Kosten für Fußball-EM 2024 - Kunstrasen, Toiletten und eine Fehlkalkulation
Warum genau die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Berlin deutlich teurer wird – aber auch viel Geld in die Kassen spülen soll. Von Franziska Hoppen
- Hohe Bau-, Energie-, Personalkosten lassen Kalkulation für EM-Fanmeile in Berlin deutlich steigen
- Opposition kritisiert Intransparenz des Senats bei Kostenkalkulation
- 2,5 Millionen Gäste werden erwartet - Senat rechnet auch mit Millionen-Gewinnen
Die Berliner Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) kam gleich auf den Punkt: Durch Nachfragen im Zusammenhang mit der Fanmeile sei die Sportverwaltung stutzig geworden – und habe sich noch einmal die gesamte Berliner Planung für die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr unter die Lupe genommen.
Spranger sprach am Freitag im Sportausschuss von einer "erheblichen Finanzierungslücke" und "weitgehenden Problematiken". So hatte man etwa nicht genug Kosten für Toiletten und den Umbau der Rollstuhlplätze eingeplant, oder für die Modernisierung der Übertragungskameras und Erhöhung der Einlassdrehkreuze am Olympiastadion. Spranger sagte es zwar nicht so deutlich und wies "stümperhaftes Arbeiten" weit von sich. Aber Grund für die Kostensteigerung von 21 Millionen Euro – auf insgesamt knapp 82 Millionen Euro - dürften auch Fehlkalkulationen der Sportverwaltung sein. Jedoch nicht nur.
Die Vergabe für die Europameisterschaft in Deutschland erfolgte 2018. Dass Berlin fünf Jahre später mit mehr Geld plane, erschrecke ihn nicht, sagte Dennis Buchner, der für die SPD im Sportausschuss sitzt. "Zum Glück!", seien die Kosten für Personal, etwa beim Catering oder bei Sicherheitsdiensten, mittlerweile gestiegen, "zuvor haben die nämlich nicht besonders gut verdient."
Hohe Energie- und Baukosten schlagen derzeit zusätzlich zu Buche. Und dann steht Berlin noch bei der Suche nach Dienstleistern in Konkurrenz mit den anderen deutschen Austragungsorten, darunter etwa München und Hamburg. Obendrauf kommen veränderte Vorgaben des europäischen Fußballverbands Uefa, etwa beim Sicherheitskonzept.
Ampeln der Uefa von Rot auf Gelb und Grün
"Wir haben rote Ampeln von der Uefa bekommen", versuchte Spranger ihr Dilemma zu erklären, so unzufrieden sei der europäische Verband mit Berlins Vorbereitungen gewesen. Die Sportverwaltung habe "Nächte und Wochenenden durchgearbeitet", so Spranger.
Nun stünden die Ampeln auf Gelb und Grün. Soll heißen: Zumindest die Uefa ist zufrieden. Die Opposition dafür umso weniger. Anscheinend erfuhren einige Parlamentarier erst aus der Presse, dass die EM in Berlin deutlich teurer wird.
Auch nach der Ausschusssitzung am Freitag hatten einige noch offene Fragen. "Der Senat hat es heute nicht geschafft, Transparenz darüber herzustellen, wie diese Kostensteigerungen entstanden sind und wie wir dieses Problem jetzt lösen werden. Auf keine der Frage, zu welchem Zeitpunkt wer damit befasst war in der Verwaltung wurde geantwortet", sagte Klara Schedlich, Sportpolitikerin der Grünen-Fraktion.
Spectacular Kulturprojekte
Zu den Vorgaben der Uefa gehört anscheinend auch, dass Berlin ein sogenanntes Spectacular liefert. Das erklärte Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin, eine landeseigene Gesellschaft, die das Spektakel liefern soll. Kulturprojekte will dazu das Brandenburger Tor in "das größte Fußballtor der Welt" verwandeln, heißt es auf dessen Internetseite [kulturprojekte.berlin].
Direkt davor wird auf der Straße des 17. Juni Kunstrasen ausgerollt: insgesamt 20.000 Quadratmeter. Es sei jedoch denkbar, dass die Uefa diesen Fan-Treffpunkt durch eigene Sponsoren finanziere, so van Dülmen. Haushaltspolitiker dürften das begrüßen: Der Kunstrasen soll täglich vier Wochen lang manuell gereinigt werden. Geplant ist, den Rasen danach an verschiedenen Stellen der Stadt wiederzuverwenden.
Millionen-Umsatz
Sportsenatorin Spranger betonte derweil auch die Gewinne, die sie für das Land Berlin erwartet: 2,5 Millionen Gäste werden erwartet, die voraussichtlich Hotels buchen, in Restaurants essen und die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen werden und so wiederum die Steuereinnahmen des Landes erhöhen könnten.
Beim DFB-Pokalfinale etwa hätten die Besucher bei nur einem Spiel 50,6 Millionen Euro in der Stadt gelassen, so Spranger. Und bei der EM werden in der Hauptstadt gleich sechs Spiele gespielt. "Das ist ein Mehrwert für Berlin, das ist völlig klar", sagte die Sportsenatorin. Ein Indikator für das Interesse an der Kontinental-Meisterschaft könnte die Zahl der Bewerbungen für die freiwilligen Helfer sein: Die Uefa sucht 1.700 Volunteers. 25.000 Menschen hätten sich beworben.
Bei den Vorbereitungen in den noch verbleibenden Monaten sollen in der Sportverwaltung nun noch mehr Mitarbeitende anpacken, der Kreis von ursprünglich elf soll auf bis zu 30 Menschen aufgestockt werden.
Zur Causa Nicola Böcker-Giannini äußerte sich Spranger am Freitag explizit nicht. Die Senatorin hatte ihrer Sportstaatssekretärin vergangene Woche überraschend gekündigt und Hausverbot erteilt. Böcker-Gianninis Anwalt Ralf Kleindiek kritisierte gegenüber dem rbb: Sprangers Kritik an der EM-Planung könne man nur als indirekte Kritik an seiner Mandantin verstehen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.10.2023, 17:20 Uhr