gerne verbieten will." Für die SPD sei klar, dass es da keine Zusammenarbeit gibt. Die unklaren Äußerungen von Friedrich Merz hingegen ließen nichts Gutes vermuten.
Lachender Dritter ist abermals die AfD. Die Brandenburger Landeschefin Birgit Bessin nutzte die Debatte zu einer Breitseite gegen die CDU: "Ob Merz' CDU ab und zu mal einem Antrag auf kommunaler Ebene zustimmt oder nicht, ist völlig unerheblich."
Die CDU könne nur verlieren. Für die AfD ist die Auseinandersetzung abermals unverschuldete Aufmerksamkeit in einer Zeit, in der Politik üblicherweise eine Art Siesta einlegt. Die Debatte dürfte ein Ärgernis für CDU-Landesvorsitzender Jan Redmann sein, der aus dem fernen Stockholm kommentiert: "Es wäre schön, wenn wir mal weniger über die AfD reden." Das ist seinem Parteivorsitzenden jedenfalls nicht gelungen. Am Morgen versuchte er via Twitter seine Äußerungen wieder einzufangen, sich selbst klarzustellen. Während der CDU-Chef einen politischen Salto macht, beginnen sie in seiner Partei gerade neue Debatten: die über den eigenen Chef.
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.07.2023, 19:30 Uhr