BVerfG-Urteil übertragbar? -
- Klima-Sondervermögen der Bundesregierung verfassungswidrig
- Senat plant ebenfalls Klima-Sondervermögen
- Urteil laut Berliner Finanzverwaltung nicht richtungsgebend für die Hauptstadt
- Brandenburger Finanzministerium sieht keine Folgen
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Sondervermögen der Bundesregierung ist aus Sicht der Berliner Finanzverwaltung nicht auf das geplante Sondervermögen in Berlin übertragbar. Das teilte eine Sprecherin am Mittwoch mit.
Die Bundesregierung hatte eigentlich geplant, Corona-Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro zugunsten eines Energie- und Klimafonds umzuwidmen. Das Gericht stufte eine solche Umwidmung am Mittwoch verfassungswidrig ein.
Fünf Milliarden Euro für den Klimaschutz
Die Berliner Finanzverwaltung erklärte, bei der Entscheidung der Karlsruher Richter gehe es um "spezifische Sachverhalte", die sich auf den "konkreten Fall" des Sondervermögens des Bundes bezögen. Im Falle des Berliner Sondervermögens würden keine Mittel umgewidmet; es gebe außerdem keine rückwirkende Änderung des Haushaltsplans. Solch eine Änderung wurde beim Bundessondervermögen ebenfalls von den Richtern bemängelt.
Der Senat habe sein geplantes Sondervermögen zudem mit einer mehrfachen Begründung aus Klimanotlage, einer Schocksituation durch den Ukraine-Krieg und der besonderen Finanzschwäche Berlins versehen.
Mit mehr als fünf Milliarden Euro will der Senat Berlin vor 2045 klimaneutral machen. Dafür will die Regierung zusätzliche Schulden aufnehmen, die im regulären Haushalt nicht auftauchen.
Unterschiedliche Reaktion bei Abgeordneten
Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Kristin Brinker sprach dagegen von einem "Warnschuss" für das Berliner Vorhaben. Brinker verwies darauf, dass die Karlsruher Richter einen engen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Krediten und der Bewältigung einer Notlage mithilfe dieses Geldes gefordert hätten. Außerdem müssten Maßnahmen, die finanziert werden, geeignet sein, eine Krise abzuwenden. Beides ist nach Auffassung der AfD-Fraktionschefin auch in Berlin nicht gegeben. Das vom schwarz-roten Senat geplante Sondervermögen sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig", so Brinkers Bewertung.
Der langjährige Haushaltsexperte der Linksfraktion Steffen Zillich zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass die Berliner Konstruktion des Sondervermögens "trägt". Gegenüber dem rbb sagte er, dass das Fünf-Milliarden-Paket des Senats anders konzipiert sei als die 60 Milliarden Euro schwere Kreditermächtigung des Bundes.
Zillich betonte aber auch, dass das Karlsruher Urteil geprüft werden müsse, um das Berliner Sondervermögen rechtssicher zu gestalten. Entscheidend sei, dass die Begründung für die Notlage als Voraussetzung für das fünf Milliarden Euro schwere Paket sehr genau ausgeführt werde.
GdP sieht Pläne als "Ritt auf der Rasierklinge"
Die Gewerkschaft der Polizei schlägt derweil - ohne dass schon die Urteilsbegründung vorliegt - Alarm. GdP-Landeschef Stephan Weh spricht von einem "unglaublichen Risiko" und vergleicht die Einrichtung des Sondervermögens mit einem "Ritt auf der Rasierklinge". Die Gewerkschaft hatte gehofft, dass auch Polizeiwachen mit den Mitteln saniert werden. Sollte das Sondervermögen rechtlich nicht haltbar sein, könnte diese Hoffnung platzen, zumal Geld für die Wachen im regulären Haushalt gekürzt wurde.
Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sprach angesichts des Karlsruher Urteils von einem "Schlamassel", verursacht durch das "starrsinnige Festhalten an der Schuldenbremse". Kiziltepe erneuerte ihre Forderung, die Schuldenbremse aufzuweichen. Zu möglichen Auswirkungen des Karlsruher Urteils auf Berlin äußerte sich die SPD-Politikerin nicht.
Brandenburger Finanzministerium sieht keine möglichen Folgen des Urteils
Das Brandenburger Finanzministerium rechnet nicht mit Auswirkungen des Urteils auf den Landeshaushalt. Das teilte ein Sprecher des Ministeriums dem rbb auf Nachfrage mit.
Demnach sind "konkrete Programme und Maßnahmen im Doppelhaushalt 2023/2024 des Landes Brandenburg, die durch Mittel des Klima- und Transformationsfonds (KTF) kofinanziert werden", nicht bekannt. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass "bereits zulasten des KTF eingegangene Verpflichtungen nunmehr anderweitig durch den Haushaltsgesetzgeber kompensiert werden müssen", so der Ministeriumssprecher.
Um die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abschließend bewerten zu können, bleibe aber "abzuwarten, welche Vorschläge die Bundesregierung für den Ausgleich der Kreditaufnahme von 60 Milliarden Euro vorlege und ob und in welcher Weise davon gegebenenfalls auch Länder und Kommunen betroffen sein werden." Das bedeutet, dass mögliche Ausgabenkürzungen des Bundes infolge des Verfassungsgerichtsurteils womöglich doch Auswirkungen auf die Länder haben können.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.11.2023, 18:20 Uhr