Absage eine Stunde vor Beginn - Wie Boxerin Nina Meinke mit dem kurzfristig geplatzten WM-Kampf umgeht
Anfang März sollte in Puerto Rico der bislang größte Kampf von Boxerin Nina Meinke steigen – dann sagte ihre Gegnerin diesen eine Stunde vor dem Start ab. Die Folgen: Frust und Unverständnis, sieben Tage Fieber und viel Feuer für einen zweiten Anlauf.
Nina Meinke war bereit. Die Berliner Boxerin hatte sich bereits umgezogen, saß in schwarzer Kampfkleidung und mit gut getapten Händen in ihrer Kabine im großen Colosseum von San Juan. Rund 18.000 Zuschauer warteten Anfang März im weiten Rund der Arena in Puerto Ricos Hauptstadt gespannt auf den wichtigsten Kampf des Abends.
Die von erwartungsvoller Spannung geprägte Geräuschkulisse drang schon eine gute Stunde vor dem Kampf bis in die Katakomben vor, stimmte Nina Meinke ein auf den größten Kampf ihrer Karriere. Vier Weltmeistertitel wollte die 31-Jährige der Lokalmatadorin Amanda Serrano an diesem Samstagabend streitig machen. Aber auch Meinke musste in ihrer Kabine noch warten, auf das übliche Überprüfen von Handschuhen und Kampfkleidung, wie sie dachte.
Monatelange Vorbereitung, aber kein Kampf
Dann aber kam alles anders: Eine Stunde vor dem Start des Kampfes sagte der Promoter von Amanda Serrano diesen in der Kabine ihrer deutschen Kontrahentin ab. Mit einer dubiosen Augenverletzung erklärte das Team der Puerto-Ricanerin die Absage und sorgte so für einen Kampfausfall, der selbst gemessen an den Standards des schillernden Boxsports außergewöhnlich ist. Für Nina Meinke war es ein Schock, der auf unterschiedliche Arten nachwirkte und wirkt. Zum einen, indem er sie mental wie physisch erst einmal aus der Bahn warf. Zum anderen, indem er ihre Entschlossenheit, Amanda Serrano irgendwann doch noch im Ring zu schlagen, potenzierte.
Gut drei Wochen nach ihrem außergewöhnlichen Abend von San Juan ist Nina Meinke zurück in Berlin. In schwarze Sportklamotten gekleidet, sitzt sie auf einer gepolsterten Bank in ihrem Wilmersdorfer Studio. Mit wachen Augen und einem Lächeln auf dem Gesicht blickt sie zurück – angefangen mit der Zeit vor ihrem Kampf, der keiner werden sollte. "Es gab drei Monate lang nur Amanda Serano in meinem Kopf", erinnert sich Meinke.
Kein Wunder, schließlich dominierte Serrano zuletzt im Federgewicht der Frauen, gewann 46 ihrer 49 Kämpfe und hat die WM-Titel von gleich vier großen Box-Verbänden inne. "Amanda ist sowas wie der Endgegner", sagt Meinke, die sich entsprechend akribisch auf den Abend des 2. März vorbereitet hatte. "Ich habe jeden Tag trainiert, habe Weihnachten und Neujahr ausfallen lassen, war zur Vorbereitung zwei Monate in der Karibik", erzählt Meinke und ergänzt: "Es gab nichts anderes mehr für mich als den Kampf, und ich wollte auch gar nichts anderes mehr im Kopf haben."
Auf Chemie im Auge folgt Fieber im Bett
Umso größer waren die Ungläubigkeit und die Folgen der Absage des Kampfes. "Es war wie in einem schlechten Film. Ich war völlig baff", erinnert sich Meinke. Zumal die Begründung aus dem Lager von Amanda Serrano für die Absage kaum skurriler hätte sein können: Am Donnerstag hatte sich die Puerto-Ricanerin – wie bei Boxerinnen üblich – die Haare zu sogenannten Braids flechten lassen. Am Freitag sei ihr dann beim Joggen eine Mischung aus Schweiß und einem chemischen Haarprodukt ins Auge geflossen. Zum abendlichen Wiegen kam Serrano mit Sonnenbrille, setzte diese dann aber zwischenzeitlich ab.
Dass der Kampf anschließend erst einen Tag später und eine Stunde vor dem Start abgesagt wurde, wirkt ähnlich kurios wie die Tatsache, dass beim Flechten von Braids üblicherweise gar keine chemischen Mittel zum Einsatz kommen. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Serranos Absage quittiert Nina Meinke mit einem Lächeln, lässt sie dann aber weitestgehend unbeantwortet.
Ob glaubwürdig oder nicht, die Absage des Kampfes warf Meinke zumindest kurzzeitig aus der Bahn. "Ich hatte echt damit zu kämpfen", erzählt sie. Schließlich warteten die gezielt aufgebaute Anspannung und das Adrenalin vergeblich darauf, im Kampf wieder abgebaut zu werden. "Ich bin erstmal richtig krank geworden und habe Fieber bekommen." Sieben Tage lang war Meinke außer Gefecht, ehe es zurück in ihren Berliner Alltag ging. Ein "besonders schwerer" Schritt, wie sie mit etwas Abstand sagt. Nicht zuletzt, weil Meinke nun ein zweites Mal für ein und denselben Kampf trainiert – ohne überhaupt genau zu wissen, ob und wann er nachgeholt wird.
Neue Motivation für den erhofften zweiten Anlauf
Die Klärung dieser Fragen liegt wohl in erster Linie in den Händen von Amanda Serrano und ihrem Team. Allen voran, weil Nina Meinke den Kampf unbedingt nachholen will und dies auch immer wieder betont. "Das steht mir zu und mein Promoter ist schon an der Arbeit", sagt sie mit Nachdruck und nun ungleich ernsterem Gesichtsausdruck. Dass Meinke immerhin die vorab ausgehandelte Börse für ihren Kampf in voller Höhe ausgezahlt bekommen hat, ändert auch nichts daran, dass dessen Absage ein zusätzliches Feuer in ihr entfacht hat.
"Wir waren bislang sehr respektvoll und freundlich bei unseren Treffen", sagt Meinke, die Amanda Serrano im Vorfeld des geplanten Kampfes gar einen Berliner Bären als Geschenk überreichte. Der Respekt werde zwar auch nach der kuriosen Absage vom Monatsanfang bleiben, sagt Meinke, "aber jetzt ist es schon persönlich, weil da eine echt blöde Nummer abgezogen wurde".
Dann macht die Berlinerin eine kurze Pause, scheint gedanklich für einen Moment in die Katakomben des ausverkauften Colosseums von San Juan zurückzureisen und sagt schließlich mit einem vielsagenden Grinsen: "Jetzt habe ich nochmal eine ganz andere Motivation. Leichter wird es für Amanda jetzt auf keinen Fall werden."
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.03.2024, 16:15 Uhr