Unions Niederlage in Leipzig - Wie eine schlechte Kopie von sich selbst
Fußball-Bundesligist Union Berlin verliert bei Rasenball Leipzig und zeigt sich hinterher nur mäßig enttäuscht. Warum das durchaus berechtigt ist, aber gerade auch Gefahren birgt. Von Ilja Behnisch
Manchmal ist es selbst nach so etwas Banalem wie einem Fußballspiel ja gar nicht so leicht, die richtigen Worte zu finden. Nach dem Gastspiel des 1. FC Union Berlin bei RB Leipzig (0:2) hingegen ließ sich relativ schnell zumindest ein Wort finden: Joa.
Das fing schon beim Wetter an. Der Himmel über Leipzig, er weinte an diesem Sonntagabend. Und das vor, während und nach der Partie. Vielleicht weil statt der offiziell 44.032 Zuschauer, die Karten für die Begegnung hatten, laut "WareZuschauer" [twitter.com/WareZuschauer] nur 28.581 Zuschauer zugegen waren im Stadion von Rasenball. Eine Diskrepanz von rund 33 Prozent ist das, die sich damit erklären lässt, dass eine Vielzahl von Rasenball-Gängern eine der oft recht günstigen Dauerkarten erstanden haben vor der Saison, ohne sie dauernd zu nutzen. Und so kommt es, dass die alt-ehrwürdige, ehemals Zentralstadion genannte Bühne gegen Bayern München und Borussia Dortmund aus allen Nähten platzt. Gegen eher unattraktive Mannschaften jedoch akute Zugluft-Gefahr heraufbeschwört.
Ein Blick in den Veranstaltungskalender der Stadt Leipzig verrät, dass zumindest die Freizeit-Konkurrenz an diesem 4. Februar 2024 eher nicht das Problem war. Wer das Analogfilm-Doppel im Luru-Kino [externer Link] sehen wollte ("Das Bambuscamp der Frauen" und "Die 13 Söhne des gelben Drachens"), interessiert sich vermutlich ohnehin weniger für Fußball. Weshalb also der Verdacht nahe liegt, dass der Abstiegskandidat Union Berlin als nicht sonderlich attraktiver Gegner gewertet wurde von den Rasenball-Gängern. Und auch wenn man Ihnen das "No-Show" generell übel nehmen wollte, in diesem Fall musste man ihnen durchaus Recht geben.
Ausgerechnet Gegentore nach Standards
Union lief im klassischen 5-3-2 zwar wieder viel herum und häufig auch solche Räume zu, in denen potentiell allerlei Leipziger Gefahr hätte entstehen können. Doch es ergab sich vor allem nach dem frühen Rückstand durch Lois Openda (11. Minute) der Eindruck, es fehle am letzten bisschen Überzeugung, am unbedingten Willen, den Ball und womöglich auch gleich noch den Gegner aufzufressen. Kurzum, Union Berlin sah im Leipziger Februar 2024 über weite Strecken so aus wie eine Mannschaft, die die Unioner Mannschaft aus dem Februar 2023 zu imitieren versuchte.
Wie erfolglos dieser Versuch war, zeigt sich auch daran, dass die beiden Tore der Leipziger letztlich in Folge von Standard-Situationen fielen. Standards waren lange Zeit eine gefürchtete Waffe der Berliner. Standards haben einen festen Platz im Vereins-Museum und der Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Wenn spielerisch wenig ging, und das ging es oft, ging oft genug ein Standard. Nun also, im Angesicht der hässlichen Fratze Abstiegskampf, kehrt sich dieses Motiv um. Was umso ärgerlicher ist wenn man bedenkt, dass die Unterschiede in der individuellen Klasse zweier Mannschaften bei ruhenden Bällen noch am wenigsten ins Gewicht fallen sollten.
Ziemlich viel "Joa"
So richtig wütend darüber wollte zumindest von den Union-Spielern hinterher keiner werden. Die diversen Aussagen von Kevin Vogt bis Robin Knoche dazu lassen sich getrost mit eingangs erwähntem "Joa" zusammenfassen. Von einem Bonus-Spiel in Leipzig war noch die Rede und davon, dass es nun vor allem am kommenden Mittwoch wichtig werde, beim Nachholspiel in Mainz (18:30). Nun kann man das unter Pragmatismus oder Realismus oder Professionalität abheften. Oder aber als Schnoddrigkeit, die noch gefährlich werden könnte.
Denn es herrscht recht viel "Joa" dieser Tage rund um Union Berlin. Da ist Präsident Dirk Zingler, der zu Protokoll gibt, an den Gerüchten eines eher belasteten Verhältnisses zwischen Teilen der Spieler und Trainer Nenad Bjelica sei nichts dran. Schließlich habe kein Spieler das Gespräch bei ihm gesucht. Da sind die eher spät und dann auch homöopathisch vorgetragenen Treuebekenntnisse zu eben jenem Bjelica nach dessen Unsportlichkeit im Spiel bei Bayern München. Und dann ist da noch der Fußball.
Klick doch mal da
Man hätte "drei, vier, fünf kriegen können", so der überragende Alexander Schwolow, der erstmals für Union in einem Pflichtspiel zwischen den Pfosten stand und den erkrankten Stammtorhüter Frederik Rönnow ersetzte. Man hätte aber auch "ein, zwei machen können, wenn wir es besser ausspielen", so Schwolow. Und tatsächlich gab es eine Phase kurz nach der 60. Minute, in der Union gegen nachlässig werdende Leipziger zu zwei verheißungsvollen Ansätzen kam. Doch erst vertändelte Aissa Laidouni, dann Kevin Volland. Und vor allem Volland schien mit der eigentlich sehr guten 3:2-Überzahl-Situation überhaupt nichts anfangen zu können.
Wie in fast allen Offensiv-Aktionen der Berliner war auch in dieser Szene nichts von Automatismen zu spüren im Angriff. Grundsätzlich war der Plan zwar offenkundig: Steilpässe auf die schnelle Doppelspitze aus Benedict Hollerbach und Neuzugang Yorbe Vertessen. Doch der Weg aus der sehr tief stehenden Verteidigung in den Sturm war weit. Viele Laufwege wirkten eher spontanen Eingebungen geschuldet denn einstudiert. Und so war es für die Leipziger Verteidigung zumeist ein leichtes, im Gegenpressing zuzuschnappen. Ein wenig spielte Union auf das Leipziger Tor, wie Normalsterbliche an Computer-Probleme herangehen. Schonmal ausschalten probiert? Klick doch mal da.
Und so passte es in diesen irgendwie pflichtschuldig absolvierten Abend aus Berliner, dass selbst die momentan obligatorische Spiel-Unterbrechung wegen Fan-Protest eher auf der Schmalspur daherkam. Statt über 30 Minuten Pause wie am Tag zuvor bei der Hertha, brachten es die Union-Fans in Leipzig auf wenige Minuten. Selbst die Bälle waren kleiner (aber dafür bunter). Was sagt man dazu? - Joa.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.02.2024, 09:15 Uhr