BR-Volleys Manager Niroomand wird 70 - "Für den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören gibt es keine goldene Regel"
Der Manager der BR Volleys, Kaweh Niroomand, hat seine Karriere nicht nur dem Volleyball gewidmet, sondern auch Berlin als Sportmetropole mitgeprägt. Anlässlich seines 70. Geburtstags spricht er über Lieblingsorte, Bauchentscheidungen und sein großes Erbe.
Kaweh Niroomand kam als Zwölfjähriger aus dem Iran nach Deutschland und entdeckte hier in der Schule seine Leidenschaft für Volleyball. Während seines Bauingenieur-Studiums zog er von Hannover nach Berlin. Dort spielte er im Verein, wurde später Trainer und schließlich Manager. Seit Jahrzehnten ist er ehrenamtlich im Volleyball aktiv und baute ein international erfolgreiches Team auf. Mit den Geschäftsführern der anderen Berliner Profiklubs setzt er sich zudem für den Spitzen- und Breitensport in der Hauptstadt ein.
rbb|24: Herr Niroomand, wer Sie in der Max-Schmeling-Halle finden will, muss nie lange suchen: Sie stehen immer an die Tribüne gelehnt in der Hallenmitte. Je nach Spielstand mit dem rechten Arm aufgestützt oder mit verschränkten Armen, nachdem sie während der Auszeit im Gang herumgetigert sind. Warum genau dieser Platz?
Kaweh Niroomand: Früher habe ich immer mit auf der Bank gesessen. Ich war ja selber mal Trainer. Die Nähe zur Mannschaft und direkt am Geschehen zu sein, hat mich immer gereizt. Irgendwann habe ich die Einsicht gewonnen, dass es besser ist, wenn ich nicht auf der Bank sitze und der Trainerstab dann auch wirklich ohne meine Nähe das Sagen hat. Deswegen habe ich mich zurückgezogen. Aber zu sitzen und ganz weit weg zu sein, war dann doch nicht das, was ich wollte. Insofern ist der Platz ideal. Ich bin nah dran, aber nicht zu nah.
Und Sie können einen Platz mehr in der Halle anbieten.
So ist das. (lacht)
In dieser Halle und vorher in der Sömmeringhalle haben Sie mit den BR Volleys 'zig Siege gefeiert. Die Meisterschale mussten Sie oft auch in der Halle des Finalgegners hochreißen. Gibt es einen Sieg, an den Sie sich besonders gerne zurückerinnern?
Das war der dritte Platz in der Champions League, den wir auch hier in der Max-Schmeling-Halle gefeiert haben [Saison 2014/15, Anm.d.Red.]. Das war schon großartig. Wir haben 2:0 zurückgelegen, dann das Spiel gedreht und hatten das entscheidende Spiel zuhause. Und dann natürlich der letzte Sieg aus der letzten Saison, der den 12. Meistertitel gebracht hat. Da war die Max-Schmeling-Halle innerhalb von drei Tagen komplett ausverkauft.
Wenn Sie Unternehmungen angehen, dann sind das meistens ziemlich große: Sie haben mehrere Berliner Volleyball-Abteilungen zu einem großen Verein fusioniert, sind aus einer kleinen Halle in eine Eventhalle umgezogen ... Gab es jemals einen Punkt, an dem Sie dachten, dass Sie sich übernommen haben?
Ich denke, ich arbeite schon mit Augenmaß. Das ist mir auch als Unternehmer so nicht passiert. Eher umgekehrt: Ich hatte in meinem Unternehmen häufig Diskussionen - gerade mit den Vertriebsleuten -, die dann Vieles versprachen und verkaufen wollten, was wir gar nicht hatten. Damit hätten wir vielleicht das Unternehmen an den Rand der Überlebensfähigkeit geführt.
Aber ich denke auch, man muss erstmal groß denken und dann von oben runterkommen. Das ist immer besser, als sich ganz unten zu verwurschteln und dann den Überblick zu verlieren.
Wenn Sie eine solche Entscheidung treffen: Ist das eine Kopf- oder Bauchentscheidung?
Eine absolute Bauchentscheidung. Erstmal Bauch und dann fängt der Verstand an zu arbeiten. Und dann arbeiten sie gegeneinander oder miteinander, und dann kommt etwas dabei raus.
Mit dem Umzug in die Max-Schmeling-Halle haben Sie aus einem Spiel der Volleys ein deutlich attraktiveres Event gemacht. Im Vergleich zu anderen Sportarten traut man sich beim Volleyball aber fast nicht aufzustehen, weil es nach einem Satz so schnell weitergeht. Ist das ein gutes Alleinstellungsmerkmal für die Sportpuristen oder hemmt das das Wachstum des Volleyballs?
Es war für uns eine ganz wichtige Angelegenheit, dass wir das Event so gestalten. Wir hatten eben nicht die Popularität der anderen Sportarten. Für uns war es wichtig, erstmal die Menschen in die Halle zu bekommen und ihnen dann zu zeigen, wie großartig dieser Sport ist. In jeder Sekunde passiert etwas.
Und drumherum haben wir von Anfang an etwas gebaut, damit es auch ein Erlebnis ist. Das, was in der Max-Schmeling-Halle passiert, ist – ohne uns jetzt zu groß zu machen – in der Volleyballwelt eine einmalige Erscheinung. Inzwischen sprechen alle Leute weltweit von dem, was wir hier anbieten. Und das ist auch das Ergebnis langer und harter Arbeit.
Die Volleyball-Bundesliga will in der kommenden Saison gleich mehrere Vereine in die oberste Spielklasse hochziehen, um dort dauerhaft mehr Teams zu etablieren. Für die Volleys werden das voraussichtlich mehr 3:0-Spiele gegen leichte Gegner. Was macht das mit dem Niveau der Liga?
Ich glaube, das ist langfristig die richtige Entscheidung. Beim Volleyball redet man immer davon, dass Berlin und Friedrichshafen führend sind. Wenn man sich die anderen Sportarten anschaut, ist das eigentlich nicht viel anders. Die Breite muss größer werden und damit die Möglichkeit geschaffen werden, dass Vereine nachrücken und nach oben kommen. Dann haben wir auch perspektivisch die Möglichkeit, eine gute Liga zu bauen.
Günter Trotz, ein langjähriger Wegbegleiter von Ihnen, sagt: "Es gibt einen Kaweh Niroomand. Den kann man nicht ersetzen." Direkt nach Gesundheit, wünscht er Ihnen zum 70., dass Sie nie aufhören. Sie haben ehrenamtlich viel Zeit in die BR Volleys gesteckt. Wie gehen Sie damit um, dass Sie Ihr Erbe irgendwann weiterreichen müssen?
Das ist eine schwierige Frage, weil es nicht wie ein Unternehmen ist, wo man sagt, dass man sich jetzt seinen Nachfolger aufbaut. Wobei man auch sagen muss, dass das Projekt BR Volleys wirklich nicht Kaweh Niroomand alleine ist. Das sind viele junge Leute, die im Hintergrund ganz kräftig mitarbeiten. In dem Moment, in dem ich das Gefühl habe, es geht nicht mehr voran, würde ich mir Gedanken machen.
Besonders im Sport gibt es immer wieder leidenschaftliche Diskussionen über den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören. Nach dem großen Titel oder so lange wie möglich oder an einem ganz gewöhnlichen Dienstag, weil es plötzlich keinen Spaß mehr macht. Glauben Sie, dass der Zeitpunkt irgendeinen Unterschied macht und es den richtigen Zeitpunkt gibt?
Nein, den gibt es nicht. Der kann gar nicht optimal sein. Viele Leute hören auf, wenn sie Erfolg haben und sagen: "Ich habe alles erreicht." Aber dann wird es noch süßer, und das ist das Treibende am Sport: Man kann nicht genug siegen. Und das ist der Schlüssel im Sport. Man muss mit den Niederlagen umgehen können, ganz klar. Aber der richtige Zeitpunkt zum Aufhören, ich glaube, da gibt es keine goldene Regel.
Was kann man einem Menschen, der eigentlich schon alles hat und das, was er hat, weitergibt, zum Geburtstag schenken?
Eine gute Feier (lacht) und gute Laune. Für mich sind menschliche Beziehungen wichtig. Wenn ich das Gefühl habe, man akzeptiert mich, ist offen, ehrlich und geht mit mir entsprechend fair um, sind das eigentlich die besten Geschenke.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lynn Kraemer, rbb sport.
Sendung: rbb|24 Abendschau, 04.12.2022, 19:30 Uhr