BVerfG-Urteil übertragbar? - Urteil weckt Zweifel an Rechtssicherheit des Berliner Klima-Sondervermögens

Mi 15.11.23 | 17:53 Uhr
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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts,(l-r) Thomas Offenloch, Astrid Wallrabenstein, Ulrich Maidowski, Sibylle Kessal-Wulf, Doris König (Vorsitzende), Peter Müller, Christine Langenfeld und Rhona Fetzer, verkündet das Urteil in Sachen „Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021“. (Quelle: dpa/U. Deck)
Audio: rbb24 Inforadio | 15.11.2023 | Jan Menzel | Bild: picture alliance / Panama Pictures
  • Klima-Sondervermögen der Bundesregierung verfassungswidrig
  • Senat plant ebenfalls Klima-Sondervermögen
  • Urteil laut Berliner Finanzverwaltung nicht richtungsgebend für die Hauptstadt
  • Brandenburger Finanzministerium sieht keine Folgen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Sondervermögen der Bundesregierung ist aus Sicht der Berliner Finanzverwaltung nicht auf das geplante Sondervermögen in Berlin übertragbar. Das teilte eine Sprecherin am Mittwoch mit.

Die Bundesregierung hatte eigentlich geplant, Corona-Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro zugunsten eines Energie- und Klimafonds umzuwidmen. Das Gericht stufte eine solche Umwidmung am Mittwoch verfassungswidrig ein.

Fünf Milliarden Euro für den Klimaschutz

Die Berliner Finanzverwaltung erklärte, bei der Entscheidung der Karlsruher Richter gehe es um "spezifische Sachverhalte", die sich auf den "konkreten Fall" des Sondervermögens des Bundes bezögen. Im Falle des Berliner Sondervermögens würden keine Mittel umgewidmet; es gebe außerdem keine rückwirkende Änderung des Haushaltsplans. Solch eine Änderung wurde beim Bundessondervermögen ebenfalls von den Richtern bemängelt.

Der Senat habe sein geplantes Sondervermögen zudem mit einer mehrfachen Begründung aus Klimanotlage, einer Schocksituation durch den Ukraine-Krieg und der besonderen Finanzschwäche Berlins versehen.

Mit mehr als fünf Milliarden Euro will der Senat Berlin vor 2045 klimaneutral machen. Dafür will die Regierung zusätzliche Schulden aufnehmen, die im regulären Haushalt nicht auftauchen.

Unterschiedliche Reaktion bei Abgeordneten

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Kristin Brinker sprach dagegen von einem "Warnschuss" für das Berliner Vorhaben. Brinker verwies darauf, dass die Karlsruher Richter einen engen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Krediten und der Bewältigung einer Notlage mithilfe dieses Geldes gefordert hätten. Außerdem müssten Maßnahmen, die finanziert werden, geeignet sein, eine Krise abzuwenden. Beides ist nach Auffassung der AfD-Fraktionschefin auch in Berlin nicht gegeben. Das vom schwarz-roten Senat geplante Sondervermögen sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig", so Brinkers Bewertung.

Der langjährige Haushaltsexperte der Linksfraktion Steffen Zillich zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass die Berliner Konstruktion des Sondervermögens "trägt". Gegenüber dem rbb sagte er, dass das Fünf-Milliarden-Paket des Senats anders konzipiert sei als die 60 Milliarden Euro schwere Kreditermächtigung des Bundes.

Zillich betonte aber auch, dass das Karlsruher Urteil geprüft werden müsse, um das Berliner Sondervermögen rechtssicher zu gestalten. Entscheidend sei, dass die Begründung für die Notlage als Voraussetzung für das fünf Milliarden Euro schwere Paket sehr genau ausgeführt werde.

GdP sieht Pläne als "Ritt auf der Rasierklinge"

Die Gewerkschaft der Polizei schlägt derweil - ohne dass schon die Urteilsbegründung vorliegt - Alarm. GdP-Landeschef Stephan Weh spricht von einem "unglaublichen Risiko" und vergleicht die Einrichtung des Sondervermögens mit einem "Ritt auf der Rasierklinge". Die Gewerkschaft hatte gehofft, dass auch Polizeiwachen mit den Mitteln saniert werden. Sollte das Sondervermögen rechtlich nicht haltbar sein, könnte diese Hoffnung platzen, zumal Geld für die Wachen im regulären Haushalt gekürzt wurde.

Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sprach angesichts des Karlsruher Urteils von einem "Schlamassel", verursacht durch das "starrsinnige Festhalten an der Schuldenbremse". Kiziltepe erneuerte ihre Forderung, die Schuldenbremse aufzuweichen. Zu möglichen Auswirkungen des Karlsruher Urteils auf Berlin äußerte sich die SPD-Politikerin nicht.

Brandenburger Finanzministerium sieht keine möglichen Folgen des Urteils

Das Brandenburger Finanzministerium rechnet nicht mit Auswirkungen des Urteils auf den Landeshaushalt. Das teilte ein Sprecher des Ministeriums dem rbb auf Nachfrage mit.

Demnach sind "konkrete Programme und Maßnahmen im Doppelhaushalt 2023/2024 des Landes Brandenburg, die durch Mittel des Klima- und Transformationsfonds (KTF) kofinanziert werden", nicht bekannt. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass "bereits zulasten des KTF eingegangene Verpflichtungen nunmehr anderweitig durch den Haushaltsgesetzgeber kompensiert werden müssen", so der Ministeriumssprecher.

Um die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abschließend bewerten zu können, bleibe aber "abzuwarten, welche Vorschläge die Bundesregierung für den Ausgleich der Kreditaufnahme von 60 Milliarden Euro vorlege und ob und in welcher Weise davon gegebenenfalls auch Länder und Kommunen betroffen sein werden." Das bedeutet, dass mögliche Ausgabenkürzungen des Bundes infolge des Verfassungsgerichtsurteils womöglich doch Auswirkungen auf die Länder haben können.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.11.2023, 18:20 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    "Seit dem die AKW abgeschaltet wurden gibt es Blackouts."
    Das mag sein, aber bestimmt nicht im Stromnetz.
    Selten so einen Unfug gelesen.

  2. 14.

    Die Argumentation ist aus meiner Sicht nicht überzeugend. Unterlassene Investitionen schaden nachfolgenden Generationen. Ein Investitionsstau ist eine Wachstumsbremse in der Zukunft. Und die Besteuerung in Deutschland ist, wenn ich es richtig erinnere, derzeit erheblich geringer als vor 30 Jahren, jedenfalls für Kapitaleigentümer. - Was das wirtschaftliche Haushalten in der Vergangenheit anbelangt, so kann man allerdings fragen, ob die Unterstützung - oder war es nicht eine Alimentation? - der Unternehmer in der Coronapandemie zu üppig war, oder?

  3. 13.

    besser könnte man es nicht ausdrücken wie Sie. Ich habe aber Zweifel an den „Erneuerbare Energien“die es physikalisch nicht gibt.Das ist kein Gesetz mehr sondern ein Werbespot,der der Realität nicht entspricht.Seit dem die AKW abgeschaltet wurden gibt es Blackouts.Das auch Windräder schädlich sind ist inzwischen nicht mehr zu bestreiten ,aber bei dem Urteil der Richter in Karlsruhe geht es um eine rechtliche Frage ob Sondervermögen mal eben so mal für was anderes verwendet werden dürfe ,wenn was vom Kuchen übrig bleibt.Da kommt ein klares Signal aus Karlsruhe,was zu großen Fragezeichen bei einigen in Berlin führt .Was darf da wohl vermutet werden ,sicherlich nicht nur gutes...

  4. 12.

    Nein, die Schuldenbremse ist absolut richtig, weil sie den Handlungsspielraum künftiger Generationen überhaupt erst garantiert. Wir können - genau wie bei der Energiewende (siehe "Klimaurteil" des BVerfG) - nicht ständig zu Lasten künftiger Generationen leben, nur weil es die Situation für uns heute angenehmer macht. Ein überschuldeter Staat ist nicht mehr handlungsfähig. Wir haben hierzulande wahrlich kein Einnahmenproblem. Wir haben weltweit die inzwischen höchste Abgabenlast (vor Kurzem war nur noch Belgien vor uns) aus Steuern und Abgaben und einen stetig steigenden Steueretat. Nur leider haben unsere Politiker verlernt, mit diesen Geldern wirtschaftlich zu haushalten. Es wird an allen Ecken und Enden mit Geld um sich geworfen, um Wahlgeschenke zu verteilen oder sich als besonders human hinzustellen. Wir haben mit dieser Schaufensterpolitik ein veritables Ausgabenproblem.

  5. 11.

    Genau dieser Starrsinn erschreckt irgendwie nur noch..... voll an die Wand.

  6. 10.

    Schulden, auch Staatsschulden, können sich auf verschiedene Weise darstellen: als Zahl mit einem Minus auf dem Konto (das ist die Vorstellung, die hinter dem hier postulierten Verständnis der Schuldenbremse steckt) oder bspw. als Investitionsstau im Anlagevermögen. Sie verhindert also Investitionen in Infrastruktur (Schulen, Schienenwegen, Straßen, Energienetze, Energieanlagen, etc.), wenn nicht die staatlichen Mittel durch Steuererhöhungen gesteigert werden. Fehlende Investitionen rächen sich langfristig. Insofern ist - wenn Steuererhöhungen abgelehnt werden - es sinnvoll in größerem Maße als von der Schuldenbremse vorgesehen Staatsverschuldung "auf dem Konto" zuzulassen. Oder anders: der verfassungsrechtspolitische Wechsel auf die Schuldenbremse ist das Problem.

  7. 9.

    Klar, als 61er ist Ihnen egal was 2045 passiert. Leider gibt es noch andere Menschen in dieser Gesellschaft, die gerne noch ein bisschen länger und auch ein bisschen gut leben möchten. Würde mich sehr freuen, wenn wir jüngeren auch mal bedacht werden. Danke

  8. 8.

    Wie war das, Zusagen werden eingelöst. Also wohl nach Baugeld, Hybridgeld, Photovoltaikgeld, E-Autogeld nun auch private Etankestellegeld für zuhause. Steuerzahler machens doch gern. An die mit ohne.

  9. 7.

    Geld ist in Berlin genug vorhanden, man müsste es nur an der richtigen Stelle (steuerlich) einfordern.

  10. 6.

    ...lieber nicht regieren als schlecht regieren...Zitat C. Lindner
    60 Milliarden Gründe...die jetzt fehlen

  11. 5.

    Die 60 Milliarden wären sicher "einvernehmlicher" "verschoben" werden können wenn es im Bereich Gesundheit, Verwaltung, Ausbildung/Bildung aufgetaucht wäre.
    Das Resort Klima findet halt (immer noch nicht) die Allgemeinheit.
    Das war russisch-Roulett mit ner vollautomatischen Pistole.

  12. 4.

    Habeck is jetzt der Gelackmeierte und sollte sich rasch Gedanken darüber machen, wer mangels Infrastruktur an E-Ladesaeulen, noch seine Ladenhüter kaufen soll. Da nunmehr in allen Sparten die 60 Milliarden abgeknapst werden müssen, sollten auch die Kosten für Flüchtlinge auf den Prüfstand. Vielleicht hat das Bundesverfassungsgericht damit ja auch einen Wink senden wollen.

  13. 3.

    Im Grün regierten Baden-Württemberg ist man im Januar 2022 davon ausgegangen, bis 2035 --16,6 Terawattstunden Wasserstoff zu benötigen.

    Eine aktuelle Bedarfserhebung geht bis 2035 jetzt allerdings von benötigten 73,5 Terawattstunden Wasserstoff aus. Das 4-fache der Phantomzahlen von vor einem Jahr.Bis 2040 soll der Bedarf auf 90,7 Terawattstunden steigen.

    Ob die 5 Milliarden Euro für Berlin reichen --oder ob es auch hier jährlich "Bedarfserhebungen" geben wird?

  14. 2.

    Geld ist in Berlin genug vorhanden, man müsste es nur an der richtigen Stelle einsetzen und nicht für ideologisch geprägte Projekte verschleudern.

  15. 1.

    Nein, das ist kein starrsinniges Festhalten an der Schuldenbremse, wie die Frau Senatorin meint. Das starrsinnige Festhalten an dem Vorhaben, Berlin vor 2045 klimaneutral zu machen, dies ist Starrsinn. Dieses Vorhaben muss einfach ohne das Aushebeln der Schuldenbremse machbar sein sonst geht das Ziel der Klimaneutralität, am Wohle Berlins vorbei. Es ist wie immer, Berlin gibt mit vollen Händen das Geld aus was es eigentlich nicht zur Verfügung hat.

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