Fußball-Bundesliga - Union ist gezwungen zu punkten gegen beflügelte Bayern
Union Berlin ist wieder auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet und muss gegen den Abstieg ankämpfen. Nach Köpenick kommt nun ein auferstandener FC Bayern München, den die Unioner auf dem Weg nach Wembley ärgern wollen.
Fünf Fakten zum Spiel
- Union Berlin hat in den vergangenen sieben Bundesliga-Spielen nur einmal gewonnen
- Null Tore erzielte Union in den vorigen drei Partien
- Nur drei Punkte trennen den Klub vom Relegationsplatz
- Gegen den FC Bayern hat Union noch nie gewonnen
- Im Hinspiel sah Nenad Bjelica Rot - es blieb der einzige Platzverweis gegen einen Trainer in der laufenden Saison
So läuft es sportlich bei Bayern München
Andi Mailhamer, Autor beim Bayern-Fan-Blog "Mia san rot", ist auch am Tag nach dem gewonnenen Viertelfinal-Rückspiel gegen FC Arsenal noch erstaunt über die Leistung seines Lieblings-Teams. Zuversichtlich sei er im Vorfeld der Partie nicht gewesen – doch jetzt: "Ich bin überrascht, das zu sagen, aber sie sind auch wirklich verdient weitergekommen."
Gegen die Londoner habe der Mannschaft in die Karten gespielt, "dass sie das Spiel nicht selbst machen musste", sondern es eher um eine stabile Verteidigung ging, um "dann schnell umzuschalten", sagt Mailhamer. Das sei gut aufgegangen. Der Lohn ist der Einzug ins Halbfinale, wo es nun den Dauerrivalen Real Madrid zu schlagen gilt, um nach 2013 ein weiteres Mal ein Champions-League-Finale in Wembley spielen zu können.
Abgesehen davon war es für den Rekordmeister bislang ein vermaledeites Jahr. Schon fünf Rückrunden-Pleiten. Darunter die richtungsweisende 0:3-Niederlage gegen Bayer Leverkusen. Auch die wacklige Abwehr, welche sicherlich nicht zuletzt einigem Verletzungspech geschuldet war, ließ die Werkself im Titelrennen schließlich enteilen. Und bei der Zusammenarbeit mit dem erhofften Heilsbringer an der Seitenlinie, Thomas Tuchel, zog der Vorstand im Februar vorzeitig die Reißleine: Ab Sommer geht man getrennte Wege.
In der Liga war es also eine Saison zum Vergessen. Nun gehe es darum, sich weiterzuentwickeln, betont Mailhamer. Und eine Formation zu finden, die den anstehenden Aufgaben in der Champions League gewachsen ist. Entwicklungspotenzial bieten die Bayern dabei genug. So war auch der jüngste 2:0-Sieg in der Bundesliga gegen den Abstiegskandidaten 1. FC Köln eher glücklich eingefahren. "Es hätte es auch gut und gerne in die Hose gehen können, wenn Faride Alidou sein Zielwasser getrunken hätte", sagt Mailhamer.
Das bewegt die Fans
Wer steht ab Sommer an der Seitenlinie? Wieder heiß begehrt ist der erst vor einem Jahr geschasste Julian Nagelsmann. Der amtierende Bundestrainer dürfte sich allerdings gut überlegen, ob er die unter ihm wiedererstarkte Nationalmannschaft für den brandheißen Trainerstuhl beim zuletzt undankbaren FC Bayern München zu tauschen bereit ist.
Reihenweise sagten die anderen möglichen Trainerkandidaten ab (Rangnick, Klopp) oder verlängerten ihre laufenden Verträge bei ihren Vereinen (Hoeneß, Xabi Alonso). "Ich denke, dass es Nagelsmann wird", sagt Mailhamer. Aber nicht nur aufgrund mangelnder Alternativen: "Ich hatte den Eindruck, dass er damals ein bisschen in den Bundestrainer-Job gedrängt werden musste." Und: "Er hat einfach ein unfinished business in München."
Auf diesen Spieler muss Union achten
"Jamal Musiala ist immer noch der Mann, der es bei den Bayern richten muss", sagt Mailhamer. Zumal Harry Kane derzeit seiner Hochform hinterherläuft und Leroy Sané noch nicht hundertprozentig fit ist. Kingsley Coman wird gegen Union weiterhin verletzungsbedingt fehlen. "Im Dribbling ist Musiala extrem stark." Für Union gelte es, ihn zu bändigen.
Doch auch wenn Kane – untypisch für ihn – zuletzt zwei Spiele ohne Treffer blieb, sei mit ihm "natürlich immer zu rechnen".
So könnte Union spielen
Ausgerechnet jetzt muss Union Berlin also gegen den FC Bayern München antreten, wo der entthronte Rekordmeister nach seinem Halbfinal-Einzug in der Königsklasse neuen Mut gefasst hat – während es für die Köpenicker in der heißen Saisonphase immer enger wird.
Immerhin wissen es spätestens seit dem emotionalen Weckruf des Cheftrainers Nenad Bjelica nun wirklich alle: Für die Unioner ist die Gefahr eines Abstiegs noch längst nicht gebannt. "Das muss in die Köpfe, wir sind im Abstiegskampf", polterte Bjelica vorige Woche nach dem trägen Auftritt seiner Mannschaft in Augsburg und der hochverdienten 0:2-Niederlage. Am Donnerstag bekräftigte Bjelica: "Ich schlage Alarm, bevor es zu spät ist. Wir sind weiter im Abstiegskampf und müssen bis zur letzten Runde kämpfen."
Für Union verfinsterte sich die tabellarische Situation Woche für Woche, es gab ja nur einen Sieg aus den vergangenen sieben Ligaspielen, bei fünf Niederlagen. Mit tatkräftiger Hilfe der Keller-Konkurrenten hat die Mannschaft sogar das wohl nicht ganz angestrebte Kunststück fertiggebracht, den Vorsprung auf den Relegationsplatz innerhalb der letzten beiden Partien von komfortablen neun Punkten auf bedrohliche drei Zähler schmelzen zu lassen. Größte Schwachstelle ist der Angriff: Union verfügt mit lediglich 25 Treffern über die zweitschlechteste Offensive.
Gegen die Bayern steht dem Trainer erstmals seit Langem der gesamte Kader zur Verfügung. Stürmer Yorbe Vertessen sowie die Abwehrspieler Jerome Roussillon und Josip Juranovic sind zumindest wieder im Training.
"Wenn ich Trainer vom Bayern München wäre, würde ich sicherlich ans Halbfinale gegen Real Madrid denken. Das hat Priorität. Wir wollen das alles ausnutzen", sagte Union-Coach Nenad Bjelica vor der Partie selbstbewusst.
Mit Neugier wird überdies das Wiedersehen des Trainers mit Leroy Sané erwartet. Diesem hatte Bjelica im Hinspiel zweimal rüde ins Gesicht gefasst, nachdem der Offensivspieler für einen Einwurf nach dem Spielgerät verlangte, das Bjelica nicht herausrücken wollte. Der Kroate musste danach drei Partien von der Tribüne verfolgen.
Unions mögliche Startelf: Rönnow - Doekhi, Vogt, Leite - Trimmel, Khedira, Haberer - Aaronson, Schäfer - Volland, Hollerbach
Die Prognose
Der Tipp des Gegner-Experten: "Es wird eine eher zähe Partie, in der am Ende die Individuelle Qualität den Unterschied macht, 2:0 für Bayern", sagt Andi Mailhamer.
Der Redaktionstipp: Union Berlin gelingt ein 1:1 gegen Münchner, deren Fokus nicht mehr ganz auf der Bundesliga liegt.
Sendung: DER TAG, 19.04.2024, 19:15 Uhr