Ehemaliger Basketball-Bundestrainer - Wie Henrik Rödl seinen Job als Cheftrainer in der ägyptischen Liga erlebt
Henrik Rödl spielt mit Al Ittihad Alexandria ganz oben in der ägyptischen Liga mit. Dort ist er seit ein paar Monaten Cheftrainer. Die Alba-Legende gibt Einblicke in die Liga, den Stellenwert von Basketball in Alexandria und seine berufliche Zukunft. Von Lynn Kraemer
Um 7 Uhr Ortszeit meldet sich Henrik Rödl aus einem Sportklub. Er ist gleich zum Tennis verabredet. Noch trägt er eine schwarze Team-Deutschland-Steppjacke und ein Cap, aber aus den 16 Grad sollen im Laufe des Tages noch 23 Grad werden. Die Sonne ist in Alexandria sein Dauerbegleiter. Regen habe es erst ein paar Mal gegeben, erzählt Rödl. Seit Oktober lebt er in der ägyptischen Hafenstadt und arbeitet dort als Trainer des Erstligisten Al Ittihad Alexandria Basketball.
Nach einer Saison in der türkischen Liga hat Henrik Rödl den Job in Ägypten mitten in der laufenden Spielzeit übernommen. "Ich bin sehr froh, dass ich wieder eine Mannschaft habe. Und dementsprechend sind die Aufgaben so wie ich das gewohnt bin", sagt Rödl. Das bestehende Trainerteam hat er - genau wie seine Wohnung - von seinem Vorgänger übernommen. "Ich habe die Leute hier erstmal versucht kennenzulernen und das hat sehr, sehr gut geklappt. Es ist alles natürlich anders, aber alle sprechen Englisch und sind sehr nett, sehr herzlich."
Alles anders in Ägypten
Wer wissen möchte, was gerade in der ägyptischen Liga passiert, braucht gute Arabischkenntnisse und Geduld bei der Suche. Aber auch dann ist die Datenlage zur "Super League" schwierig. Übersichtsseiten mit Statistiken, die über die Spielergebnisse hinausgehen, gibt es beispielsweise nicht. Auch für Henrik Rödl war Ägypten im Basketballkontext vorher ein "unbeschriebenes Blatt". Er holte sich Rat vom Kanadier Roy Rana, der inzwischen Nationaltrainer der Ägypter ist, vorher aber dem damaligen Bundestrainer Rödl beim deutschen Olympiakader assistiert hatte. "Er hat mir viel von Ägypten erzählt und mich auch hier empfohlen", sagt der 53-Jährige.
Im Vergleich zur deutschen Liga gibt es deutlich mehr Pokale und Meisterschaften, an denen ein Team teilnimmt. Das Niveau der ägyptischen Topteams ist laut Rödl mit dem von den unteren Teams in der BBL vergleichbar. Ein wichtiger Unterschied: In jedem Team darf nur ein Ausländer spielen. Bei Al Ittihad ist das der Shooting Guard Kyndall Dykes. "Es erinnert mich so ein bisschen an den Basketball, mit dem ich groß geworden bin, mit nur einem Ausländer … vor hundert Jahren", sagt Rödl und lacht kurz. Der restliche Kader setzt sich aus der halben ägyptischen Nationalmannschaft zusammen.
Ein Titel ohne Siegesfeier
Aktuell führt das Team die Liga an. Einen Titel hat Rödl mit Al Ittihad schon gewonnen. Das Supercup-Finale gegen El Ahly ist für den Trainer dennoch mit einer traurigen Erinnerung verbunden: "Rein spielerisch waren wir deutlich überlegen. Zum Ende des dritten Viertels haben wir mit 23 Punkten geführt. Da sah es nach einem klaren Sieg aus, aber dann ist ein Teil der Tribüne abgestürzt." Etwa zwanzig Fans waren auf eine Plattform gestiegen, die eigentlich nur für eine TV-Kamera gedacht ist. "Da sind alle hingesprintet und haben versucht zu helfen und die Leute aus den Trümmern rauszuholen. Das waren dramatische Szenen. Und dann war klar, dass ein Spiel nicht mehr stattfinden kann", sagt Rödl.
Der Sieg wurde Al Ittihad später zugesprochen, weil der Gegner El Ahly auf eine Spielwiederholung verzichtete. Einer der betroffenen Fans liegt noch immer im Koma. Team und Trainer tragen seitdem bei allen Spielen T-Shirts, auf denen das Gesicht des jungen Mannes abgebildet ist. "Das war ein schlimmes Erlebnis. Deswegen feiert man den Sieg oder das zugesprochene Spiel auch nicht wirklich. Das ist eher am Ende etwas, wo man sich dran erinnern muss, es aber nicht gerne tut", erzählt Rödl.
Gewinnen ist Pflicht
Gegen El Ahly bestreiten Rödl und sein Team am Freitag auch ihr nächstes Ligaspiel. Der Gegner aus Kairo gilt als härtester Konkurrent. "Wenn man gegen die gewinnt, ist alles super", sagt Rödl. Dann seien alle superfreundlich. Aber auch sonst ist die Begeisterung für Basketball groß: "Die Fans sind völlig aus dem Häuschen, wenn wir spielen." Die Erwartungen von außen sind klar: Al Ittihad muss gewinnen. Rödl muss gewinnen. Bisher ist ihnen das gelungen.
Und auch neben dem Job, der für Henrik Rödl die meiste Zeit einnimmt, hat er Zeit gefunden, die Stadt kennenzulernen. Jeden Morgen geht er zum Training am Meer entlang. Die Halle ist nur wenige Minuten von der Bibliotheca Alexandria entfernt. "Mir gefällt es hier sehr. Es macht mir viel Spaß und es ist eine Riesenlebenserfahrung, hier zu sein", sagt Rödl.
Im Mai werde er schauen, wie es weitergehe. Über den deutschen Basketball und seinen alten Verein Alba Berlin informiert er sich weiter: "Der Assistent Thomas Päch gibt mir immer wieder ein Update, wie es läuft. Natürlich auch privat. Ich bin ganz gut auf dem Stand." Ob es in der nächsten Saison bei Ägypten bleibt oder es ihn in eine andere Liga zieht, lässt Rödl offen. Nur die Bäume vermisst er. Davon gebe es in Alexandria zu wenige.
Sendung: rbb24, 19.01.2023, 21:45 Uhr