Luftwaffenstützpunkt Holzdorf - Neues Raketenabwehrsystem soll Wirtschaftswachstum bringen
Ein neues Raketenabwehrsystem und eine Hubschrauber-Staffel sollen in Holzdorf stationiert werden. Sicherheitsbedenken weisen die Entscheider zurück - sie erwarten mehr Sicherheit für die Region. Und Wirtschaftswachstum. Von Stephanie Teistler
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) landet mit einem Hubschrauber der Luftwaffe auf dem Stützpunkt Holzdorf. Ihm schließen sich auch die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen-Anhalt an: Dietmar Woidke (SPD) und Reiner Haseloff (CDU) lassen sich auf dem Gelände zeigen, wo die Raketenwerfer stehen sollen, die ihrerseits in der Lage sind, feindliche Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2.400 Kilometern in der Stratosphäre abzufangen.
Raketenabwehrsystem für zukünftige Gefahren
Die Entscheidung, am Fliegerhorst Holzdorf das von Israel und den USA entwickelte Raketenabwehrsystem Arrow 3 zu stationieren, werde den Standort noch "größer und wichtiger" machen, sagt Pistorius. Derzeit sind hier etwa 1.800 Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilistinnen und Zivilisten beschäftigt. Zwar gebe es derzeit keine akute Angriffsgefahr. Man beschaffe das System, um das Land in Zukunft vor Bedrohungen zu schützen, "weil wir merken, dass die Gefahr näher rückt und es einen aggressiven Nachbarn in Europa gibt".
Arrow 3 soll 2025 an dem Standort stationiert werden, der im Grenzgebiet von Sachsen-Anhalt und dem Brandenburger Landkreis Elbe-Elster liegt. Ob es wegen des Kriegs in Israel dabei zu Verzögerungen kommen werde, weil sich die Situation auf Produktions- oder Lieferzeiträume auswirke, konnte Pistorius noch nicht sagen. Bisher gebe es keine Zeitverzögerungen.
Neben dem Raketenabwehrsystem soll am Fliegerhorst eine neue Hubschrauber-Staffel stationiert werden. Es handelt sich um insgesamt 47 "Chinook"-Transporthubschrauber von Boeing. Ab 2027 rechne man mit den ersten drei Maschinen, so Pistorius. Eine Investition von insgesamt 700 Millionen Euro in den kommenden Jahren sei damit geplant. Finanziert aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr.
Gemischte Erwartungen in der Region
Eine nicht-repräsentative Umfrage im nahegelegenen Schönewalde zeigt, dass mit der Stationierung Hoffnungen, aber auch Ängste verbunden sind. Eine Rettungssanitäterin schildert dem rbb, sie mache sich durchaus Gedanken, ob das Raketenabwehrsystem in unmittelbarer Nähe auch ein Angriffspunkt sein könne. Eine Hauswirtschafterin im Pflegedienst berichtet davon, dass sich besonders ältere Menschen deshalb sorgten. Sie gehe dann auf die positiven Seiten ein und hofft selbst, dass der Ort etwa kulturell von dem wachsenden Luftwaffenstandort profitieren könne.
So sieht es auch ein Mitgesellschafter einer Agrargenossenschaft: "Ich hoffe, das bringt ein bisschen Aufschwung in unseren kleinen Ort." Er erwarte mehr Arbeitsplätze, mehr Menschen, die sich in den Dörfern niederlassen, und dadurch wieder mehr Geschäfte.
Die wirtschaftlichen Chancen betonen ein paar Kilometer entfernt auch die beiden Ministerpräsidenten und der Bundesverteidigungsminister. Sorgen vor einer höheren Gefahr für die Region durch das stationierte Raketenabwehrsystem weisen sie zurück. "Es gibt keine höhere Gefährdung als vorher, eigentlich sogar eine niedrigere", so Pistorius. Schließlich werde das gesamte Luftverteidigungssystem neu ausgerichtet.
Wirtschaftsimpuls für strukturschwache Region
Auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Haseloff spricht von einer verteidigungspolitischen Grundsatzentscheidung, die für die gesamte Region ein Impuls sei. Er erwarte darüber hinaus positive Auswirkungen für die Region in einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometern. "Das wird Sogwirkung haben", so Haseloff, die man "von der Größenordnung her" gar nicht groß genug einschätzen könne. Etwa 700 zusätzliche Soldaten und Soldatinnen sowie Zivilistinnen und Zivilisten werden am Standort erwartet.
Auf die wirtschaftliche Strahlkraft dieser militärischen Ansiedlung auf die sonst eher strukturschwache Region setzt auch der Brandenburger Ministerpräsident Woidke. Er erwartet, dass die Infrastruktur rund um den Fliegerhorst schnell mitwachsen müsse. Die Rede ist von Kita- und Schulplätzen, neue Baugebiete für Wohnhäuser, aber auch der Anbindung an Straßen- und Schienenverkehr.
Geld aus dem Kohleausstieg flankiert die Luftwaffen-Erweiterung
Für die schnelle Umsetzung wolle man auch Mittel aus dem Kohleausstieg einsetzen. Man wolle Geld aus dem Strukturstärkungsgesetz "nicht nur für die Bedürfnisse der Bundeswehr, sondern auch vor allen Dingen für die Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung der Region insgesamt" einsetzen, sagte Woidke. Außerdem kündigte er eine Taskforce an, in der die betroffenen Länder, die Luftwaffe und die kommunale Ebene vertreten seien.
Im August hatte sich Deutschland für das Raketenabwehrsystem Arrow 3 entschieden. Es soll laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein "Sicherheitsgewinn für ganz Europa" sein. Arrow 3 fängt ballistische Mittel- und Langstreckenraketen in einer Höhe von bis zu 100 Kilometern ab.
Insgesamt wolle die Bundesregierung vier Milliarden Euro dafür ausgeben. Arrow 3 soll im Nato-Verbund einen Raketenschutzschirm bilden – und die Abwehr von Luftangriffen aus kurzer oder mittlerer Entfernung ergänzen. Neben dem Standort in Holzdorf sind noch zwei weitere Standorte in Süd- und Norddeutschland geplant. Die würden derzeit geprüft, so Pistorius.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.10.2023, 19:30 Uhr