Hertha BSC vor Spiel in Karlsruhe - Gut gelaunt in den Schlussspurt
Der Sparkurs geht auf, die Mannschaft gewinnt und spielt dabei sogar guten Fußball. Vor dem Spiel beim Karlsruher SC sieht die Hertha-Welt rosig aus wie lange nicht mehr. Allerdings geht es dem Gegner da ganz ähnlich. Von Ilja Behnisch
Fünf Fakten zum Spiel
- Beide Teams sind seit vier Spielen ungeschlagen
- Karlsruhe stellt den ältesten Kader der Liga, Hertha den zweitjüngsten
- Die Fan-Freundschaft beider Fanlager währt bereits über 47 Jahre
- Bei Hertha-Spielen fallen in dieser Saison die meisten Zweitliga-Tore (108), Karlsruhe folgt auf Rang drei (101)
- Hertha-Torhüter Marius Gersbeck kehrt an seine alte Wirkungsstätte zurück; für den KSC absolvierte er genau 100 Pflichtspiele
So läuft es sportlich beim Karlsruher SC
"Aktuell habe ich gar nichts zu bruddeln", so Gegner-Experte Niklas Scheuble. Was eine gute Sache ist aus seiner Sicht, schließlich ist "bruddeln" badisch und bedeutet so viel wie meckern. Kein Wunder, möchte man anfügen, schließlich ist der Karlsruher SC vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC (Sonntag, 21. April, 13:30 Uhr) Dritter der Rückrunden-Tabelle und zumindest in dieser Hinsicht drei Punkte und drei Plätze vor dem Hauptstadt-Klub.
Dass es so gut läuft, "war in der Hinrunde nicht abzusehen", so Scheuble. Noch nach dem 16. Spieltag stand der KSC auf Rang 14 und nur einen Punkt vor dem Relegationsplatz. Seither hat sich vor allem defensiv viel getan, insbesondere nachdem Trainer Christian Eichner von Mitte Februar an durchgehend im Mittelfeld auf eine Doppelsechs vertraut. "Seither stehen wir stabiler", so Scheuble.
Trotzdem ist die Defensive das aktuelle Sorgenkind der Karlsruher. Mit Innenverteidiger Robin Bormuth und Linksverteidiger David Herold fehlen zwei Stammkräfte verletzt. Vor allem Herolds Ausfall wird gegen die Hertha schmerzen, vermutet Scheuble. Dessen Ersatzmann Philip Heise habe zwar "offensiv seine Qualitäten, defensiv aber immer wieder seine Schwächen".
Das bewegt die Fans
Nachdem es im November 2022 im Rahmen eines Karlsruher Heimspiels zu einer Choreographie mit Pyrotechnik gekommen war, in deren Zuge zehn Menschen Verletzungen erlitten, folgte eine vom Fanprojekt Karlsruhe organisierte Aussprache zwischen Fans und Betroffenen.
Die Polizei erfuhr davon und lud die Fanprojekt-Mitarbeiter anschließend als Zeugen vor. Die drei betroffenen Sozialarbeiter allerdings verweigerten die Aussage und verwiesen auf die Vertraulichkeit der Gespräche und ihrer Arbeit. Ordnungsgelder wurden verhängt, die Staatsanwaltschaft drohte zwischendurch gar mit Beugehaft. Mitte März ist der Fall mit Strafbefehlen von jeweils 120 Tagessätzen à 60 Euro zu einem vorläufigen Ende gebracht worden. Wobei die aktive Fanszene sowie Fanprojekte in dem Vorgehen einen Präzedenzfall sehen, der weit über Karlsruhe hinausgeht.
Auf diesen Spieler muss Hertha achten
Der 21-Jährige Igor Matanovic ist nicht nur kroatischer Junioren-Nationalspieler, sondern mit zwölf Treffern auch achtbester Torschütze der aktuellen Zweitliga-Saison. Die 1,94 Meter große Leihgabe von Bundesligist Eintracht Frankfurt habe sich "sensationell entwickelt", so Gegner-Experte Niklas Scheuble. Neben ihm wirbelt der georgische Fan-Liebling Budu Zivzivadze, der sich mit seinem Heimatland sensationell für die kommende Europameisterschaft in Deutschland qualifiziert hat.
Die absolute Stütze des Karlsruher Offensiv-Spiels jedoch sei Paul Nebel, so Scheuble. Der "technisch versierte, kreative Strippenzieher" des KSC ist ebenfalls eine Bundesliga-Leihgabe und kehrt im Sommer zurück zu seinem Stammverein Mainz 05. Neben Nebel sei allerdings auch Mittelfeldkollege Marvin Wanitzek zu beachten, so Scheuble. Der 30-Jährige spiele "seit Jahren auf einem unfassbaren Niveau", weshalb es für ihn "eigentlich unverständlich ist, warum der noch nicht Bundesliga spielt."
So könnte Hertha spielen
Die Stimmung bei der Hertha ist gut wie lange nicht. Selbst Trainer Pal Dardai hat seine zwischenzeitliche Aversion gegen Pressekonferenzen wieder abgelegt. Auf der Spieltagspressekonferenz vor der Partie in Karlsruhe scherzte der Ungar angesichts des erfolgreichen Sparkurses des Vereins: "Ich habe 25 Millionen Euro bestellt und die möchte ich im Sommer ausgeben und investieren."
Nun müsste überhaupt erstmal geklärt werden, ob Dardai in der kommenden Saison noch Trainer der Hertha sein will oder soll. Sicher hingegen ist, dass er bis dahin mit dem Kader vorlieb nehmen muss, der ihm aktuell zur Verfügung steht. Dass der zuletzt so in Schwung kam und beim souveränen Heimspiel-Erfolg gegen Hansa Rostock eine der besten Leistungen der jüngeren Vergangenheit zeigte, lag laut Dardai auch am veränderten Training. Ein "bisschen altmodischer" sei es gewesen, so Dardai, für den die Wirkung sichtbar gewesen sei: "Die letzten Wochen habe ich mehr Szenen gesehen, wo die Mannschaft wirklich nach vorn verteidigt und nicht mit Sicherheitsabstand, sondern mit Körpereinsatz gespielt hat."
Und auch wenn Dardai noch betonte, dass es "auswärts wieder eine andere Geschichte" sei, weil man da "eine lange Reise" mache und nicht zu Hause schlafe, wolle er wohl zumindest an der Startelf keine Änderungen vornehmen. Einziger Wackelkandidat ist dabei Linksverteidiger Michal Karbownik, der mit Knieproblemen kämpfe.
Herthas mögliche Startelf: Ernst - Kenny, Kempf, M. Dardai, Karbownik - Zeefuik, P. Dardai, Barkok - Winkler, Reese, Tabakovic
Die Prognose
Der Tipp des Gegner-Experten: "Wir werden nicht nur auf den Rängen, sondern auch auf dem Platz ein richtig cooles Spiel sehen. Und da werden wir auf den Außenbahnen echt Probleme haben, wird es viele Tore geben. Ich tippe auf ein 3:2 für den KSC."
Der Redaktionstipp: Form schlägt Klasse, besagt eine alte Sport-Weisheit. Weil aber beide Teams bestens drauf sind, setzt sich die individuelle Qualität von Fabian Reese und Co. durch. Hertha siegt 3:2.
Sendung: rbb24, 19.04.2024, 22 Uhr