Friedensdemo am 3. Oktober - SPD-Politiker Stegner verteidigt geplanten Auftritt mit Wagenknecht in Berlin
Die Friedensbewegung hat für den 3. Oktober zur großen Demonstration in Berlin aufgerufen. Neben BSW-Chefin Wagenknecht und dem umstrittenen Aktivisten Reiner Braun tritt auch SPD-Politiker Ralf Stegner auf. Im rbb24 Inforadio erklärt er, warum.
rbb: Herr Stegner, die "Friedensdemo" am 3. Oktober richtet sich dezidiert gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Genau das aber tut die SPD-geführte Bundesregierung. Warum nehmen Sie als SPD-Abgeordneter teil?
Ralf Stegner: Die SPD ist immer Teil der Friedensbewegung gewesen. Und das ist keine Veranstaltung von Sahra Wagenknecht oder vom BSW, sondern von der Friedensbewegung. Die war auch immer heterogen. Da waren unterschiedliche Parteien dabei, auch Leute, deren Meinung man nicht teilt. Die SPD muss Teil der Friedensbewegung bleiben und wir unterstützen die Ukraine, auch militärisch. Das werde ich dort auch sagen.
Aber wir streben an, dass es mehr diplomatische Anstrengungen gibt, nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Nahen Osten, wo wir gerade sehen, wie gefährlich die Situation ist.
Sich da verdrängen zu lassen aus der Friedensbewegung: hier ganz falsch. Wenn man das den Populisten überlässt, kommt das dabei raus, was wir in Sachsen, in Brandenburg, in Thüringen gesehen haben.
Sie stehen dort aber mit Sahra Wagenknecht auf der Bühne, die gegen die Bundesregierung wettert. Und mit dem Aktivisten Rainer Braun, der der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung abspricht. Widersprechen Sie dann?
Ich definiere mich nicht durch das, was Sahra Wagenknecht sagt. Wir sind Teil der Friedensbewegung. Ich habe, um dort reden zu können, zur Bedingung gemacht, dass keine Faschisten auftreten, dass da kein Antisemitismus zu sehen ist auf Plakaten und ähnliche Dinge mehr. Das geht nicht.
Ansonsten herrscht Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. Man darf das doch nicht denen überlassen, die unter Frieden verstehen, dass die Ukraine kapituliert und die Putin unterstützen. Das tue ich nicht.
Ich habe diesen Aufruf [der Organisation "Nie wieder Krieg" - die Redaktion] natürlich nicht unterstützt, der falsch auch ist und wo gar nicht davon die Rede ist, dass das ein Angriffskrieg Russlands ist. Und es gibt einen sozialdemokratischen Aufruf. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir nicht hingehen, nur weil dort jemand anders auftritt?
Das heißt, Sie werden dann auch die Kriegsverbrechen der Russen benennen und klar machen, wer der Aggressor und wer das Opfer ist? Und die Politik der Bundesregierung verteidigen?
Ja, selbstverständlich. Was glauben Sie denn? Ich rede doch nicht an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Dinge. Trotzdem gehöre ich zu denjenigen, die nicht nur über militärische Logik reden, und die nicht nur meinen, dass es militärisch geht. Wir glauben sicher, dass man sich diplomatisch stärker anstrengen muss, und dass es nötig ist, etwas gegen den Krieg zu tun. Wir sehen doch gerade im Nahen Osten, wo das hinführt, wenn diplomatische Anstrengungen überhaupt nicht funktionieren.
Es muss doch auch gelingen, sowohl dafür zu werben, dass das Existenzrecht Israels gesichert ist, dass wir uns gegen Antisemitismus und Terrorismus wenden, und gleichzeitig eine humanitäre Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben der Palästinenser zu ermöglichen, und eben nicht Krieg zu führen gegen die Zivilbevölkerung.
Wer das nicht versteht, dem ist doch gar nicht zu helfen. Humanität gehört eben auch in den Vordergrund. Da wegzubleiben heißt doch nur, dass man es denen überlässt, das zu definieren, was man überhaupt nicht teilt.
Welche diplomatische Bewegung können Sie sich vorstellen, wenn der Iran Israel angreift?
Aber das kommt doch daher, dass es keine vernünftige Lösung gibt. Dass für die Zwei-Staaten-Lösung nicht geworben wird. Beides muss erreicht werden.
Selbstverständlich muss die Sicherheit Israels gewährleistet sein. Das ist für einen Deutschen ganz selbstverständlich, das zu sagen. Es gibt den Staat Israel nur wegen des Holocaust. Auf der anderen Seite gehört auch dazu, dass die Palästinenser eine Perspektive bekommen müssen. Was haben wir denn davon, wenn wieder Generationen im Hass gegeneinander aufwachsen? Das zeigt doch nur, dass wir in der Diplomatie zu wenig tun.
Deswegen finde ich diese schlichte Logik, dass die einen nur über die Waffen reden und die anderen Putin unterstützen oder andere Aggressoren, nicht richtig.
Sie sprechen sich einerseits dafür aus, der Ukraine Waffen für die Luftabwehr zu liefern. Gleichzeitig plädieren Sie für Friedensverhandlungen, die Putin aber ablehnt. Wie soll das gehen?
Haben Sie schon mal gehört, dass ein Frieden zustande gekommen ist durch Interviews von denjenigen, die Kriegsteilnehmer sind? Das ist immer eine schwierige Angelegenheit hinter verschlossenen Türen. Das dauert lange, das ist kompliziert. Da muss man auch Verbündete suchen.
Aber Putin kommt ja gar nicht hinter die verschlossenen Türen. Die Teilnahme am Friedensgipfel in der Schweiz hat Putin abgelehnt.
Das war jetzt bei dieser ersten Konferenz. Es wird auch noch andere Anstrengungen geben. Es passiert auch vieles hinter den Kulissen. Ich kann nur sagen: Wenn man nichts gegen den Krieg tut, werden dort jeden Tag Menschen sterben, Frauen vergewaltigt werden, Kinder entführt werden, Zerstörung stattfinden. Der Krieg ist furchtbar und grausam. Es muss etwas Besseres geben, und das ist jede Anstrengung wert.
Eine Alternative zum Krieg gibt es immer, eine zum Frieden gibt es nicht. Und das müssen wir, finde ich, begreifen. Manche sind sehr leichtfertig, wie Sie darüber reden, weil sie das nicht auszutragen haben, sondern andere es ausbaden müssen. Deswegen finde ich den Einsatz für Frieden notwendig.
Willy Brand wurde auch kritisiert, weil auf den Demonstrationen der Friedensbewegung, auf denen er gesprochen hat, auch DKP-Leute und andere dabei waren. Das ist dann eben so. Das kann einen ja nicht daran hindern, eine eigene Position zu vertreten.
Das Gespräch führte Sabine Dahl.
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.10.2024, 07:10 Uhr