Union im Europa-League-Achtelfinale - Vom Glücksengel geküsst

Fr 24.02.23 | 08:39 Uhr | Von Till Oppermann
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Berlins Robin Knoche applaudiert mit Josip Juranovic (r) nach dem Sieg und Einzug in das Achtelfinale. (Quelle: dpa/Andreas Gora)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.02.2023 | Jakob Rüger | Bild: dpa/Andreas Gora

Nach dem Einzug von Union Berlin in das Achtelfinale der Europa League stellt sich die Frage: Wie glücklich war der Sieg gegen Ajax Amsterdam? Klar ist: Mehrere Neuzugänge hatten großen Anteil. Von Till Oppermann

In Deutschland sind die Kirchen auf dem absteigenden Ast. Aber auch wenn immer weniger Menschen sonntags im Gottesdienst sitzen: Sobald Ereignisse unerklärlich werden, müssen oft weiter biblische Bezüge herhalten. Wer es nicht mit dem 1. FC Union Berlin hält, wird sich nach dem Sieg gegen Ajax Amsterdam vielleicht fragen, welchen Pakt mit dem Teufel die Eisernen eingegangen sind, dass sie es mittlerweile seit Jahren schaffen, vermeintlich stärkere Gegner zu schlagen. Wer den Sieg in Bierlaune in der Kneipe gefeiert hat, ist wahrscheinlich eher beim Partyschlager 'Mich hat ein Engel geküsst' gelandet. Beim 1. FC Union scheint das der Fall gewesen zu sein.

"Wir hatten ganz, ganz, ganz viel Spielglück"

Denn wie Union nach einer dominanten Ajax-Hälfte mit einer 2:0-Führung in die Pause gehen konnte, wusste wahrscheinlich noch nicht einmal Trainer Urs Fischer. Er sagte nach dem Spiel im RTL-Interview lachend: "Wir hatten ganz, ganz, ganz viel Spielglück."

Zum Beispiel ab der 16. Spielminute: Nachdem die Gäste das Spiel mit hohem Tempo begonnen hatten, erkämpfte sich Union endlich eine Ecke. Josip Juranovic brachte den Ball etwas zu hoch in die Mitte, Danilho Doekhi gelang es nur mit Mühe, irgendwie zurück in die Minute zu köpfen. Aus kurzer Distanz traf er den weit abgespreizten Arm von Ajax-Verteidiger Calvin Bassey – den fälligen Elfmeter gab es aber erst einige Minuten später, nach Videobeweis. Robin Knoche schoss den Strafstoß halbhoch und relativ zentral. Ajax-Keeper Geronimo Rulli kam zwar dran, lenkte den Ball aber dann ins eigene Tor.

Noch kurioser war das zweite Tor der Gastgeber. Direkt, nachdem Ajax' vermeintlicher Ausgleich durch eine Abseitsstellung verhindert wurde, nahm sich Juranovic ein Herz und schoss mit seinem schwächeren linken Fuß aus der Distanz. Rulli rutschte der langsame Schuss unter der Hand durch und plötzlich stand es 2:0 für Union. Drei zu fünf Torabschlüsse, nur 67 Prozent erfolgreiche Pässe und 30 Prozent Ballbesitz: Ajax dominierte, Union führte.

Union verteidigt zu passiv

Ohne diese Fügungen hätte der Spielstand wohl anders ausgesehen. Die jederzeit torgefährlichen Amsterdamer waren sich nach dem Spiel jedenfalls einig. Sowohl Kapitän Dusan Tadic als auch Davie Klaassen sagten: "Wir waren besser." Rein fußballerisch muss man das wohl so sehen. Allerdings konnten die Gäste ihre Stärken im Kombinationsspiel auch ausspielen, weil Union ungewohnt passiv agierte. Gerade in der ersten Halbzeit ließ die Fischer-Elf einige ihrer viel gelobten Stärken vermissen. "In der ersten Hälfte mussten wir leiden", analysierte der Trainer.

Selbst schuld. Die Berliner zogen sich unnötig tief in die eigene Hälfte zurück. Anstatt in der gewohnten 5-3-2-Staffelung konsequent gegen den Ball zu schieben, ließ sich die Mannschaft eher in eine 5-4-1-Formation fallen. Anstatt die Ajax-Verteidiger im Aufbau zu stören, mussten Sheraldo Becker und Kevin Behrens immer wieder im eigenen Strafraum aushelfen. In der Konsequenz hatten die Amsterdamer keine Mühe ins Angriffsdrittel zu spielen, genau die Zone, in der die Offensivkünstler um Tadic ihre Stärken auf engem Raum haben.

Wenig Entlastung und viel Leid

Unter der sehr defensiven Positionierung litt auch das Angriffsspiel. Man habe mit dem Ball zu viele Fehler gemacht, kritisierte Fischer zwar, aber seine Defensivtaktik machte es den Spielern nach Ballgewinn nicht leicht. Dadurch, dass Union noch tiefer verteidigte als sonst, waren lange Bälle oft das einzige Mittel. Kevin Behrens konnte diese selten kontrollieren. Auch, weil das Mittelfeld den weiten Weg aus der eigenen Hälfte zurücklegen musste, um Druck auf zweite Bälle auszuüben. Selten konnte Union den Ball in der ersten Halbzeit länger als drei Sekunden in der gegnerischen Hälfte halten, so gab es wenig Entlastung und viel Leid für die Spieler.

Den Ballverlust von Knoche vor dem Abseitstor von Kudus sollte man in diesem Kontext sehen. Auf der Suche nach Anspielstationen dribbelte der Innenverteidiger zu lange durch die Mitte, verlor dabei den Ball und fehlte dann hinten, als Ajax auf direktem Weg Richtung Unions Tor spielte. Erst als Ajax nach dem 3:1 noch offensiver spielte, kam Unions Angriff ins Rollen – immer wieder wurde der schnelle Becker geschickt.

Individuell deutlich besser besetzt als in der Vorsaison

Und trotzdem ist der historische Achtelfinaleinzug - über beide Spiele gesehen - verdient. Das hängt auch mit der Zusammenstellung der Mannschaft zusammen. Rechtsverteidiger Juranovic ist das beste Beispiel: Sein Tempo in der Offensive, sein Tor und auch seine Ecke vor dem 3:1 durch Doekhi beweisen seine Klasse in der Vorwärtsbewegung. Dass mit ihm, Aissa Laidouni und Jerome Roussillon alle drei Winterneuzugänge spielten und zu den Leistungsträgern gehörten, ist angesichts des hochgelobten Sport-Geschäftsführers Oliver Ruhnert keine Überraschung mehr.

Nimmt man den Torschützen Doekhi dazu, der im Sommer verpflichtet wurde, ist klar: Union ist in dieser Saison individuell nochmal deutlich besser besetzt als in der Vorsaison. "Man sieht einfach, dass wir uns Stück für Stück weiterentwickeln", erklärte Robin Knoche.

Siege wie der gegen Ajax sind längst nicht mehr so sensationell, wie sie sich anfühlen. Die Spiele von Union sind zwar optisch selten attraktiv, aber Fischer hat ein Team geformt, das jeden schlagen kann, wenn es den Prinzipien treu bleibt. Nach dem Spiel zählte er lobend auf: "Die Mannschaft hat Bereitschaft, Wille und Mentalität gezeigt." Und als es kurz nicht so lief, hat vielleicht auch ein Glücksengel Union geküsst. Der Verein sorgt im vierten Jahr als Bundesligist in ganz Europa für Aufsehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.02.2023, 21 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

15 Kommentare

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  1. 15.

    Auf geht's nach München.
    Drüchen wir die Daumen, dass der Lauf, kein Spiel zu verlieren, bei den Bayern fortgesetzt wird.

  2. 14.

    "[...] Götzenanbetungen scheint in dieser Woche Hochkonjuntur zu haben.
    Heute Union, gestern für die Ukraine. [...]"

    Was stimmt denn bei Ihnen nicht?!?

  3. 13.

    Nu machen se mal halblang, Kolleje. Uns Trainer Urs Fischer meinte nach dem Spiel "Wir hatten ganz, ganz, ganz viel Spielglück." Er ist, in Interviews und überhaupt, sicher einer der kritischsten, aber auch realistischsten Trainer. Daher ist diese Einschätzung zum Spiel, die auch Oppermann gut wiedergegeben hat, schon richtig so. Abseits dessen hat die Mannschaft wieder alle Tugenden auf den Platz gebracht, die sie so erfolgreich macht. Das wurde doch überhaupt nicht in Abrede gestellt.

    Urs Fischer muss sich in letzter Zeit wohl häufig mal kneifen, um den Erfolg seiner Mannschaft selbst zu begreifen. Darauf deutet auch die Verwendung des Begriffs "surreal" hin, den er bereits mehrfach verwendet hat, ;)

  4. 12.

    Der größte Erfolg, international und das gegen Ajax, und Sie kommentieren das mit, Union hat Glückskeckse gefrühstückt. Hut ab
    EISERN

  5. 11.

    Ich weiß auch nicht, was für ein Spiel Herr Oppermann gesehen hat? Union hat das Spielglück abgezockt ausgenutzt. Herr Oppermann, kommentieren sie Hertha, und lassen das mit UNION.
    EISERN

  6. 10.

    Ehrlichen Glückwunsch an die Uniioner . gute Leistung ! Und Ajax ist nicht gerade jemand den man so im Vorbeigehen weghaut . Das hat schon Klasse !

  7. 9.

    Danke für den gut geschriebenen Artikel, Till Oppermann. Und ja, natürlich hat der FCU gestern auch einen dicken "Engelskuss" bekommen - sei es bsw. beim "knappen" Elfer von Knoche oder dem "Schüßchen" von Jura. ;) Aber insgesamt hat die Mannschaft, trotzdem sie nicht ihr allerbestes Spiel gezeigt hat, eine starke Leistung geboten und immerhin die "Totaalvoetbal" Mannschaft von Ajax Amsterdam im Ergebnis dann doch deutlich geschlagen. Das zeugt wieder mal vom viel beschworenen Mannschaftsgeist des FCU, der in dieser Ausprägung selten zu finden ist.

    Apropos Juranovic: Ich hab's ja schon bei seiner Verpflichtung gesagt, dass er, wer er sich bei uns erstmal (r)eingespielt hat, zum Flanken-, Ecken- und Freistoßgott avancieren könnte. Er ist auf dem besten Weg dorthin. Und auch Laidouni - schon super stark im Hinspiel - und Roussillon sind absolut Verstärkungen für Fischers Plan, mittelfristig das 'Spiel mit dem Ball' auszubauen. Top!

  8. 8.

    Trotz des 3:1 Sieges der Unioner gegen Ajax Amsterdam, findet der Schriftsteller noch ein Haar in der Suppe: "Union verteidigt zu passiv".
    Egal, Herzlichen Glückwunsch, Union.
    P.S. Ich bin gespannt, was der Schriftkundige über das Hertha-Spiel schreibt.
    Ich kann ich erinnern, dass es dort selbst Klatschen schön schrieb.

  9. 7.

    Trotz des 3:1 Sieges der Unioner gegen Ajax Amsterdam, findet der Schriftsteller noch ein Haar in der Suppe: "Union verteidigt zu passiv".
    Egal, Herzlichen Glückwunsch, Union.
    P.S. Ich bin gespannt, was der Schriftkundige über das Hertha-Spiel schreibt.
    Ich kann ich erinnern, dass es dort selbst Klatschen schön schrieb.

  10. 6.

    Hätte schlimmer kommen können.
    Union spielt gegen Union Saint-Gilloise.

    Viel Glück!

  11. 5.

    "Wichtig ist doch der Einzug ins Achtelfinale. Auch wenn vermeintliche Fachleute meinen es wäre mehr Glück als Können. 3:1 ist gegen Ajax ist nicht nur Glück." Genau! Was zählt, ist das Ergebnis! Glückwunsch an Union!

  12. 4.

    „Ohne diese Fügungen hätte der Spielstand anders ausgesehen“. Die Fügungen an der Stelle waren, dass Ajax da einfach schlecht war und Union das eiskalt genutzt hat. Andersrum ist es Ajax eben nicht gelungen, auf die Schwächen von Union stark zu reagieren. Ajax war eine sehr kampfstarke Mannschaft und das 3:1 insgesamt sicherlich glücklich. Den Sieg runterzureden entspricht nicht den Tatsachen. 1 Tor muss mindestens für die Fans gegeben werden - die Stimmung in der Alten Försterei war unfassbar!

  13. 3.

    "Vom Glücksengel geküsst"?
    Bin ich jetzt in einer Bibel-Stunde gelandet? Götze und Teufel?
    Götzenanbetungen scheint in dieser Woche Hochkonjuntur zu haben.
    Heute Union, gestern für die Ukraine.
    Union hat 3:1 gewonnen, ohne Götzen, sondern durch spielerisches Können, durch die Geschlossenheit der Mannschft, durch Siegeswillen.
    Ich hoffe, dass sich das auch im Spiel gegen Menschen zeigt.

  14. 2.

    Glückwunsch nach Köpenick. Das Spiel habe ich zwar nicht gesehen, aber selbst wenn Union nicht so spielte wie immer: Wenn man Ajax in 180 Minuten mit 3:1 schlägt, dann ist es verdient. Und da steht ja auch immer ein Gegner auf dem Platz, da kann man nicht immer gleich spielen.
    Man hat bei Union schon seit Jahren sehr sehr viel richtig gemacht, würde ich mir für mein Team auch mal wieder wünschen. Leider kein Derby in der nächsten Saison, höchstens im Pokal.

  15. 1.

    Wichtig ist doch der Einzug ins Achtelfinale. Auch wenn vermeintliche Fachleute meinen es wäre mehr Glück als Können. 3:1 ist gegen Ajax ist nicht nur Glück.

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