Berliner "Sicherheitsgipfel" - Zukunft des Görlitzer Parks: Zwischen Zaun und Zankerei

Do 07.09.23 | 18:31 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Archivbild: Polizeifahrzeug im Görlitzer Park in Berlin Kreuzberg. (Quelle: imago images/E. Contini)
Video: rbb24 Abendschau | 08.09.2023 | Interview mit Kai Wegner | Bild: imago images/E. Contini

Vor dem "Sicherheitsgipfel" zum Görlitzer Park und Leopoldplatz überbieten sich alle Seiten mit Vorschlägen: Die Rede ist von Zäunen und Wachschutz, von Sozialarbeit und Drogenberatung. Der Konflikt verläuft entlang parteipolitischer Gräben. Von Sebastian Schöbel

Man könnte trefflich darüber streiten, ob ein zweieinhalbstündiges Treffen zur Lage im Görlitzer Park und am Leopoldplatz den Namen "Sicherheitsgipfel" verdient. Doch CDU, SPD und Grüne haben gar keine Zeit, sich über Semantik zu streiten, sie haben sich längst bei einem anderen Thema in die Haare bekommen: Bei der Frage, wie man der Situation Herr werden kann. Vor allem rund um den "Görli" riecht es deswegen gerade nicht nur nach Haschisch, sondern auch nach vorgezogenem Wahlkampf.

CDU: Zaun, Kameras, Einlasskontrollen

So verteilen in diesen Tagen die beiden Kreuzberger CDU-Abgeordneten Kurt Wansner und Timur Husein rund um den Görlitzer Park 5.000 Flyer. Auf denen werfen sie der grünen Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann vor, sich nicht zur mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau durch Drogendealer im Park geäußert zu haben.

Der Görlitzer Park müsse "den Anwohnern zurückgegeben werden", heißt es auf dem Flyer. Dafür fordern Wansner und Husein im Namen der CDU die "komplette Einzäunung" des Parks, sechs statt 17 Eingänge, die nachts abgeschlossen und videoüberwacht sein sollen, dazu Einlasskontrollen, bessere Beleuchtung und den Umbau der Grünanlagen. Drogensüchtige sollen Hilfe bekommen und Drogendealer sollen "schnellstmöglich abgeschoben werden" – offenbar in der Annahme, es handele sich ausschließlich um ausreisepflichtige Menschen.

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus wiederum steckt wenige Tage vor dem Gipfel den Medien ihr eigenes Positionspapier zum Görlitzer Park. Und darin teilen sie gleich mehrfach gegen die beiden Grünen-Politikerinnen Monika und Clara Herrmann, aus. "Friedrichshain-Kreuzberg (inkl. der ehemaligen und der aktuellen Bezirksbürgermeisterin) muss sich seiner eigenen Verantwortung stellen", heißt es.

Dazu gehöre nicht nur, dass die Grünen "auch die Drogennachfrage der in Kreuzberg ansässigen Bevölkerung als Ursache für das Drogenangebot" benennen, sondern für die Beseitigung der Probleme auch die Rücklagen des Bezirks von fast 13 Millionen Euro für den Görlitzer Park einsetzen müssten.

Auch SPD will Görli abschließen und "zurückerobern"

Die SPD schaut vor allem auf den Görlitzer Park und setzt auf einen "Dreiklang von Prävention, Intervention und Repression": Neben einer "intensiven Bestreifung" des Parks durch die Polizei und einer schnellen Abschiebung überführter Dealer will auch die SPD Büsche zurückschneiden, mehr Laternen aufstellen, und den Park nachts abschließen – allerdings nicht so früh wie etwa das Tempelhofer Feld.

Darüber hinaus müsse die Drogenberatung verbessert und die Sozialarbeit ausgeweitet werden, zum Beispiel mit mobilen Teams. Videoüberwachung lehnen die Sozialdemokraten nicht ab, sehen sie aber eher in einer "Nebenrolle". Dafür soll es mehr Sport- und Kulturangebote im Park geben – zur "Rückeroberung des öffentlichen Raums".

"Der Bezirk hat keine 13 Millionen Euro Rücklagen zur Verfügung", kontert Herrmann die Vorwürfe der SPD auf rbb-Nachfrage.

Erstens seien die Rücklagen deutlich geringer, und zweitens schon wieder im nächsten Haushalt geplant. Ihre Parteifreundin und Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger, springt Herrmann bei: "Dass die Bezirke frei verfügbare Rücklagen haben, ist ein Mythos."

Grüne fordern mehr Suchthilfe

Herrmann und Remlinger, deren Leopoldplatz beim Gipfel eher zum Nebenschauplatz zu werden droht, versuchen vor dem Gipfel, eigene Schwerpunkte zu setzen. Sie fordern vor allem mehr Suchtberatung und Aufenthaltsmöglichkeiten für Drogenabhängige, einen Ausbau der Obdachlosenhilfe und einen effektiveren Kampf gegen die organisierte Kriminalität – eine Aufgabe jenseits bezirklicher Kompetenzen.

"Wir haben in Berlin eine enorme Kokain-Schwemme, und die Dealer machen ihre Zweitverwertung in den armutsbetroffenen Kiezen", sagt Remlinger mit Verweis auf den Leopoldplatz in Mitte. Vor allem Crack sei derzeit ein großes Problem, und am "Leo" hätten russische und tschetschenische Banden den Drogenhandel fest im Griff. "Mich interessieren die Dealer, die da mit schwarzen Teslas am Platz vorfahren."

Für beide Bezirksbürgermeisterinnen ist die Drogenproblematik eine "gesamtstädtische Herausforderungen", wie sie unisono betonen. Es gebe keine Einzelmaßnahme, die alle Probleme löse, so Herrmann. Gemeint ist damit besonders der Zaun, den CDU und SPD um den Görlitzer Park ziehen wollen.

"Verdrängung ist keine Lösung", so Herrmann, allerdings habe ihr bisher auch noch niemand ein Zaun-Konzept vorgelegt. Remlinger springt ihrer Amtskollegin bei, fachlich rate sie von einem Zaun ab – und stichelt gegen die Regierungskoalition. "Aber wir lassen uns überraschen, ob das intelligenter gedacht ist, als es uns vorkommt."

Herrmann für mehr Polizei im Görli

Für den Görlitzer Park will Herrmann beim Sicherheitsgipfel ein eigenes Paket mit 12 Maßnahmen vorlegen, darunter mobile Konsumräume für Drogenabhängige, mehr aufsuchende Sozialarbeit, die Sanierung und Nutzung der alten Häuser im Park, mehr Beleuchtung und ein teilweiser Umbau des Görlis.

Auch die Eingänge der anliegenden Wohnhäuser sollen gereinigt werden. "Insgesamt belaufen sich die investiven Kosten auf 30 Millionen und jährliche Kosten auf etwas über 9 Millionen Euro."

Repressiven Maßnahmen völlig verschließen wollen sich beide Bezirksbürgermeisterinnen aber nicht. Gegen mehr Polizeipräsenz im Görlitzer Park zum Beispiel habe sie nichts, sagt Herrmann. "Und natürlich können wir uns sowas wie mobile Wachen vorstellen." Die müssten dann aber mehr als nur den Görlitzer Park abdecken, also den Wrangelkiez und Reichenberger Kiez nebenan.

"Der Gipfel muss die Frage beantworten, ob wir alle gemeinsam die Kraft haben, nachhaltige Lösungen zu schaffen", mahnt Remlinger, "oder ob wir bei bloßer Symptombekämpfung und Problemverdrängung bleiben."

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.09.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

33 Kommentare

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  1. 33.

    Was soll das hier.. einige. Kommentar haben das Ziel verfehlt und sehen nicht das wirkliche Problem und das ist ein Gesellschaftliches und geht uns alle an.
    Zäune und Beleuchtung haben noch niemand abgeschreckt, wen sich Junkies am hellichten Tag Nähe Ku-Damm, Schuss setzen und crack rauchen. Man schiebt dadurch das Drogen Problem nur wieder in einen anderen Kiez und beginnt diese Diskussion über lang oder kurz, von neuem Lebe seit über 40 Jahren in der Stadt

  2. 32.

    In einem dicht bebautem Gebiet, die vor nicht allzu langer Zeit neu geschaffene einzige größere Grünanlage für die direkte Umgebung umzugestalten, kann man machen, aber Wohnbebauung?
    es ist eine hochfrequentierte, also auch angenommene Anlage. durch diese vielen Besucher wird sie wohl nie dem Steglitzer Stadtpark entsprechen. Sicherlich Drogenhandel gibt es dort, wie in fast jedem Park, nur sehr viel geballter. Als es die 0 Toleranz Politik dort gab, verteilten sich die Dealer auf den ganzen Kiez. Vor ca. 20 Jahren hatte man die Idee mit der nächtlichen Schließung, sogar mit Eintritt, tagsüber in der Hasenheide. Ha Ha. Auch da wurde das mit Drogenhandel begründet. Kurz,die Hasenheide befand sich auf meinem Heimweg, die Dealer waren über die Jahre die Selben. Wenn man gewollt hätte, hätte man diese auch zur Verantwortung ziehen können. Nee man läßt es lieber köcheln.

  3. 31.

    Sie haben Recht. Das wäre die Lösung! Neubauwohnungen anstelle dieser problematischen Parkanlage.

  4. 29.

    Wer hat denn den offenen Drogenhandel an bestimmten Orten verdrängt (z.B. Bahnhof Zoo) und an anderen Orten zwecks polizeilicher Beobachtung toleriert (z.B. Kottbusser Tor) ?!
    @rbb Würde mich interessieren mehr darüber zu erfahren.

  5. 28.

    Muss die Haltestelle Görlitzer Park sich im Park befinden? Deren genaue Lage ist noch in Prüfung. Schreiner wurde belächelt, weil Experten ihr bestätigt haben, dass es sich automatisch öffnende und schließende Tore gäbe, die man in Zäune einbauen könnte. Wie frühe oder wie spät am Abend werden Kinder zur Kita gebracht? Bekanntlich haben im Görli Dealer auch schon Schulkinder belästigt. Halten Sie das für normal oder wie wohl manche Anwohner für ein wirksames Mittel gegen Gentrifizierung?

  6. 27.

    "Massive Polizeikontrollen, mit dann noch mehr rassistischer WIllkür als bisher"
    Das ist das gewohnt ganz große Besteck, das Sie hier auspacken. Man kann doch nicht das Durchsetzen von 'Rechtsordnung' mit 'Rechtsradikal' gleichsetzen.

  7. 26.

    Den Görlitzer Park mit Wohnungen bebauen und somit in kleinere Plätze untergliedern. Dann hat man es leichter, dieses Chaos in den Griff zu bekommen und allen ist geholfen - außer den Kriminellen.

  8. 25.

    Immer wieder kommt die "lustige" Idee, den Park zu umzäunen und Nachts zu verschließen. Löst das die Probleme? Nein, es verlagert sie nur. Ich verstehe nicht, wieso diejenigen mit diesen "lustigen" Ideen das nicht logisch weiterdenken können.
    Verschwinden alle Probleme, wenn man die Augen verschließt oder sind sie immer noch da, wenn man sie wieder öffnet?
    Eine Umzäunung und das nächtliche Verschließen des Parks würde die Dealer nur woanders hin treiben. Das Angebot bestimmt hier nicht die Nachfrage, sondern die Nachfrage das Angebot. Macht Cannabis endlich legal, vertreibt es in Shops und nehmt Steuern damit ein. Das würde so viele Finanzlöcher stopfen!

  9. 24.

    Nicht ganz unschuldig an der Situation ist auch eine nicht kontrollierte Zuwanderung. Das kann man sich auch nicht schönreden. Nicht alle fliehen vor Krieg es gibt auch genug Wirtschaftsflüchtlinge, auch das verständlich, aber es überlastet alle Systeme. Wer jetzt der Meinung ist man brauche nur genug Sozialarbeiter und Geld und alles würde sich regeln der denkt auch der Mond ist aus Käse. Nein es liegt auch an der um sich greifenden Respektlosigkeit gegenüber den Mitmenschen. Siehe Angriffe auf feuerwehr und Rettungskräfte, Polizei selbst BVG Mitarbeiter bleiben nicht verschont. Auch hier hilft der Einsatz von viel Geld nicht. Es ist ein Problem der Gesellschaft im Allgemeinen, teilweise werden hier im Fernsehserien Gangster zu Helden gemacht, teilweise auch der Rap der Gewalt verherrlicht und Frauen zu reinen Sexobjekten macht. Die Liste lässt sich fortsetzen. Wer davor die Augen verschließt dem ist nicht zu helfen.

  10. 23.

    Cannabis wird fast flächendeckend in Berlin gehandelt, bei weitem nicht nur im Görli. Die Probleme ergeben sich vor allem durch härtere Drogen, die nicht so leicht zu beschaffen sind. ""Der Konsum von harten Drogen ist sichtbarer geworden"" schlagzeilte dazu der RBB.

    "Der verhaftete 22 Jahre alte Mann sei wegen mehrere Verstöße gegen das bereits polizeibekannt" konnte man zudem auch beim RBB lesen. Nun werden die, die selbst RBB-Reporter vor laufender Kamera schon mal als Nazis beschimpft haben, sicherlich das Narrativ hervorkramen, dass die dringend Tatverdächtigen bestimmt nur Konsumenten seien, keinesfalls aber Dealer.

    Das portugiesische Drogenmodell hat aber auch Grenzen: Erlaubt ist der Besitz und Konsum von zehn Tagesrationen, also 25 Gramm Marihuana, zehn Pillen Ecstasy, zwei Gramm Kokain oder einem Gramm Heroin. Alles darüber sieht das Strafrecht als Dealen an.

  11. 22.

    Cannabis wird fast flächendeckend in Berlin gehandelt, bei weitem nicht nur im Görli. Die Probleme ergeben sich vor allem durch härtere Drogen, die nicht so leicht zu beschaffen sind. ""Der Konsum von harten Drogen ist sichtbarer geworden"" schlagzeilte dazu der RBB.

    "Der verhaftete 22 Jahre alte Mann sei wegen mehrere Verstöße gegen das bereits polizeibekannt" konnte man zudem auch beim RBB lesen. Nun werden die, die selbst RBB-Reporter vor laufender Kamera schon mal als Nazis beschimpft haben, sicherlich das Narrativ hervorkramen, dass die dringend Tatverdächtigen bestimmt nur Konsumenten seien, keinesfalls aber Dealer.

  12. 21.

    Ist doch super ! Und jetzt gib es auch noch Bürgergeld - können sich alle alles finanzieren. Weil die Müllers und Mayers arbeiten !

  13. 20.

    Das Drogenproblem ist nur der inzwischen gut sichtbare Teil einer kranken und fehlgesteuerten Gesellschaft. Hat sich schon mal jemand gefragt, warum immer mehr Menschen zu diesem verdammten Zeug greifen? Schuld der Draler ist es nicht, denn die gehen nur dahin, wo ihre Kunden sind.

  14. 19.

    Der Görli unterliegt einen 3 Jahresrythmus…
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-gorli-bilanz--gar-nicht-gut-schimpft-ein-anwohner-5602312.html
    https://www.welt.de/vermischtes/article199802174/Goerlitzer-Park-Der-absurde-Umgang-mit-den-Drogendealern-in-Berlin.html
    https://www.bild.de/regional/berlin/goerlitzer-park/berlins-drogenpark-goerli-50768802.bild.html

    Aber jetzt mit einem Zaun wird es bestimmt viel besser. So ein Zaun ist halt ein unüberwindbares Hindernis :-D
    Und bald wird man dann lesen …. Der Zaun hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse… Bezirk hat kein Geld um ihn zu reparieren… Einlasskontrollen können nicht mehr finanziert werden…. Stadtrat bla bla kündigt hartes Vorgehen an…

  15. 18.

    in neukölln hat es geklappt mit dem einsarz von kiezmuttis. weshalb nicht im görli, statt sozialarbeiter, parkmuttis und parkvatis....

  16. 17.

    Hält die Tram dann früh morgens/abends/nachts (Schichtarbeit) nicht mehr an der geplanten Station Görlitzer Park. Wie wird der Zaun von den Straßenbahnen durchfahren? Dürfen Eltern & Kinder dann Umwege zu Kita & Schule gehen wegen der geschlossenen Parkeingänge ...

  17. 16.

    Welches Thema ist denn genehm? Soll der RBB jetzt den ganzen Tag ein Klageweib senden, daß depressiv die großen Probleme bejammert? Unterbrochen jedes mal mit mit einem resignierten oh weh.

  18. 15.

    Für ein echtes Konzept fehlt mir die Fantasie und als alternder "Boomer" mittlerweile jeglicher Überblick was so für Drogen gerne konsumiert werden. Ich weiß nur eins zumindest die "Transitwege durch den Park müssen erhalten bleiben. In den 80ern gab es nur einen, besonders Wochentags, wenn Nachts nichts los war, gruseligen Tunnel unter dem alten Güterbahnhof. Ohne diese Wege wird es nicht lange Halten, mit der Schnapsidee ihn nachts zu verschließen.

  19. 14.

    Mit dem Vorschlag der SPD dass der Görlitzer Park ABGESCHLOSSEN werden soll macht sich die Partei es sehr einfach, weil dann das Problem nur in andere öffentliche Grünanlagen verlagert wird.

    Es wird Zeit, dass das Problem vom Berliner Senat vernünftig angegangen wird und nicht nur medienwirksam.

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