Antrag im Abgeordnetenhaus - Berliner Linke fordert Verzicht auf Anzeigen gegen Fahrgäste ohne gültiges Ticket

Sa 23.09.23 | 12:10 Uhr
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Ein Fahrschein-Entwerter in der Berliner U-Bahn (Bild: dpa/Christoph Hardt)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.09.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Christoph Hardt

Über die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens wird seit Jahren gestritten, der Bund will auch deswegen das Strafgesetzbuch überarbeiten. Nun fordern die Berliner Linken mit einem neuen Vorstoß die schwarz-rote Koalition heraus. Von Sebastian Schöbel

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sollen Fahrgäste, die ohne gültiges Ticket erwischt werden, künftig nicht mehr anzeigen. Das fordern die Linken in einem Antrag, der nun im Abgeordnetenhaus eingereicht wurde. Demnach soll der Senat seine Befugnisse laut Berliner Betriebe-Gesetz nutzen, um die landeseigenen Verkehrsbetriebe anzuweisen, "ab sofort weder Strafanzeigen noch Strafanträge wegen Beförderungserschleichung zu stellen".

Vorbilder Düsseldorf und Bremen

"Der BVG entsteht dadurch kein Schaden, denn sie kann die erhöhten Beförderungsentgelte weiter bei den Amtsgerichten durchsetzen", sagte der rechtspolitische Sprecher der Linken, Sebastian Schlüsselburg, dem rbb. Er erneuerte die Forderung der Linken nach einem fahrscheinlosen, steuerfinanzierten Nahverkehr. "Mobilität ist gesellschaftliche Teilhabe und darf nicht vom Geldbeutel abhängen", so Schlüsselburg.

Die Linken wollen, dass sich Berlin am Beispiel von Düsseldorf orientiert. Das stadteigene Unternehmen Rheinbahn wurde durch einen Mehrheitsbeschluss im Rat der Stadt gezwungen, auf Anzeigen gegen Schwarzfahrer zu verzichten. Auch in Bremen will der Senat eine solche Regelung bei der kommunalen Bremer Straßenbahn AG anweisen.

SPD für Entkriminalisierung, CDU dagegen

In Berlin setzt der Vorstoß die neue schwarz-rote Koalition politisch unter Druck. Denn die SPD hatte sich, als sie noch mit Grünen und Linken regierte, auf Bundesebene dafür eingesetzt, dass das Schwarzfahren entkriminalisiert wird. Die Ampel-Koalition plant derzeit eine Überarbeitung des Strafgesetzbuches. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat bereits befürwortet, dass das Schwarzfahren künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit behandelt wird.

Die CDU allerdings lehnt es weiterhin ab, Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit zu machen. "Eine Entkriminalisierung des Erschleichens von Leistungen würde eine Gerechtigkeitslücke aufwerfen", sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Alexander Herrmann, dem rbb. "Viele ehrliche Nutzer des Nahverkehrs werden sich dann fragen, warum sie überhaupt noch eine Fahrkarte kaufen sollen."

Im Gefängnis wegen nicht gezahlter Strafen

Grund für die Änderung ist unter anderem, dass in Berlins Gefängnissen mehrere hundert Menschen Ersatzfreiheitsstrafen absitzen, weil sie ohne Fahrschein öffentliche Verkehrsmittel genutzt haben und wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt worden sind. Die Haft ist die Konsequenz, wenn man die fällige Geldstrafe nicht zahlen kann oder will.

Aktuell verbüßen 320 Häftlinge Ersatzfreiheitsstrafen in Berlin. Im gesamten Jahr 2022 betraf es 414 Menschen; 2018 waren es 788. Kritiker bemängeln seit Jahren, dass Ersatzfreiheitsstrafen überproportional arme Menschen betreffen würden, die auf den ÖPNV angewiesen sind, sich aber weder die Ticketpreise noch die Geldstrafen fürs Schwarzfahren leisten können. Zudem sei die Inhaftierung der Betroffenen für den Staat unverhältnismäßig teuer.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.09.2023, 06:00 Uhr

110 Kommentare

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  1. 110.

    Die Linke will also wieder einmal, dass die Ehrlichen die Dummen sind."

    Dann sollten die Ehrlichen, wenn sie nicht mehr die Dummen sein wollen, einfach mal so lange schwarz fahren, bis sie bei einer Kontrolle erwischt werden und die 60-80 Euro "erhöhtes Beförderungsgeld" zahlen müssen.
    Dann werdens aber schaun die Linken!!!!!!!!

  2. 109.

    Was die meisten hier scheinbar vergessen, ist, dass das Schwarzfahren vor allem die Menschengruppe betrifft, welche auf die Mobilität angewiesen sind, sie sich aber nicht leisten können. Arme Menschen begeben sich damit in eine Teuerungsspirale mit Mahngebühren (neben dem erhöhten Beförderungsentgelt) bis letztendlich in eine Ersatzfreiheitsstrafe, welche ein vielfaches mehr kostet und unsere Vollzugsanstalten nur unnötig weiter belasten. Alles nur weil sich jemand das Ticket nicht leisten konnte. Aber klar, Schwarzfahrer als Straftäter zu bezeichnen klingt halt auch gut. Dann gehören Falschparker auch hinter Gitter.

  3. 108.

    Es wird Zeit, dass der Steuerzahler entlastet wird: Die Justiz- und Gefängniskosten könnte man sich sparen.
    Der Anreiz, sein Ticket zu kaufen, ist immer noch das Vermeiden der 60€-Strafe. Kein ehrlicher Ticketkäufer muss sich betrogen fühlen, wenn der Straftatbestand abgeschafft wird.

  4. 107.

    Wer bei uns ohne Fahrschein fährt erhält eine Busse von Fr. 100.-- Beim ersten mal bei Wiederholung eine Verzeigung somit ist das Schwarzfahren nicht mehr interessant. Warum werden nicht mal die Bussen erhöht dann wäre das Problem kleiner aber solange die linken die armen Schwarzfahrer noch schützen bei unserer linken Regierung war dies zum Glück wegen den Bussen kein Thema

  5. 106.

    Die Linke will also wieder einmal, dass die Ehrlichen die Dummen sind.
    Das ist nichts weiter als Fischen am linken und rechten Prekariatsrand.

  6. 105.

    Richtig. Vielleicht könnte man hier pro Verstoß 6 Monate gemeinnützige Arbeit leisten müssen. Grünanlagen und Strassen reinigen, Grafittis beseitigen oder in KiTas und Altenheimen mittleren müssen.

  7. 104.

    Nur die Dummen gehen täglich zur Arbeit und bezahlen für alle anderen mit"

    Nun lassen wir mal dahingestellt, ob man wirklich zwingend dumm sein muß um zu arbeiten, aber: Ich kann nun wirklich nicht erkennen, das die Arbeitsmoral nachlassen sollte, wenn ein Schwarzfahrer künftig nur seine 60-80 Euro "erhöhtes Beförderungsentgelt" zahlen muß und der Staat nicht noch zusätzliche Kosten im Justizapparat aufwendet um ihn gerichtlich zu verurteilen und ggfls. in den Knast zu stecken.

  8. 103.

    Gemeinnützige Arbeit statt Knast. In Berlin gibt es genug Dreck wegzuräumen.

  9. 102.

    Wenn es nur der Tonfall wäre, der den Rechten gleichkommt, leider stecken auch ähnliche Absichten dahinter..

  10. 101.

    Die 20% und mehr der Afd ist der Fingerzeig. Dumm wie man ist ,weiß man nicht, wie 1931 alles begann. Ja , dieses Land ist geistig am Abgrund.

  11. 100.

    Was bin ich froh, in Berlin bleiben alle Kriminellen, wer kein Ticket kauft bleibt ungeschoren davon. Nur die Dummen gehen täglich zur Arbeit und bezahlen für alle anderen mit, Bravo. Berlin Land des Lächelns.

  12. 99.

    der Demokratie zu schaden und der AfD zu dienen. Armes Berlin, armes Deutschland."

    Verstehe ich das richtig? Die Demokratie nimmt Schaden, wenn ein Schwarzfahrer künftig mit den 60-80 Euro Strafgebühren davonkommt ? Und es nützt de afd, wenn er dafür nicht auch noch zusätzlich in den Knast muß ?

    Also ich kann mir nur schlecht vorstellen, das da jemand in der Wahlkabine steht und sich denkt - Also wenn Schwarzfahrer nicht mehr in den Knast kommen wähle ich afd.
    (Das wäre dann wirklich ein (geistig) sehr armes Berlin. )

  13. 98.

    Das ist kein Blödsinn, sondern bereits vor Jahrzehnten eine ernsthafte Forderung von Christian Ströbele und seinen Grünen gewesen. Die Obergrenze sollte 100 € sein. Das hat sich aber nicht durch gesetzt. Der Umbau in eine sozialistische Gesellschaft wird aber nichts desto trotz weiter voran getrieben. Kleiner Tropfen höhlt den Stein.

  14. 97.

    Das ist Quatsch, schreibt hier ausgerechnet jemand, dessen Kommentare permanent von reaktionären linksgrünen Ideologien und Utopien nur so triefen. Anstatt sich hier unqualifiziert auf Grundschul-Niveau zu produzieren, sollten Sie die Zeit lieber dafür nutzen, sich mal mit Wirtschaftsfragen intensiver beschäftigen. Das wäre sinnvoller, als hier rudimentäre Plattitüden zu verbreiten. Vom Tonfall, der den Rechten in nichts nachsteht, mal ganz abgesehen !

  15. 96.

    Nach dem Tenor der Empörten ist der Herr Dr. Buschmann damit mindestens ein Anarchist, ein Chaot oder was noch schlimmer wäre, ein Sozialist.

  16. 95.

    Man kann nur den Kopf schütteln...
    Es wird alles, aber auch wirklich alles getan der Demokratie zu schaden und der AfD zu dienen. Armes Berlin, armes Deutschland.

  17. 94.

    Linkspopulistischer Blödsinn. Wird dann als Nächstes der Ladendiebstahl auch zur Lapalie?

  18. 93.

    Nein, eine Geldstrafe ist materiell-rechtlich etwas anderes, als eine Geldbuße. Beim Begehen einer Ordnungswidrigkeit ist man eben kein Straftäter. Das hat z.B. Auswirkungen dann, wenn sich die betroffene Person für den öffentlichen Dienst bewirbt. Ordnungswidrigkeiten stehen einer Einstellung nicht entgegen, Straftaten schon.

  19. 91.

    von der Politik beeinflusste Kuscheljustiz eben, damit der nächste Wahlerfolg klappt - genauso daneben, wie dass man bald legal Unfallflucht begehen darf.

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