Interview | "Black History Month" - Warum Berlin im Februar schwarze Geschichte und Kultur feiert
Mit dem "Black History Month" gedenken schwarze Menschen im Februar weltweit ihrer Geschichte und feiern ihre Kultur. Das sei nötig, sagt der Aktivist Tahir Della, weil vielfach noch immer nicht angekommen sei, dass schwarze Menschen hier ihren Beitrag leisteten.
rbb|24: Was genau ist der Black History Month und woher kommt er?
Tahir Della: Initiiert wurde der Black History Month, der ja inzwischen international gefeiert wird, von Carter G. Woodson. Einem – heute würde man sagen – Bildungsaktivisten, der 1926 die sogenannte Negro History Week ins Leben gerufen hat. Das zentrale Anliegen war, die Präsenz und die Beiträge schwarzer Menschen in den USA – zu einer Zeit, wo es noch Segregation, also die rassistische Aufteilung der Gesellschaft, gab – sichtbar zu machen. Schwarze Erzählungen und Perspektiven waren bis dahin nicht präsent. Diese Veranstaltung war eine Art Nische, wo schwarze Menschen sich präsentieren konnten. Und das nicht in der stereotypen Art und Weise, wie es damals noch gang und gäbe war, sondern aus eigenen Perspektiven und verbunden mit entsprechenden Forderungen. Die Negro History Week fand in den letzten beiden Februarwochen statt. In den Sechzigern oder Siebzigern wurde daraus dann der Black History Month – also der gesamte Februar.
Gibt es, wie in den USA üblich, auch hier bei uns ein Motto ?
In den USA ist der Black History Month tatsächlich – je nachdem, was gerade aktuell debattiert wird - mit Überschriften versehen. Wir haben hier in Deutschland nicht unbedingt ein Motto – aber immer wieder Schwerpunkte, die spiegeln, welche Themen in der Gesellschaft stattfinden. Auch über die Schwarze Community hinaus. In diesem Jahr geht es beispielsweise viel um den Zuwachs von rechtsextremen und rechtsradikalen Bewegungen und den Umgang damit. Da geht es ganz zentral um das Empowerment schwarzer Menschen bei den Veranstaltungen. Auch, um sich solchen Entwicklungen entgegenzustellen.
Warum braucht es einen Erinnerungs-Monat für Schwarze Menschen hier in Deutschland?
Hier lohnt ein Blick in Richtung des Initiators Carter Woodson. Er wollte Geschichten erzählen, die meistens nicht erzählt wurden. Auch in Deutschland ist die Präsenz von schwarzen Menschen in Teilen immer noch eine große Unbekannte. Kaum jemand weiß, wie lange schwarze Menschen schon in Deutschland leben und welche Beiträge sie für das gesellschaftliche Gesamtzusammenleben geleistet haben. Das Wissen um Geschichte ist immens wichtig bei der Aufarbeitung des Themas Kolonialismus. Deutschland war ein zentraler Akteur im europäischen kolonialen Projekt. Es war die drittgrößte Kolonialmacht in dieser Zeit. Und das Land hat im Kontext dieser Aktivitäten auch Verbrechen verübt und sich ganz klar an der Ausbeutung des afrikanischen Kontinents beteiligt. Doch das Wissen darum ist noch nicht wirklich eingeschrieben im gesellschaftlichen Gesamtkanon. Und das will der Black History Month leisten. Er will Wissen und Zugänge verschaffen, damit wir uns auch mit Themen auseinandersetzen können, die uns aktuell auf die Füße fallen.
Der Kolonialismus hat Folgen bis zum heutigen Tag. Darüber müssen wir sprechen. Die Stichworte sind hier Migration und Flucht oder auch die Klimadebatte – das sich verändernde Klima hat auch mit 530 Jahren Kolonialismus zu tun. Und es ist wichtig, nicht nur über schwarze Menschen zu sprechen, sondern dass schwarze Menschen selbst ihre Perspektiven abbilden und zum Gespräch einladen. So kann man gemeinsam schauen, in welcher Art von Gesellschaft man zukünftig leben will.
In welcher Art von Gesellschaft wäre der Black History Month dann gar nicht mehr nicht mehr nötig?
Wir werden oft gefragt, ob es nicht eigentlich besser wäre, wenn das Anliegen des Black History Month das ganze Jahr über in der Gesellschaft stattfände. Natürlich wäre das besser. Die vier Wochen sind letztendlich nicht genug. Aber so lange nicht im gesamtgesellschaftlichen Kontext angekommen ist, dass schwarze Menschen nicht nur einfach hier leben, sondern sie auch ihre Beiträge hier leisten, braucht es solche Zeitfenster, in denen man sich damit befassen kann. Vielleicht ist das Ziel tatsächlich, dass sich der Monat irgendwann selbst überflüssig macht.
Haben sich die Black Lives Matters-Demonstrationen 2020 oder die jetzigen gegen Rechtextremismus irgendwie positiv niedergeschlagen?
Wir haben ja anlässlich der Correctiv-Recherche eine Stellungnahme verfasst [isdonline.de] und deutlich gemacht, dass wir die derzeitigen Kundgebungen begrüßen. Das haben wir auch 2020 vor dem Hintergrund des Mordes an George Floyd gemacht. Die Demonstrationen machen ja deutlich, dass die Gesamtgesellschaft sich bewusst macht, dass Rassismus in Deutschland existiert und eine Rolle spielt.
Gleichzeitig braucht es tiefergehende Debatten. Damit wir nicht immer nur reagieren auf Entwicklungen, sondern uns als Gesellschaft auf den Weg machen und schauen, was die Ursachen für rassistisches Denken, Haltungen und Handlungen sind. Da haben wir noch ein bisschen Weg vor uns. Oft findet die Aufregung nur symbolhaft und sehr kurzfristig statt. Und man muss auch darüber sprechen, dass es beispielsweise nicht nur um die AfD geht, bei der man sich sehr leichttut, sie als Rassisten zu identifizieren, sondern dass auch die bürgerlichen Parteien durchaus ihren Beitrag dazu liefern, dass solche Bewegungen stark werden. Wenn wir beispielsweise Migration und Flucht immer nur problematisieren und als Belastung der Gesellschaft oder gar eine Bedrohung darstellen, kommen wir nicht weiter. Es führt auch weg davon, dass man sich fragen muss, wer für die globalen Entwicklungen und Zustände verantwortlich ist.
Eine Gesellschaft sollte aufhören, sich auf Ausschlüsse, Ausgrenzungen und Diskriminierung zu beziehen. Doch so wie unsere Gesellschaft im Moment stattfindet, ist sie kaum denkbar ohne diese Ausschlüsse. Und das – und davon bin ich überzeugt – obwohl ganz viele Menschen sich dezidiert gegen Rassismus, Ausgrenzungen und Ausschlüsse aussprechen.
Vor einer Weile wurde ja gesellschaftlich viel thematisiert, dass unter anderem schwarze Menschen nicht immer wieder gefragt werden wollen, woher sie kommen. Ist das, wo es jetzt in der aktuellen Situation gar um Deportationsfantasien, ging – überhaupt noch ein Thema?
Die Frage hat für viele von uns nicht mehr so eine große Relevanz. Das war vor vierzig Jahren, als wir die jüngere schwarze Bewegung ins leben riefen, noch anders. Zu analysieren, was die "Woher kommst Du"-Frage eigentlich aussagt, war ein Startpunkt für uns, um deutlich zu machen, dass die Existenz schwarzer Menschen hier immer noch in Frage gestellt wird. Also dass es überhaupt Menschen gibt, die hier über Generationen hinweg leben. Die Frage stellt auf jeden Fall in den Raum, dass schwarze Menschen erst vor kurzem hierhergekommen sein müssen und deshalb noch nicht wirklich zur Gesellschaft dazugehören.
Doch natürlich sind die Probleme wesentlich komplexer inzwischen und wir sind dabei, uns nicht mehr an dieser Frage abzuarbeiten. Aber an der Intention, die dahintersteckt, arbeiten wir natürlich immer noch. Denn sind ja viele noch immer sehr überrascht, wenn wir thematisieren, dass schwarze Menschen seit mindestens 150 Jahren in Deutschland leben. Da geht es nicht immer um große Communities. Aber schwarze Menschen sind schon lange präsent und haben sich an den gesellschaftlichen Prozessen hierzulande beteiligt. Das sichtbar zu machen, kann hoffentlich helfen, dass diese Frage irgendwann nicht mehr gestellt wird. Weil die Menschen dann – so wie in anderen Ländern auch – davon ausgehen, dass schwarze Menschen Teil der Gesellschaft sind und waren. So könnte sich die Frage erübrigen. Oder wenn gefragt wird und die Antwort lautet, dass jemand aus Rosenheim, Oranienburg oder Hamburg kommt, nicht mehr nachgefragt wird, woher derjenige "wirklich" kommt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24
Sendung: rbbkultur, 01.02.2024, 09:10 Uhr