Gehörloser Läufer bei Special Olympics - Jann Rathenow lebt den olympischen Gedanken
Am Samstag beginnen die Special Olympics in Berlin. Mit dabei ist der Berliner Mittelstreckenläufer Jann Rathenow, der trotz seiner Gehörlosigkeit als ganz normaler Athlet wahrgenommen werden möchte - sein Verein macht es bereits vor.
Vom 17. bis zum 25. Juni finden die Special Olympics World Games – die weltweit größte Sportveranstaltung mit dem ziel der Inklusion - in Berlin statt. 7.000 Athleten aus 190 Nationen treffen aufeinander, um sich sportlich zu messen und auch die gesellschaftliche Entwicklung durch Begegnungen und Sichtbarkeit voranzutreiben.
Wie Inklusion funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Jann Rathenow. Der 37-jährige Berliner ist gehörlos und seit vielen Jahren erfolgreicher Mittelstreckenläufer. Seit 2004 trainiert er beim Potsdamer Laufklub – eine Trennung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung fand in all den Jahren nie statt. Rathenow ist ein fester Bestandteil des Vereins.
"In unserer Trainingsgruppe ist er ein ganz normales Mitglied"
Zu Gast beim Potsdamer Laufklub e.V., wo Rathenow seit 2004 trainiert. Eine Trennung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung hat in all den Jahren nie stattgefunden, Rathenow ist seit jeher ein fester Bestandteil des Vereins. "In unserer Trainingsgruppe ist er ein ganz normales Mitglied, wir müssen uns nur in der Kommunikation etwas mehr mit ihm auseinandersetzen", erklärt Rathenows Trainer Detlef Claus. "Wir haben es mit Jann schon gelebt, da wussten wir noch gar nicht, dass es das Wort 'Inklusion' gibt. Über die Jahre sind Freundschaften entstanden, es gibt eine große Wertschätzung."
In der Beobachtung des Trainings wirkt die Laufgruppe erstaunlich homogen, Grüppchenbildung oder große Leistungsunterschiede sind nicht zu erkennen. Rathenow ist voll und vorne mit dabei – kein Wunder, 2015 gewann er bei den Specials in Los Angeles über 800 Meter Bronze. "Jann ist ein toller Athlet. Er ist sehr ehrgeizig, hat immer das Bedürfnis, vorneweg zu laufen und der Erste zu sein", so Trainer Claus. "Er musste nun, da er schon über Mitte 30 ist, lernen, dass die Kraft der Jugend ein klein wenig nachlässt und man dadurch noch einmal mehr tun muss. Sein Ehrgeiz ist sein Schlüssel zum Erfolg."
Eine besondere Form der Kommunikation
Wie Rathenow mit seinen Mitmenschen kommuniziert, ist besonders. Er scheint seine eigene Zeichensprache entwickelt zu haben, die an die Gebärdensprache erinnert. Mimik, Hände, Füße – alles wird genutzt, um die Nachricht zu überbringen.
"Mit der Zeit lernt man gewisse Zeichen kennen und anders zu kommunizieren. So versteht man mit der Zeit, wenn er kommuniziert, dass es zum Beispiel etwas langsamer oder schneller sein soll", erklärt Laufpartner Aaron Hornschild. "Er hat zum Beispiel auch ein Sonderzeichen für unser Trainingslager in Portugal, das jeder kennt, der dabei war." Für Trainer Claus sei jene Form der Kommunikation schwer zu erklären, "da das Alltag für uns ist." Der Umgang mit Rathenow sei in all den Jahren etwas völlig Selbstverständliches geworden. Neuankömmlinge in der Laufgruppe würden sich zunächst über Rathenows spezielle Kommunikation wundern, sich jedoch schnell anpassen.
Rathenow will eine Medaille
Trainer Claus ist "wahnsinnig stolz", dass Rathenow auch dieses Mal bei den Special Olympics antritt. "Die größte Hürde – die Qualifikation – haben wir schon geschafft. Dafür hat er hart gekämpft." Der Mittelstreckenläufer hat sich das feste Ziel gesetzt, nach 2015 die nächsten Medaillen zu erlaufen. "Die Zeiten, die er aktuell läuft, passen", zeigt sich Trainer Claus zuversichtlich, auch wenn er auf den wichtigen Faktor der Tagesform hinweist.
"Dabei sein ist alles" - so das olympische Motto. Für Jann Rathenow hat es sich mit dem Potsdamer Laufklub e.V. im doppelten Sinne – sportlich und gesellschaftlich – bewahrheitet.
Sendung: Inforadio, 16.06.2023, 22 Uhr