Bildungspolitik - Zahl der Schülerinnen und Schüler in Berlin erneut gestiegen

So 25.08.24 | 09:12 Uhr
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Schulanfänger sitzen an einem Klassenraum der Grundschule
Audio: rbb24 Inforadio | 25.08.2024 | Ricardo Westphal | Bild: dpa/Pleul

Die Schulen in Berlin füllen sich weiter: Im neuen Schuljahr steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler erneut an – während weiterhin Hunderte Lehrkräfte fehlen. Die Bildungssenatorin hält mit Quereinsteigern und Ein-Fach-Lehrkräften dagegen.

Berlins Schulen verzeichnen im neuen Schuljahr einen deutlichen Anstieg der Schülerzahl. Nach vorläufigen Daten der Bildungsverwaltung lernen an den allgemeinbildenden Schulen nach Ende der Sommerferien etwa 404.000 Schüler, rund 9.000 mehr als im vergangenen Schuljahr. Damit werde erstmals seit 25 Jahren wieder die Marke von 400.000 an den öffentlichen und freien Schulen der Hauptstadt geknackt. An den Berufsschulen drücken zudem mehr als 78.000 Jugendliche die Schulbank nach 77.900 vor Jahresfrist.

"Das heißt, unsere Klassen bleiben voll", sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. "Das hat etwas damit zu tun, dass Berlin eine wachsende Stadt ist. Und das hat auch etwas damit zu tun, dass Berlin weiterhin ein Hotspot für Zuwanderung ist." Geflüchtete Kinder und Jugendliche werden in Willkommenklassen und auch in regulären Klassen unterrichtet, zuletzt waren es mehr als 14.000.

Lücke bei Lehrkräften

Bei den Lehrkräften – der Bedarf liegt bei gut 32.000 Vollzeitstellen – tut sich wie in den vergangenen Jahren vor dem Start des neuen Schuljahres am 2. September eine Lücke auf. Günther-Wünsch bezifferte sie ähnlich wie schon im Mai auf etwa 690 offene Stellen. Die Zahl werde sich in den kommenden Wochen noch ändern, da Einstellungsverfahren noch liefen.

"Im Vergleich zum letzten Jahr, wo wir zunächst von 1.500 offenen Stellen ausgegangen sind, ist das eine Zahl, die zumindest erahnen lässt, dass die ersten von uns eingeleiteten Maßnahmen greifen", sagte die Senatorin. Als Beispiele nannte sie längere Einstellungskorridore oder die Möglichkeit an Schulen, Lehrerstellen in Stellen für pädagogische Assistenzen oder andere Professionen umzuwandeln.

Problem bei den Einstellungen: "Wir haben leider immer wieder die Situation, dass bereits zugesagte Arbeitsverhältnisse nicht angetreten werden, weil sich in den Sommerferien für den einen oder anderen Kollegen doch noch was anderes ergeben hat", so Günther-Wünsch. Auch deshalb sei noch unklar, wie viele offene Stellen am Ende besetzt werden können. Wirklich belastbare Zahlen lägen erst durch die übliche Schnellabfrage nach Schuljahresbeginn und dann nach einer statistischen Erhebung im November vor.

Quer- und Seiteneinsteiger unverzichtbar

Unter den neuen Lehrkräften – in den vergangenen Jahren waren es jeweils mehr als 3.000 – sind erneut viele Quer- und Seiteneinsteiger. Insbesondere Seiteneinsteiger haben keine pädagogische Ausbildung in jeweils zwei Fächern der Berliner Schule, aber eine fachliche Qualifikation. "Es bleibt angesichts des bundesweiten Lehrkräftemangels dabei, dass wir nicht ausschließlich grundständig qualifizierte Lehrkräfte einstellen, sondern auch Quer- und Seiteneinsteiger", sagte Günther-Wünsch. Zuletzt habe deren Anteil bei den Neueinstellungen etwa bei 50 Prozent gelegen – Tendenz steigend.

Auch diese Menschen mit ihrem vielfältigen Know-how seien ein Gewinn für Schulen. "Wir sollten das deshalb nicht verteufeln. Wir werden auch über die nächsten Jahre nicht ohne Quer- und Seiteneinsteiger auskommen." Denn der Ausbau der Lehrkräfteausbildung an den Universitäten schlage sich nicht innerhalb kurzer Zeit an den Schulen nieder. "Es dauert sieben Jahre, bis die Studierenden fertig sind. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten fünf bis acht Jahren auch wieder vermehrt grundständig qualifizierte Pädagogen haben mit zwei Fächern."

Sogenannte Einfachlehrer sollen dauerhaft bleiben

Ein neues Vorhaben der Senatorin ist, sogenannten Ein-Fach-Lehrkräften eine langfristige Perspektive an Schulen zu geben. Das sind zum Beispiel Diplom-Geografen oder Diplom-Mathematiker, die also nur ein Schulfach studiert haben und deshalb als Seiteneinsteiger oft mit befristeten Verträgen an Schulen arbeiten. Um einen regulären Vertrag zu bekommen mit einem Referendariat zum Start, müssen sie bisher ein zweites oder drittes Schulfach studieren.

"Wir wollen die Ein-Fach-Lehrer, die ja schon im System sind, halten, ihnen eine Perspektive geben und verlässlich an die Schule binden", erläuterte Günther-Wünsch. "Der Stand der Gespräche mit der Senatswissenschaftsverwaltung und den Universitäten ist so, dass ich zuversichtlich bin, dass wir zum Sommer 2025 die ersten Ein-Fach-Lehrer an den Universitäten ausbilden können." Dabei handelt es sich nicht um ein komplettes Studium, sondern um eine pädagogische Weiterbildung und Qualifizierung.

Genügend Lehrkräfte auch für Brennpunktschulen als Ziel

Angehen will die Senatorin auch das Ungleichgewicht bei der Verteilung. "Das Lehrkräftedefizit verteilt sich nicht hundertprozentig gleichmäßig über die Stadt. Wir haben Schulen, die kämpfen mit dem Defizit einfach stärker als andere Schulen", sagte sie.

"Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit den zwölf regionalen Schulaufsichten dafür zu sorgen, dass an jeder Schule die Stundentafel, also der reguläre Stundenplan, abgedeckt ist." Unter anderem habe sich dazu ein Runder Tisch mit Schulleitungsverbänden etabliert, um die sogenannte Zumessungsrichtlinie zu ändern, um Lehrkräfte den Schulen stärker nach dem Bedarf zuzuweisen.

"Ziel ist es, bis Ende des Jahres an dieser Zumessungsrichtlinie mit allen Akteuren aus der Praxis so gearbeitet zu haben, dass dort zum kommenden Schuljahr eine gezieltere Steuerung wirksam werden kann", sagte Günther-Wünsch.

Zur Einordnung: Schulen an sozialen Brennpunkten haben es schwerer als andere Schulen, genügend Lehrkräfte zu finden. Einsteiger möchten mitunter eher an Schulen arbeiten, an denen potenziell weniger Probleme oder Konflikte zu bewältigen sind.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.08.2024, 10:00 Uhr

34 Kommentare

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  1. 34.

    Deutschland liegt im europäischen Raum auf dem viertletzten Platz, wenn es um Schulabbrecher geht. Ein Viertel der Langzeitarbeitslosen hat noch nicht einmal einen Schulabschluss. 2,4 Millionen der Bürgergeldempfänger haben keinen Berufsabschluss. Trotzdem nutzen viele das sichere Geld des Sozialsystems und machen gutes Geld in der Schattenwirtschaft, dort fließen 460 Milliarden am Fiskus vorbei, Tendenz steigend. Wie lange hält das unser Solidarsystem denn aus und in welcher Verantwortung sind Wirtschaft und Unternehmer?


    Wie war das noch einmal mit Fördern und Fordern?

  2. 33.

    Schülerinnen auch? Nicht nur Schüler? Toll! Da werden sich die Lehrerinnen und Lehrer und gebärenden und zeugenden Elternteile sowie Politikerinnen und Politiker und die Leserinnen und Leser aber freuen.

  3. 32.

    Hospitieren konnte ich fast null. Ich wurde sofort für den Unterricht gebraucht.
    Geht in anderen Jobs auch nicht. Glaube kaum, dass sich ein Unternehmen leisten kann,
    dass einer ein Jahr lang 5 Stunden in der Woche einem anderen nur "zuschaut".

    Die Leute können wie in allen anderen Berufen wählen, ob Teilzeit oder Vollzeit.
    Meist liegen gute Gründe dafür vor, warum jemand (oft vorübergehend) in Teilzeit arbeitet.
    Das geht keinen was an.

  4. 31.

    Finde den Fehler. Irgendwann hat alles seine natürlichen Grenzen. Sie in diesem Land permanent zu überschreiten und das seit Jahren, fördert am Ende den AfD-Wähler. Weiß jeder, es laut zu sagen, ist leider verpönt.

    "Und das hat auch etwas damit zu tun, dass Berlin weiterhin ein Hotspot für Zuwanderung ist."

  5. 30.

    "Millionen Zuwanderern". Wenn man versucht den rechtsextremen Narrativen noch ein Superlativ aufzusetzen.

  6. 29.

    Jeder Ref. war während seiner Bachelorausbildung im Praktikum. Und: wo lernt man/frau nen Beruf besser als in der Praxis? Sicher nicht aus‘ m Buch oder in ´ner Vorlesung. Das ist doch in jedem Handwerk so.
    Perspektivisch sollte das Lehrerstudium konsequent dual mit mindestens 50% igem Anteil Praxis strukturiert werden. Dann trennt sich schon im Studium der Spreu vom Weizen und es gehen nicht 2/3 der Lehrer in Teilzeit. Würden diese jetzt alle Vollzeitlehrer werden, würden weniger Lehrer gesucht werden.

  7. 28.

    Hmm welch Wunder bei den Millionen Zuwanderern, aber klar einfach immer weiter aufnehmen, was soll schon schief gehen...

  8. 26.

    Doch.
    Ich arbeite seit 10 Jahren in diesem Beruf.
    Inzwischen allerdings an einer kirchlichen Privatschule.
    Und stellen Sie sich vor, auch ich habe ein Recht auf Meinungsfreiheit.
    Der Beutelsbacher Konsens, den Sie vermutlich ansprechen, bezieht sich auf
    eine nicht einseitig wertende Vermittlung von Unterrichtsinhalten, vor allem in historischen und politischen Belangen.
    Viele Grüße von einer Gewi-Lehrerin.

  9. 24.

    … und nicht nur das. Die Lehramtsanwärter sollen jetzt überhaupt nicht mehr hospitieren, sondern statt acht volle 10 Stunden eigenverantwortlich Unterricht erteilen. Und das Ganze, ohne sich irgendetwas irgendwo abgucken zu können. Denn Hospitationstunden sind ja wie gesagt gestrichen.
    Das ist ungefähr so, als würde man einem Busfahreranwärter sagen: hier ist der Schlüssel. Fahren Sie. Bei jemanden gucken? Nein, das geht nicht. Sie fahren gleich eigenverantwortlich. Würde man in keinem anderen Beruf so machen. Traurig!

  10. 23.

    Stimmt: ,,Der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Dennis Hohloch hat in Potsdam vor Grundschülern über Gruppenvergewaltigungen gesprochen.!'' Er ist Lehrer!

  11. 22.

    Das behaupten sie immer wieder. Jedesmal ohne konkret zu werden. Wahrheitsgehalt gleich Null.

  12. 20.

    Hä, verstehe ich nicht. Berlin ist doch jetzt auch schon (mit den 10.000 alten Lehrern) der Lampenputzer bei allen Bildungsstudien. Das kann mit mehr Quereinsteigern nur besser werden, weil genau die Quereinsteiger eben auch schon mal etwas anderes gemacht, erlebt, erfahren haben, als 40 Jahre lang nur unterrichtet. Die bringen ein größeres Selbstverständnis für lebenslanges Lernen mit und haben weniger Probleme mit Veränderungen, eine selbstverständliche Affinität zu digitalen Medien, KI, ständiger Selbstreflexion und eine höhere Veränderungsbereitschaft. Genau das, was Schule in Zukunft braucht.

  13. 19.

    danke für ihre antwort.
    warum immer auf "die da unten" getreten werden muss,habe ich auch nicht verstanden.

  14. 18.

    Ich habe jetzt dreimal nachgelesen. Im Kommentar der Klassenlehrerin um 12:02 Uhr wird absolut nichts über Schüler oder Eltern gesagt. Es wird einzig und allein der Weg, den Quereinsteiger zu absolvieren haben, beschrieben. Oder haben Sie einen anderen Kommentar in ihrer Liste?

  15. 17.

    Und die Herrschaft darüber, wer Kinder haben/erziehen darf und wer nicht – soll dann bei Ihnen liegen? Oder einer Behörde? Oder wie?

    Vielleicht wäre es besser, die Gesellschaft zu "ermuntern", sämtliche Berufe und Tätigkeiten zu achten und zu ehren statt Schmuddel-/Mobbingsektoren zu betreiben wie Niedrigbezahlsektor mit Bürgergeld-/H4-"Aufstockung" oder Wohngeld.

    Auskömmliche Bezahlung und Wertschätzung, Augenhöhe, Höflichkeit, Fairsein, Nettsein in jedem Bereich der dt. Kultur und Gesellschaft wäre zielführender und friedlicher als dieses Gehetze.

  16. 16.

    Das "nur" 690 Stellen unbesetzt sind, ist ein Statistiktrick. Es wurden überall Stunde gekürzt. Ca. 4 Wochen vor Ende des Schuljahres wurden unseren Schülern 36 Stunden "geklaut".

  17. 15.

    Die sind niemals Lehrerin! Wer so gefärbt pber Schüler und deren Eltern ,,redet“ kann kein Lehrer sein! Lehrer gaben sich in ihrer Wertung neutral zu verhalten!

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