Interview | Landrat über Elbe-Elster-Klinikum - "Wir liegen bei 50 Prozent Auslastung"
Wie viele kleine Krankenhäuser steckt das Elbe-Elster-Klinikum in der Krise. Hohe Kosten, weniger Patienten und der Fachkräftemangel führen zu finanziellen Problemen. Im Interview spricht Landrat Christian Jaschinski (CDU) über eine mögliche Lösung.
Das Elbe-Elster-Klinikum hat Probleme. Am Dienstag kommen die zentralen Akteure des regionalen Gesundheitswesens zu einer Konferenz zusammen, darunter die Kassenärztliche Vereinigung, der Rettungsdienst, der Klinik-Aufsichtsrat, aber auch Bürgermeister und andere Politiker.
Der Landkreis als Träger des Klinikums teilte mit, dass bei der Konferenz Empfehlungen an den Kreistag erarbeitet werden sollen. Der kommt in der nächsten Woche zu einer Sondersitzung zusammen.
Laut einem Bericht des Klinik-Geschäftsführers erwarten das Haus in diesem Jahr erhebliche finanzielle Belastungen. Hohe Energiepreise und die Inflation hätten zu einem Kostenanstieg im zweistelligen Prozentbereich geführt. Zugleich würden die Einnahmen wegbrechen, da Personal fehle und es immer weniger Patienten gebe. Ärztliche Honorarkräfte, also eingekauftes Fremdpersonal, sei teuer, aber nötig, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. "Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich erheblich", heißt es in der Mitteilung des Landkreises.
rbb|24: Herr Jaschinski, Sie haben die Situation im Elbe-Elster-Klinikum zur "Chefsache" erklärt. Wie ernst ist die Lage?
Christian Jaschinski: Wir sind in der glücklichen Situation, ein Klinikum zu haben, in dem der Landkreis Gesellschafter ist. Im April haben wir eine erste Gesundheitskonferenz ins Leben gerufen, weil die allgemeine Situation der Krankenhäuser in Deutschland auch vor den Kliniktüren des Elbe-Elster-Klinikums nicht Halt macht. Ein Grund für die Probleme ist der große Fachkräftemangel, der sich zuspitzt. Aktuell haben wir 19 Vollzeitkräfte bei den Ärzten, die wir nicht besetzen können. Das führt zu Engpässen und zu einer hohen Arbeitsbelastung derer, die aktuell ihren Dienst tun.
Andererseits gibt es die hohen wirtschaftlichen Belastungen durch hohe Energiepreise und durch die Inflation. Dem gegenüber stehen rückläufige Einnahmen, weil weniger Patienten die stationären Einrichtungen besuchen. Das zeigt uns, dass nach Corona möglichst viele Menschen ambulant behandelt werden möchten. Das wird auch getan. Demzufolge haben wir eine geringere Auslastung, als noch vor Corona zu erwarten war. Wir liegen jetzt knapp bei 50 Prozent Auslastung. Aber auch leerstehende Betten kosten Geld, das Personal muss bezahlt werden. Das bindet aktuell unnötig Ressourcen. Für den Betrieb, wie er jetzt läuft, gibt es keine Ausfinanzierung durch den Bund oder das Land.
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie in diesem Jahr?
Wir werden in diesem Jahr erstmals ein negatives Ergebnis erzielen (erwartet wird ein Verlust von neun Millionen Euro, Anm. d. Red.). Das ergeben die ersten Zahlen aus den Quartalsrechnungen. Deswegen haben wir auch 30 Vertreter aus der Region zu der Gesundheitskonferenz eingeladen. Dabei sind zum Beispiel auch die Standortbürgermeister aus Herzberg, Finsterwalde und Elsterwerda. Wir wollen über eine Gutachterempfehlung zur "3+1-Strategie" und auch über kurzfristige Handlungserfordernisse informieren. Oberstes Ziel ist es, die Versorgung der Bürger im Landkreis sicherzustellen. Wir sind ein Flächenlandkreis mit 1.900 Quadratkilometern, das ist die doppelte Fläche der Bundeshauptstadt Berlin, und haben die Verantwortung für 100.000 Einwohner. Deswegen sind uns diese Gesprächsformate auch so wichtig.
Ist die Lage im Landkreis Elbe-Elster bezogen auf die Krankenhausprobleme schlimmer, als in anderen Regionen Deutschlands?
Andere Krankenhäuser haben Insolvenz anmelden müssen. Das ist bei uns gar nicht der Fall. Wir wollen aufgrund der Situation und der aktuellen Ergebnisse Handlungsoptionen einleiten. Unser Konzept beinhaltet den Erhalt aller drei Klinik-Standorte plus einen Krankenhaus-Neubau ("3+1-Strategie" Anm. d. Red.). Die Gutachter sind davon überzeugt, der Aufsichtsrat auch, dass diese modernen Strukturen die Versorgung verbessern, sprich auch erweitern. Aufgrund einer alternden Bevölkerung müssen wir gewisse Leistungen anbieten. Im Ergebnis führt das zu einer verbesserten Medizin, konzentriert an einem neuen Standort.
Es ist uns sehr wichtig, dass die zentrale Säule nach wie vor alle Klinik-Standorte sind. Die sollen als ambulant/stationäre Einrichtungen weiterentwickelt werden. Der Ansatz der drei Versorgungszentren und einem Neubau gestattet dann den räumlichen und inhaltlichen Zusammenschluss von Medizinern, Therapeuten und weiteren Gesundheitsdienstleistern an dem neuen Standort. Dadurch bekommen die Patienten zusätzliche Leistungen und Spezialisierungen. Gleichzeitig sind kurze Wege weiterhin möglich. Die Gutachter sehen in der "3+1-Strategie" die einzige Lösung, die sowohl die Versorgungsqualität im Landkreis verbessert und gleichzeitig eine wirtschaftlich stabile Struktur erlaubt.
Wie passt denn ein Krankenhaus-Neubau zu den schlechten Wirtschaftszahlen des Hauses und zum bereits angesprochenen Personalmangel?
Das zu erklären ist momentan die Schwierigkeit. Der Neubau wird nach den neuen Erfordernissen ausgerichtet. Das müssen wir erst entwickeln. Aber die Standorte in Herzberg, Finsterwalde und Elsterwerda sind zukünftig die Versorgungszentren in der Fläche, die bieten die Grundversorgung. Wir sind davon überzeugt, ohne Gegenmaßnahmen wird der Personalmangel dazu führen, dass Fachbereiche oder Einrichtungen des Klinikums hier in Zukunft nicht mehr betrieben werden können. Ein neues Krankenhaus ist nicht von heute auf morgen gebaut. Wir reden über die nächsten sechs bis sieben Jahre. Bislang ist es ein Vorschlag und wir wollen uns nicht zurücklehnen und abwarten bis uns die Insolvenz ereilt.
Das Bundesgesundheitsministerium hat mit seinen Reformplänen für die Krankenhäuser einige Sachen angesprochen, die notwendig sind. Wir haben in Deutschland auf absehbare Zeit nicht mehr das Personal, um die bisherigen Strukturen aufrecht zu erhalten. Durch den demographischen Wandel trifft das Elbe-Elster besonders. Wir brauchen eine gute Balance mit den Gesundheitszentren mit ambulanten und stationären Leistungen, aber auch ein spezialisiertes Angebot in dem geplanten Neubau. Dafür brauchen wir aber auch einen Rahmen durch die Bundespolitik.
Letztendlich wird die stationäre Versorgung, so wie es auch im Krankenhausplan verankert wird, an einem Standort in Elbe-Elster passieren. Die Ressourcen werden an einem Standort konzentriert. Gleichzeitig müssen wir aber die Grund- und Notversorgung in der Fläche realisieren. Es ist ein Vorschlag, der wird noch konkretisiert.
Aus eigener Kraft können wir das nicht stemmen. Es steht und fällt mit landespolitischen Entscheidungen. Deswegen wollen wir das Konzept erarbeiten und bei einer nächsten Konferenz Frau Nonnemacher (die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher/Grüne, Anm. d. Red.) vorstellen.
Wie geht es nach der Gesundheitskonferenz am Dienstag weiter?
Wir hoffen, dass der Kreistag die Verwaltung und die Geschäftsleitung des Klinikums damit beauftragt, an dem besprochenen Fahrplan für das Klinikum weiter zu arbeiten. Ziel ist es, im September bei einer weiteren Gesundheitskonferenz einen Reformweg, eine Gesundheitsstruktur für den Landkreis vorzustellen.
Dabei werden wir auch die Bevölkerung beteiligen. Wir arbeiten daran, dass wir im Rahmen einer Bürgerbefragung allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich einzubringen und Gehör zu finden. Das soll im August starten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Iris Wussmann für Antenne Brandenburg. Für die Online-Fassung wurde es gekürzt und redigiert.
Sendung: Antenne Brandenburg, 04.07.2023, 16:12 Uhr