Vor dem Bundesliga-Start - Diese Dinge werden für Hertha BSC in der zweiten Saisonhälfte wichtig
Hertha BSC startet am Samstag mit dem Spiel gegen den VfL Bochum wieder in die Bundesliga-Saison. Fünf Bereiche, in den sich die Berliner verbessern müssen, um aus der Abstiegszone herauszukommen. Von Marc Schwitzky
1) Späte Gegentore vermeiden
"Wir wären doch bescheuert, wenn wir uns nicht damit beschäftigen würden", sagte Hertha-Trainer Sandro Schwarz der "Bild". Gemeint sind die vielen späten Gegentore, die die Berliner in der laufenden Saison kassiert haben. In den bislang 15 gespielten Partien musste Hertha fünf Treffer in der Schlussviertelstunde hinnehmen - dadurch gingen insgesamt acht Punkte verloren, mit denen der Klub auf Rang neun stünde. Trainer Schwarz machte die Flut der schmerzhaft späten Gegentore daher auch im Trainingslager zum Thema. "Wir haben das in den Testspielen bewusst von außen angesprochen, ab der 80. Minute im Kopf noch wachsamer und cleverer zu sein. Du musst am Ende dein Spiel an das Ergebnis auf der Anzeigetafel anpassen."
Laut Schwarz müsse seine Mannschaft nicht alles spielerisch lösen, sie könne den Ball auch "nach vorn kloppen und auf den zweiten Ball gehen. Und wenn du denkst, es geht dir gut, darfst du nicht an Körperspannung verlieren, sondern musst noch mal fünf Prozent draufpacken." Mehr Entschlossenheit und Konzentration sollen der Schlüssel dafür sein, sich nicht ständig um den eigenen Lohn zu bringen - eines der Kernthemen der bisherigen Saison von Hertha.
2) Ballbesitzspiel kreativer gestalten
Hertha hat die zwei immens wichtigen Partien gegen den FC Augsburg und Schalke 04 gewonnen. Dennoch wurde in den Spielen sichtbar, in welchem Bereich der Hauptstadtklub womöglich noch die größte Luft nach oben hat: das Entwickeln eines Ballbesitzspiels. Sobald Hertha in die Situation kommt, das Spiel aufziehen zu müssen, wird es äußerst zäh. Die Mannschaft tut sich sehr schwer, tiefstehende Gegner zu bespielen und nicht selbst aus einer Umschaltsituation heraus, torgefährlich zu werden. Die bisherige Faustregel: Je mehr Ballbesitz Hertha in einem Spiel hat, desto weniger Torgefahr strahlt die Mannschaft aus.
Wohl auch nicht ohne Grund wählte Hertha für sein USA-Trainingslager vermehrt unterklassige Gegner für die Testspiele aus. "Im Ballbesitz und dem eigenen Offensivspiel müssen wir mehr Gefahr und Präzision entwickeln", stellte Trainer Schwarz vor der Reise nach Florida klar. Nun ist klar, dass das Aufziehen eines fluiden, stets konstruktiven Ballbesitzspiels die wohl schwerste Aufgabe ist - zumal Trainer Schwarz erst seit ein paar Monaten im Amt ist. Es ist also ein Prozess, jedoch einer, der noch in der laufenden Saison erste Früchte tragen sollte.
3) Konter sauber ausspielen
Auf dem Weg zu einem gut funktionierenden Umschaltspiel ist Hertha jedoch schon deutlich weiter, Trainer Schwarz hat seine Spielphilosophie bereits erkennbar umsetzen können: Hertha ist einer der konterstärksten Teams der Liga. Besonders in der Ball-Eroberung scheinen bereits viele von Schwarz geforderten Automatismen zu greifen. Der gegnerische Ballbesitz wird oftmals konsequent in die gewünschten Zonen gelenkt, um dann die Pressingfallen zuschnappen zu lassen und selbst in die Offensive umschalten zu können.
So weit, so gut. Auch wenn einige Konter Gefahr ausstrahlen, fehlt es oft an der entscheidenden Präzision. Immer wieder erspielt sich Hertha aussichtsreiche Angriffssituationen, nur um dann auf frustrierende Art und Weise den Ball wieder herzuschenken. Meistens ist es der vorletzte oder letzte Pass, der nicht ankommt und einen zunächst guten Vorstoß zunichte macht. Die Lieferkette hin zu Mittelstürmer Wilfried Kanga ist immer wieder gestört, es kommen zu wenig Bälle beim Abschlussspieler an. Hier muss Schwarz seinen Spielern noch klarere Lösungswege aufzeigen.
4) Standardsituationen nutzen
Auch bei Standardsituationen hakt es. Hertha hat in der laufenden Saison noch kein Tor nach einem Freistoß oder einer Ecke erzielt. Bereits in den vergangenen Jahren hatten die Blau-Weißen große Probleme damit, aus einer Situation mit ruhendem Ball zu punkten. Marvin Plattenhardt brillierte in der Endphase der Vorsaison darin, seine Kollegen per Standard in Szene zu setzen - doch unter Trainer Schwarz blieb der Effekt bislang aus.
Im Trainingslager in den USA war Hertha aufgrund Plattenhardts Fehlen dazu gezwungen, anderen Spielern die Verantwortung für die Standardsituationen zu übertragen. Womöglich konnten sich also Akteure wie Marco Richter für das Amt des Standardspezialisten empfehlen.
5) Das Team weiter stabilisieren
Oliver Christensen im Tor, Marc Oliver Kempf und Agustin Rogel in der Innenverteidigung, rechts hinten Jonjoe Kenny, im Mittelfeld Suat Serdar und Lucas Tousart, im Angriff Wilfried Kanga und Dodi Lukebakio – acht der insgesamt elf Positionen bei Hertha scheinen derzeit fest besetzt. Trainer Schwarz und Manager Fredi Bobic ist es in den vergangenen Monaten gut gelungen, eine Mannschaftsachse zu etablieren. Auf und neben dem Feld scheint eine blau-weiße Einheit heranzuwachsen, die es in dieser Geschlossenheit seit Jahren nicht mehr gegeben hat.
In der Restsaison gilt es, diese Achse weiter zu festigen und auch auf den übrigen Positionen für Klarheit zu sorgen. Dazu gehört auch, weiter an der Führungsriege zu schrauben. Mit Marvin Plattenhardt und Kevin-Prince Boateng werden sowohl der Kapitän als auch sein Vize den Verein am Saisonende verlassen. Somit wird es unabdingbar sein, eine neue Führungsachse zu finden. Tousart und Kempf haben sich in den vergangenen Monaten als mögliche Leitwölfe empfohlen, auch Christensen und Lukebakio gelten mittlerweile als Wortführer. Sie müssen weiter gefördert werden, um allmählich die Zeiten des Umbruchs hinter sich zu lassen - etwas, wonach sich Hertha und sein Umfeld sehnen.
Sendung: rbb|24 Inforadio, 17.01.2023, 16.15 Uhr