20.000 Volunteers in Berlin - Was die Helfer bei den Special Olympics antreibt

Do 22.06.23 | 19:48 Uhr | Von Shea Westhoff
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Volunteers
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Video: ARD | 22.06.2023 | Frank Stuckatz | Bild: IMAGO/GEPA pictures

Die Special Olympic World Games sollen eine Bühne bieten für Athleten, die diese sonst wohl nicht hätten. Das funktioniert nur, weil rund 20.000 Menschen freiwillig beim reibungslosen Ablauf der Spiele helfen. Wer sind die Volunteers und was motiviert sie? Von Shea Westhoff

Wenn man für die Special Olympics World Games das Bild eines riesigen Dampfers bemüht, der sich gerade in Form von zahlreichen Sport- und Festivalevents durch die Hauptstadt schiebt, dann ist Saal 5.2 in der Messe Berlin der Maschinenraum. Die stärksten Athleten treten hier zu den Kraftdreikampf-Wettbewerben an. Die Stimmung kocht, der Lärmpegel ist extrem. Im Messeraum, der nicht viel größer sein dürfte als ein Basketballfeld, drängeln sich die Zuschauer nebeneinander auf den Rängen und grölen, angestachelt vom Moderator, zum Gassenhauer "Sweet Caroline".

In vorderster Reihe erheben sich nun jubelnd fünf Mitglieder der US-Delegation und recken eine riesige Stars-and-Stripes-Flagge in die Höhe - denn ihr Star betritt nun die Bühne: Brian Beirne, Gewichtheber von der Ostküste. Er legt sich auf die Hantelbank, greift die silberne Langhantel, die im ersten Durchgang mit 90 Kilo schweren Gewichten bestückt ist. Beirne stemmt sie in die Höhe, die Menge johlt.

"Eine richtige Kraft, die hier herrscht"

Wer in dieser Szene fast etwas untergeht, sind die beiden jungen Männer in lila T-Shirts, die links und rechts vom Gewichtheber stehen, ihn mit anfeuern und vor allem: ihre Hände jeweils unweit der beiden Hantelstangen-Enden positioniert haben, um die Gewichte aufzufangen, falls der Athlet das Sportgerät unter der Last fallen lässt.

Einer von ihnen ist Peter Meier, ein drahtiger, groß gewachsener Chiemgauer, der sich die gesamte Woche freigenommen hat, um bei den Special Olympics als Volunteer dabei zu sein. Der 33-jährige Betriebswirt ist bei den Powerliftern im sogenannten Competition Management tätig. Heißt: In der Warm-up-Area hinter der Wettkampfbühne betreut er die Athleten bei den letzten Trainings und ist auf der Bühne für die Sicherheit der Athleten und den "sauberen Ablauf", wie er sagt, zuständig. "Und ich versuche auch, wenn es gewollt und möglich ist, die Athleten mit anzufeuern, um sie zu ihren Bestleistungen und vielleicht auch darüber hinaus zu motivieren."

Peter MeierVolunteer Peter Meier ist aus Bayern angereist

Meier genießt die Stimmung, die insbesondere bei den Powerlifting-Veranstaltungen herrsche. Am Dienstag seien die Leute vor der Halle angestanden und konnten nicht mehr hineingelassen werden, so groß war der Andrang. "Es ist ein unglaublicher Spirit, eine richtige Kraft, die dort herrscht."

Was ihn unter anderem als Helfer im Powerlifting qualifiziert: Meier war einst Profi-Eishockeyspieler bei zahlreichen bayerischen Klubs, und in den Saisonvorbereitungen habe klassisches Gewichtheben dazugehört.

Die Volunteers könnten entscheidend werden

"Ich will einen kleinen Beitrag dafür leisten, dass die Leute hier die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen". Das Thema Beeinträchtigung stehe zu sehr "am Rande der Gesellschaft". Der Mann aus Rosenheim fügt an: "Es ist das größte internationale Multisportevent in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972. Daran teilzuhaben ist auch schon ein Ansporn für sich."

Meier gehört bei den Sportspielen für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung zu den rund 20. 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern – eine enorme Zahl, die nach den Spielen entscheidend dafür sein könnte, dass ein hehres Ziel des Veranstalters – mehr Inklusion - tatsächlich über das Event hinaus in die Gesellschaft getragen werden.

Fachleute geben Gesundheitstipps

Am anderen Ende des Messegeländes hat sich in einem großen Gebäudekomplex der Stützpunkt "Healthy Athletes" eingerichtet. Im Inneren herrscht ein reges Durcheinander wie in einer Markthalle. Athleten können hier in mehreren Stationen unter verschiedenen Mottos wie Kraft, Ausdauer und körperlicher Gesundheit ohne Anmeldung vorbeischauen und sich Untersuchungen unterziehen, um ihren Fitnesszustand zu erfahren und Tipps für eine gesündere Lebensweise zu erhalten.

Dieses Serviceangebot an die Athleten aus 190 Nationen ist möglich, weil Fachleute wie Ärztinnen, Therapeuten oder Ernährungscoaches ihren Urlaub für den freiwilligen Dienst nehmen.

Dem Sport etwas zurückgeben

"Ich will, dass alle Menschen Zugang zu Gesundheit haben", sagt Anna Kaczerowsky, die den Stand unter dem Motto "Händewaschen" betreut. Die Berliner Gynäkologin instruiert gerade einen brasilianischen Boccia-Athleten – auf portugiesisch, was sie fließend spricht: Ziel sei es demnach, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie wichtig das Händewaschen ist – und was alles an unreinen Rückständen übrigbleibt, wenn man es nicht gründlich macht. Nachdem der Athlet seine Hände einmal ordentlich mit Desinfektionsmittel gereinigt hat, steckt er seine Hände in einen Kasten mit UV-Licht: seine Hände leuchten blau, also schön sauber, an den Fingerspitzen sind aber noch dunkle Rückstände - schmutzige Stellen.

Den Leuten, die hierhin kommen, werde im Alltag oft das Wissen vorenthalten, was eine gesunde Lebensführung eigentlich bedeutet und wie wichtig diese ist, so die Ärztin. "Dafür ein Bewusstsein zu wecken, dafür bin ich hier", sagt die Berlinerin.

Ein paar Meter weiter ist Helga Reinhold am Stand für die Messung der Knochenelastizität: Dafür hält man seinen nackten Fuß in ein Schuhkarton-großes Gerät, in dem zwei Bolzen links und rechts sanften Druck auf den Knöchel ausüben. Ist das hinterher ausgedruckte Diagramm grün hinterlegt, ist alles in Ordnung - ist es rot, droht Osteoporose.

Warum opfert die Westfälin ihre Freizeit? "Meine Tochter hat eine geistige und körperliche Behinderung", erzählt Reinhold. Und: Ihr Kind ist begeisterte Skifahrerin. In der Disziplin Abfahrt hatte sie im Jahr 2013 die Möglichkeit, bei den Special Olympics World Winter Games teilzunehmen. "Sie wurde so gut betreut, es war ein großartiges Erlebnis", sagt Reinhold. Als Volunteer könne sie dem Sport nun etwas zurückgeben. Dem Sport etwas zurückgeben, ein Satz, der nachhallt. Und nur eine von 20.000 Motivationen ist.

Sendung: Abendschau, 22.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

2 Kommentare

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  1. 2.

    Volunteers sind nichts anderes als Freiwillige, die in diesem Fall den Ablauf der Sportspiele mit absichern, die Sportler/innen betreuen u.ä.

  2. 1.

    Was heißt "Volunteer"?

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