Positives Betriebsergebnis - Hertha BSC hat verstanden – doch der Druck bleibt
Hertha BSC musste sich aufgrund massiver finanzieller Schwierigkeiten einem extremen Sparkurs unterziehen. Die Konsolidierung trägt nun erste Früchte, doch der Hauptstadtverein darf sich keine Sekunde darauf ausruhen. Von Marc Schwitzky
Hertha BSC kann das erste Mal seit langer Zeit kurz aufatmen. Nicht nur, weil dem Hauptstadtverein nach Jahren des absoluten Chaos die sportliche Stabilisierung in der 2. Bundesliga gelungen ist. Nicht nur, weil sich das erste Mal seit langem eine echte Achse in der Mannschaft etabliert hat, die den Verein wieder zu schätzen weiß und Identifikation für die Fans schafft. Und nicht nur, weil die "alte Dame" unter dem im Januar verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein wieder geeint wurde und ihren Anhängern endlich wieder mehr Kraft spendet als sie nimmt.
Nein, am Dienstag folgte eine weitere positive Meldung. Es ist die eigentlich Wichtigste seit langer Zeit, denn ohne sie wären alle eben genannten Entwicklungen ohne längeren Bestand: Hertha BSC wird für die Saison 2023/24 ein positives Betriebsergebnis (EBITDA) erzielen – vereinfacht gesagt: Die Einnahmen übersteigen die Ausgaben dieser Spielzeit. Eine Meldung, die es aus der Hanns-Braun-Straße viele Jahre nicht mehr gegeben hat und die Hoffnung weckt.
Die Konsolidierung geht auf
Das operative Ergebnis werde in einem einstelligen Millionenbereich liegen, verkündete der Verein. Das liegt daran, dass Hertha seit der Rückrunde 2022/23 Gesamteinsparungen bei Personal- und Sachkosten von über 70 Millionen Euro erzielt hat. Darüber hinaus haben die Berliner laut eigenen Angaben zinstragende Verbindlichkeiten in Höhe von 25 Millionen Euro zurückgeführt. Jene Kennzahlen müssen allerdings noch etwas mit Vorsicht genossen werden: Hertha gibt jenes Betriebsergebnis noch vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen an. Die letztendliche Bilanz wird also noch etwas getrübt.
Und dennoch spricht sie dafür, dass der eingeschlagene Konsolidierungskurs Herthas aufgeht. Das liegt zum einen an Geschäftsführer Thomas E. Herrich, der zusammen mit Ex-Präsident Bernstein den letzten Moment zum Betätigen der Bremse gefunden hat, bevor der stolze Traditionsverein die Klippe in die Existenzbedrohung heruntergefallen wäre. Herrich hat einen schonungslosen Sparkurs aufgesetzt, der Personal- und Sachkosten auf unvergleichliche Weise heruntergeschraubt hat. Ein Prozess, der knapp 80 Entlassungen zur Folge hatte und den Herrich selbst als "schwerste Zeit" seiner beruflichen Laufbahn beschrieben hat.
Der "Berliner Weg" und Investor 777 als wichtige Bausteine
Es muss noch einmal herausgestellt werden, wie groß der Effekt jenes Sparkurses schon heute ist: Während das aktuelle Betriebsergebnis leicht positiv ausfallen wird, hatte Hertha in der Abstiegssaison 2022/23 noch einen Verlust von 99 Millionen Euro verzeichnet – eine gruselige, weil existenzbedrohende Bilanz.
Dass die Blau-Weißen nun erstmals etwas aufatmen können, liegt neben dem Sparkurs an vor allem zwei Faktoren. Zum einen am "Berliner Weg" – das vom Verein ausgerufene Konzept, das mehr auf Nachhaltigkeit, Bodenständigkeit und das stärkere Einbinden der eigenen Nachwuchsakademie setzt. Sportdirektor Benjamin Weber geht jenen Weg konsequent, verschlang der Profikader in der Abstiegssaison noch 80 Millionen Euro, betragen die Gehaltskosten in der laufenden Spielzeit nur noch etwas mehr als 30 Millionen Euro.
Zum anderen hat Investor 777 Partners einen riesigen Anteil am wirtschaftlichen Gesundungsprozess des Klubs. Das US-Unternehmen stieg im März 2023 mit 78,8 Prozent der Anteile bei Hertha ein und hält sich seitdem – anders als Vorgänger Lars Windhorst - verlässlich an den Investitionsplan. Vom Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro wurden bislang fristgerecht 75 Millionen Euro investiert. Geld, ohne das Hertha kaum überlebt hätte.
Eine schwarze Wolke über Hertha
"Die Maßnahmen haben jetzt gegriffen. Aber die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen und erfordert weiterhin viel Disziplin", sagte Geschäftsführer Herrich bereits beim letzten Finanzbericht Herthas im Oktober 2023. Worte, die sich exakt auch auf die derzeitige Situation übertragen lassen – Hertha geht wichtige Schritte, doch der Weg zur finanziellen Gesundung ist noch lang.
Nach den zurückgeführten 25 Millionen Euro beträgt der Berg an Verbindlichkeiten immer noch 70 Millionen Euro. Das liegt zu einem großen Anteil an einer Anleihe, die Hertha eigentlich schon 2023 hätte zurückzahlen müssen, dafür allerdings eine Verlängerung bis November 2025 durchbringen konnte, um die aktuelle Saison finanzieren zu können. Die Nordic-Bond-Anleihe betrug ursprünglich 40 Millionen Euro, aufgrund eines erhöhten Zinssatzes von 10,5 Prozent, der bereits jetzt vierteljährlich ausgezahlt wird, wird die Rückzahlung aber insgesamt deutlich teurer gewesen sein. Es ist die schwarze Wolke, die über der alten Dame schwebt – nach wie vor ist unklar, wie Hertha einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zurückführen soll.
Finanzieller Rahmen wird nicht besser
Ein weiteres Problem ist Herthas Einnahmesituation. Der Abstieg aus der Bundesliga hatte arge Konsequenzen. Zwar konnten die Hauptstädter ihren Zuschauerschnitt aus der 1. Liga halten, einen Rekordzuwachs an Mitgliedern verzeichnen und auch im Merchandise große Erfolge feiern, doch die Einnahmen aus den TV-Geldern schrumpften empfindlich. In Zahlen: Kassierte Hertha als Erstligist in der Saison 2022/23 noch 47,5 Millionen Euro aus dem DFL-TV-Vertrag, sind es 2023/24 in Liga zwei nur noch 22,3 Millionen Euro. Für kommende Saison können aufgrund des wahrscheinlichen Zweitligaverbleibs knapp 20 Millionen Euro erwartet werden - ein weiterer Einschnitt.
Klar ist: Mit den momentanen Einnahmemöglichkeiten wird Hertha weder wirklich gesunden, noch die Anleihe bedienen können. Der historisch gewachsene Apparat eines solch großen Traditionsvereins ist schlicht zu groß – irgendwann sind Einsparungen kaum noch möglich, um das Tagesgeschäft nicht zu gefährden. Und an wirklich große Gewinne ist in Liga zwei auch nicht zu denken, zum einen aufgrund der geringen TV-Gelder, zum anderen, weil Spielerverkäufe hier nicht so große Dimensionen annehmen wie im Oberhaus.
Hertha nahm nach dem Abstieg rund 30 Millionen Euro für abgegebene Spieler ein, doch ist solch eine Summe bei einem so großen Umbruch und mit Erstligaspielern eher zu erzielen. Soll heißen: Hertha wird in Liga zwei nicht noch einmal annähernd so viel Geld mit Verkäufen einnehmen können. Das Gehaltsniveau wird ebenfalls ähnlich bleiben.
Zum Aufsteigen verdammt
Quintessenz jener Gedanken ist: Hertha BSC ist zum Aufsteigen verdammt, wenn die finanzielle Konsolidierung jemals einen zufriedenstellenden Abschluss finden soll. Steht die aktuelle Saison noch unter dem Stern der sportlichen Stabilisierung, wird es der kommenden nur um die Erstligarückkehr gehen können. Geschäftsführer Herrich bezeichnete den Aufstieg bis spätestens 2025 im Podcast "Hertha Base" als "alternativlos". Hertha kann sich den Zweitligaalltag kaum leisten, das Betriebsergebnis knapp über die schwarze Null zu drücken, ist das Höchste der Gefühle – dabei braucht es dringend große Gewinne, um Anleihen und Verbindlichkeiten bedienen zu können. Der Druck bleibt.
So befinden sich die Hertha-Verantwortlichen in einem Dilemma. Sie müssen einen aufstiegsfähigen Kader für die kommende Saison zusammenstellen – und dürfen gleichzeitig nicht mehr Geld ausgeben. Bei einzelnen Spielern wie Marc-Oliver Kempf oder Deyovaisio Zeefuik ist bereits klar, dass sie den Klub im Sommer verlassen müssen, da ihre Gehälter ein zu großes Loch in den Geldbeutel brennen. Zudem könnten verlockende Angebote für einzelne Akteure eingehen, die Hertha nur schwer wird ablehnen können – doch kann sich Hertha im Jahr der Aufstiegsambitionen den Verlust von Leistungsträgern kaum erlauben. Es ist ein Balanceakt zwischen sportlichen Notwendigkeiten und finanziellem Risiko. Dass Risiko nicht mit Unvernunft gleichzusetzen ist, scheint der Verein nun verstanden zu haben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.04.2024, 17:15 Uhr