Friedensdemo am 3. Oktober - SPD-Politiker Stegner verteidigt geplanten Auftritt mit Wagenknecht in Berlin

Mi 02.10.24 | 10:32 Uhr
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Ralf Stegner, Mitglied des Bundestags, am 08.07.2022 bei einem Pressestatement in Berlin. (Quelle: Picture Alliance/Flashpic/Jens Krick)
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Audio: rbb24 Inforadio | 02.10.2024 | Sabine Dahl und Ralf Stegner | Bild: Picture Alliance/Flashpic/Jens Krick

Die Friedensbewegung hat für den 3. Oktober zur großen Demonstration in Berlin aufgerufen. Neben BSW-Chefin Wagenknecht und dem umstrittenen Aktivisten Reiner Braun tritt auch SPD-Politiker Ralf Stegner auf. Im rbb24 Inforadio erklärt er, warum.

Ralf Stegner (SPD)

Mitglied des Bundestages, Auswärtiger Ausschuss

2003 bis 2008 Minister in der Landesregierung Schleswig-Holsteins

rbb: Herr Stegner, die "Friedensdemo" am 3. Oktober richtet sich dezidiert gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Genau das aber tut die SPD-geführte Bundesregierung. Warum nehmen Sie als SPD-Abgeordneter teil?

Ralf Stegner:
Die SPD ist immer Teil der Friedensbewegung gewesen. Und das ist keine Veranstaltung von Sahra Wagenknecht oder vom BSW, sondern von der Friedensbewegung. Die war auch immer heterogen. Da waren unterschiedliche Parteien dabei, auch Leute, deren Meinung man nicht teilt. Die SPD muss Teil der Friedensbewegung bleiben und wir unterstützen die Ukraine, auch militärisch. Das werde ich dort auch sagen.

Aber wir streben an, dass es mehr diplomatische Anstrengungen gibt, nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Nahen Osten, wo wir gerade sehen, wie gefährlich die Situation ist.

Sich da verdrängen zu lassen aus der Friedensbewegung: hier ganz falsch. Wenn man das den Populisten überlässt, kommt das dabei raus, was wir in Sachsen, in Brandenburg, in Thüringen gesehen haben.

Sie stehen dort aber mit Sahra Wagenknecht auf der Bühne, die gegen die Bundesregierung wettert. Und mit dem Aktivisten Rainer Braun, der der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung abspricht. Widersprechen Sie dann?

Ich definiere mich nicht durch das, was Sahra Wagenknecht sagt. Wir sind Teil der Friedensbewegung. Ich habe, um dort reden zu können, zur Bedingung gemacht, dass keine Faschisten auftreten, dass da kein Antisemitismus zu sehen ist auf Plakaten und ähnliche Dinge mehr. Das geht nicht.

Ansonsten herrscht Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. Man darf das doch nicht denen überlassen, die unter Frieden verstehen, dass die Ukraine kapituliert und die Putin unterstützen. Das tue ich nicht.

Ich habe diesen Aufruf [der Organisation "Nie wieder Krieg" - die Redaktion] natürlich nicht unterstützt, der falsch auch ist und wo gar nicht davon die Rede ist, dass das ein Angriffskrieg Russlands ist. Und es gibt einen sozialdemokratischen Aufruf. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir nicht hingehen, nur weil dort jemand anders auftritt?

Das heißt, Sie werden dann auch die Kriegsverbrechen der Russen benennen und klar machen, wer der Aggressor und wer das Opfer ist? Und die Politik der Bundesregierung verteidigen?

Ja, selbstverständlich. Was glauben Sie denn? Ich rede doch nicht an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Dinge. Trotzdem gehöre ich zu denjenigen, die nicht nur über militärische Logik reden, und die nicht nur meinen, dass es militärisch geht. Wir glauben sicher, dass man sich diplomatisch stärker anstrengen muss, und dass es nötig ist, etwas gegen den Krieg zu tun. Wir sehen doch gerade im Nahen Osten, wo das hinführt, wenn diplomatische Anstrengungen überhaupt nicht funktionieren.

Es muss doch auch gelingen, sowohl dafür zu werben, dass das Existenzrecht Israels gesichert ist, dass wir uns gegen Antisemitismus und Terrorismus wenden, und gleichzeitig eine humanitäre Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben der Palästinenser zu ermöglichen, und eben nicht Krieg zu führen gegen die Zivilbevölkerung.

Wer das nicht versteht, dem ist doch gar nicht zu helfen. Humanität gehört eben auch in den Vordergrund. Da wegzubleiben heißt doch nur, dass man es denen überlässt, das zu definieren, was man überhaupt nicht teilt.

Welche diplomatische Bewegung können Sie sich vorstellen, wenn der Iran Israel angreift?

Aber das kommt doch daher, dass es keine vernünftige Lösung gibt. Dass für die Zwei-Staaten-Lösung nicht geworben wird. Beides muss erreicht werden.

Selbstverständlich muss die Sicherheit Israels gewährleistet sein. Das ist für einen Deutschen ganz selbstverständlich, das zu sagen. Es gibt den Staat Israel nur wegen des Holocaust. Auf der anderen Seite gehört auch dazu, dass die Palästinenser eine Perspektive bekommen müssen. Was haben wir denn davon, wenn wieder Generationen im Hass gegeneinander aufwachsen? Das zeigt doch nur, dass wir in der Diplomatie zu wenig tun.

Deswegen finde ich diese schlichte Logik, dass die einen nur über die Waffen reden und die anderen Putin unterstützen oder andere Aggressoren, nicht richtig.

Sie sprechen sich einerseits dafür aus, der Ukraine Waffen für die Luftabwehr zu liefern. Gleichzeitig plädieren Sie für Friedensverhandlungen, die Putin aber ablehnt. Wie soll das gehen?

Haben Sie schon mal gehört, dass ein Frieden zustande gekommen ist durch Interviews von denjenigen, die Kriegsteilnehmer sind? Das ist immer eine schwierige Angelegenheit hinter verschlossenen Türen. Das dauert lange, das ist kompliziert. Da muss man auch Verbündete suchen.

Aber Putin kommt ja gar nicht hinter die verschlossenen Türen. Die Teilnahme am Friedensgipfel in der Schweiz hat Putin abgelehnt.

Das war jetzt bei dieser ersten Konferenz. Es wird auch noch andere Anstrengungen geben. Es passiert auch vieles hinter den Kulissen. Ich kann nur sagen: Wenn man nichts gegen den Krieg tut, werden dort jeden Tag Menschen sterben, Frauen vergewaltigt werden, Kinder entführt werden, Zerstörung stattfinden. Der Krieg ist furchtbar und grausam. Es muss etwas Besseres geben, und das ist jede Anstrengung wert.

Eine Alternative zum Krieg gibt es immer, eine zum Frieden gibt es nicht. Und das müssen wir, finde ich, begreifen. Manche sind sehr leichtfertig, wie Sie darüber reden, weil sie das nicht auszutragen haben, sondern andere es ausbaden müssen. Deswegen finde ich den Einsatz für Frieden notwendig.

Willy Brand wurde auch kritisiert, weil auf den Demonstrationen der Friedensbewegung, auf denen er gesprochen hat, auch DKP-Leute und andere dabei waren. Das ist dann eben so. Das kann einen ja nicht daran hindern, eine eigene Position zu vertreten.

Das Gespräch führte Sabine Dahl.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.10.2024, 07:10 Uhr

Kommentar

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24 Kommentare

  1. 24.

    Nur durch Waffengleichheit kann Putin gezwungen werden, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

  2. 23.

    Und Sie nennen sich Demokrat? AfD Leute werden dort nicht reden. Jeder,der für Frieden ist, hat das Recht, dort hinzugehen. Und, wie erkennen Sie eigentlich AfD-Wähler, wenn die sich "untermischen" ?

  3. 22.

    Ein großes Dankeschön an den rbb. Das macht Meinungsfreiheit aus, auch andere Meinungen zuzulassen und spricht für eine offene und faire Berichterstattung. Weiter so !

  4. 21.

    Ich werde mit Frau und Kind auf jeden Fall morgen dabei sein, da können einige der Kommentatoren, die hier ständig unterwegs sind, noch so geifern. Und ein Großteil der Verwandschaft und auch der Nachbarschaft ist ebenso dabei; gerade auch wegen der aktuellen Entwicklung.
    Man muss was machen. Nur meckern und ignorieren nutzt nichts!

  5. 20.

    Ach... und die Bundesrepublik hat völkerrechtswidrig eine anderes Land überfallen und besetzt? Lässt dort morden, plündern und vergewaltigen?

    Um das zu verhindern, braucht es Waffen. Es ist die falsche Zeit für Friedendemos mit zweifelhaften Teilnehmern.

  6. 19.

    Wenn sich AfD- Sympathisanten untermischen oder ranhängen, muss sofort abgebrochen werden ! Keine gemeinsame Sache und keine Zusammenarbeit !

  7. 17.

    "Die Atomunfälle und Beinahe-Unfälle in der Kernenergie haben gezeigt. Keine Technik ist absolut sicher."

    In diesem Punkt stimme ich Ihnen unumwunden zu. Ab einer spezifischen Größe einer Technik ist es ein unerträglicher Luxus zu denken: "Es wird schon nichts passieren, Schwund ist dabei."

    Was in puncto Atombombe mal jemand formuliert hat, als die Bombe noch am Entstehen war, trifft es ziemlich genau: "Das Mittel ist zu groß für den Zweck, weil das Mittel größer ist als aller Zweck, der denkbar ist." Einfach mal auf der Zunge zergehen lasssen. Das betrifft nachvollziehbarerweise auch den siamesischen Zwilling, die so bez. "friedliche Nutzung" der Atomkraft.

    Was die neugeschaffenen militärischen Möglichkeiten angeht, so gäbe es keine einzige Technik, die nur in den Händen Desjenigen verblieben wäre, der sie erfand, vielmehr fanden sie sich über kurz o. lang immer auch in den Händen Desjenigen, gegen den sie sich richteten.

  8. 16.

    "Aber Putin kommt ja gar nicht hinter die verschlossenen Türen. Die Teilnahme am Friedensgipfel in der Schweiz hat Putin abgelehnt."
    Das stimmt doch gar nicht. Er wurde erst gar nicht eingeladen und hat dann natürlich gesagt, er würde eh nicht kommen. Selbst bei der Tagesschau steht das so.

  9. 15.

    „Wenn man das den Populisten überlässt, kommt das dabei raus, was wir in Sachsen, in Brandenburg, in Thüringen gesehen haben.“
    Ob er da nicht unzulässig vermischt? Die Teilnahme an der Friedensbewegung ist das Gleiche wie die Teilnahme an Wahlen u.a. demokratischen Dingen in den genannten Ländern. Die bloße Teilnahme ist es nicht.... Die Ergebnisse der Politik aber schon eher. Es kommt einem so vor, dass er das gar nicht begriffen hat.

  10. 14.

    "Am besten in Moskau..". Nein, genau hier, Berlin Deutschland....In einem Land, das zu den führenden Waffenexporteuren gehört, ist die Demo genau am richtigen Platz.

  11. 13.

    Für Kriege ist immer genug Geld vorhanden, egal im welchem Staat. Für arme Menschen, ist aber kein Geld mehr vorhanden. Für Frieden zu demonstrieren, lohnt sich immer, auch in der Hoffnung, dass dann Geld für die Armen übrig bleibt. Ach, wäre das schön. ....." viel mehr Blumen während des Lebens Denn auf dem Grabe blüh´n sie vergebens...."
    Peter Rosegger

  12. 12.

    "Daher müssten morgen hunderttausende vernünftige Menschen gegen den Irrsinn Krieg, Aufrüstung, Atomwaffen protestieren. "

    Am besten in Moskau, direkt vor dem Kreml.

  13. 11.

    Eine eigene Meinung zu äussern ist das eine. Für Frieden ist es hilfreich Zivilen Widerstand auch zu üben, damit Soziale Verteidigung als Alternative zu kriegerischer Konfliktaustragung funktionieren kann. Demonstrieren ist eine mögliche Übung. Es gibt viele Gelegenheiten sich für Frieden zu engagieren. Zum Beispiel mehr über erfolgreichen Zivilen Widerstand lernen, um noch mehr Kriege zu verhindern.

  14. 10.

    So sieht Diskursfähigkeit aus. Andere Meinungen anhören und aushalten. Das ist ja, denke ich, momentan Mangelware in deutschen Medien.

  15. 9.

    Ja, die mit Waffen sind immer böse. Ich finde auch, dass wir unsere Polizei entwaffnen sollten. Deutschland kann hier Vorreiter sein und zeigen, dass die Exekutive nur mit warmen Worten nicht weniger effektiv sein muss. Waffen zur Abschreckung, um Frieden zu wahren? Pah... total überbewertet!




    Wer Sarkasmus findet, darf ihn behalten.

  16. 8.

    "Daher müssten morgen hunderttausende vernünftige Menschen gegen den Irrsinn Krieg, Aufrüstung, Atomwaffen protestieren. "

    Am besten in Moskau, direkt vor dem Kreml.

  17. 7.

    Klingt in etwa so wie bei der Krim-Einverleibung durch Putin. Die SPD hat uns ja damals erklärt warum man weiter um des lieben Friedenswillen Gas in Russland kaufen muss. Der große Friedensschock kam dann später. Dass man selber um jeden Preis ganz toller Friedensfan ist, bedeutet noch nicht dass andere das dann auch so sind.

  18. 6.

    „ Daher müssten morgen hunderttausende vernünftige Menschen gegen den Irrsinn Krieg, Aufrüstung, Atomwaffen protestieren.“
    Sie müssen den Satz noch erweitern mit „ und anschließend nach Russland oder Israel fahren!“
    Dicke Backen machen kann jeder!

  19. 5.

    Er hat recht. Man darf sich die eigene Meinung nicht verbieten lassen, bloß weil andere sie teilen , die man sonst nicht mag.

  20. 4.

    Herr Stegner hat es korrekt erklärt. Es gibt zu vielen Positionen, Auffassungen, Meinungen immer andere Menschen, die bei anderen Dingen anderer Meinung sind. Es gab und gibt zahlreiche Menschen, die zum Wohl des Klimas und der Umwelt sehr energisch und gesetzeswidrig protestiert haben. Die meisten sicher aus Überzeugung. Dann gibt es Menschen, die für ungeborenes Leben kämpfen und andere sehr bedrängend bekehren wollen. Sie alle müssten doch erst recht gegen die größte Bedrohung der Menschheit kämpfen: Krieg und vor allem Atomkrieg. Die Atomunfälle und Beinahe-Unfälle in der Kernenergie haben gezeigt. Keine Technik ist absolut sicher. Ein einziger Fehler und wir haben Millionen Tote und befinden uns in der absoluten Apokalypse. Daher müssten morgen hunderttausende vernünftige Menschen gegen den Irrsinn Krieg, Aufrüstung, Atomwaffen protestieren.

  21. 3.

    Warum muss sich Herr Stegner rechtfertigen, wenn er für Frieden eintritt?

  22. 2.

    wurde er denn eingeladen?

  23. 1.

    Offen gesagt, habe ich immer gewisse Schwierigkeiten mit Ralf Stegner gehabt, der all zu oft recht bärbeißig daherkommt und mit dem auch schon in Schleswig-Holstein nicht gut Kirschen-Essen war. Hier aber ziehe ich den Hut vor Stegner.

    In Zeiten, in denen außer eines mil. Vorgehens fast nichts anderes mehr auf der Agenda zu stehen scheint, müssen Zeichen gesetzt werden, die außerh. dieser nahezu reinen militär-fokussierten Vorgehensweise stehen. Denn hier schaukelt sich etwas (eigendynamisch) hoch.

    Das Klima scheint vergifteter denn je und das liegt nicht nur an denen, die jede Abwägung in Konflikten als Vasallentum eines irgendwie gearteten US-Imperialismus brandmarken, es liegt mittlerw. fast mehr noch an denen, die jegliche diplomatische Lösung als Teil einer Putin-Knechtschaft definieren, mindestens aber doch gehörige Naivität.

    Wozu diese Unterstellungen im einen wie im anderen? Wozu die Anmaßung, besser als der Betreffende zu wissen, was dieser denn nun WIRKLICH meint?

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