Ernteschäden in der Prignitz - Hungrige Kraniche bringen Landwirte in Bedrängnis
Wenn Kraniche mit ihren kräftigen Trompetenlauten durch die Lüfte ziehen, ist das für viele ein besonderes Naturschauspiel. Prignitzer Landwirte sind allerdings weniger begeistert. Denn die hungrigen Vögel verursachen enorme Ernteschäden. Von Björn Haase-Wendt
Landwirt Patrick Dehr blickt frustriert auf sein Maisfeld - oder besser gesagt auf das, was davon noch übrig ist. Pflanzen stehen hier bei Cumlosen in der Prignitz nur noch vereinzelt auf dem Feld, denn die Kraniche haben sich im Frühjahr gleich nach der Aussaat ordentlich den Magen gefüllt.
"Die Kraniche fressen uns den Mais sofort nach dem Legen wieder raus, und in diesem Jahr wird selbst der Mais, der schon 50, 60 Zentimeter hoch ist, ist von den Kranichen wieder ausgebuddelt und das Korn unten abgefressen", sagt der Landwirt. In großen Gruppen von bis zu 60 Tieren haben sich vor allem Jungkraniche auf den Feldern gestärkt.
80.000 Euro Schaden
Die Folgen sind deutlich zu sehen. In den Feldern klaffen immer wieder große Lücken. In der Prignitz bewirtschaftet Dehr gut 300 Hektar an Maisfeldern: "Die Hälfte davon ist massiv betroffen und auch auf den anderen Feldern sehen wir Schäden." Zwar hat der Landwirt teilweise den Mais nochmals ausgesät, aber durch die Trockenheit haben die Pflanzen das Wachstum nicht mehr geschafft und hinken nun deutlich hinterher.
Auf anderen Feldern hat er in Absprache mit seinem Kunden - einer Biogasanlage - auf Hirse umgestellt, um wenigstens etwas Ertrag zu erzielen. Doch auskömmlich sei das nicht. "Die Hirse wird nicht richtig reif, das wird keine richtige Silage für die Biogasanlage", erklärt der Chef der Arge Agrar-Gesellschaft. Um die 80.000 Euro seien dem Betrieb in diesem Jahr durch die gefräßigen Kraniche entstanden - aufgrund von Ernteausfällen und dem Mehraufwand, wie der erneuten Aussaat. Für den Betrieb sei das eine wirtschaftliche Herausforderung, so Dehr.
Regulierung gefordert
Das Kranichproblem greift um sich, beklagt auch der Prignitzer Kreisbauernverband. Mittlerweile würden die geschützten Vögel auch an den Weizen gehen und dort die Ähren abfressen. “Da muss es Möglichkeiten der Regulierung geben“, fordert Kreisbauernchef Andreas Kiekback. Er denkt etwa an Entschädigungen vom Land für die entstandenen Schäden.
Wie das Brandenburger Umweltministerium auf rbb-Nachfrage mitteilte, gibt es jedoch für Fraßschäden durch Kraniche vom Ministerium keine Entschädigungen. Auch werden die Schäden nicht systematisch erfasst.
Wie Frank Giese von der Unteren Naturschutzbehörde der Prignitz erläutert, gibt es nach dem Bundesnaturschutzgesetz die Möglichkeit, eine Entschädigung zu beantragen. Allerdings erfolgen dort Zahlungen nur schleppend bis gar nicht. Das zeigen Erfahrungen aus einem Nachbarbetrieb in den letzten Jahren: "Da waren 40 Hektar Totalausfall. Da hat das Ministerium gesagt, wie groß ist dein Betrieb? 40 Hektar sind nicht relevant, bevor du nicht kurz vor der Insolvenz bist, zahlen wir nicht". Das sei nicht mehr zeitgemäß, so der Experte und fordert ein Umdenken.
Vergrämung kaum möglich
Das Potsdamer Umweltministerium verweist zudem auf die Möglichkeit der Vergrämung. So könnten die geschützten Kraniche etwa durch Vogelscheuchen oder Knallgaskanonen von den Feldern vertrieben werden. Andere Landwirte würden mit dem Auto über die Felder fahren, um die Kraniche aufzuscheuchen.
In der Prignitz sei das aber oftmals nicht möglich, erwidert die Untere Naturschutzbehörde des Kreises. Denn gut 45 Prozent des Landkreises liegen im Vogelschutzgebiet, und das Gebiet rund um Cumlosen zusätzlich noch im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe Brandenburg. “Der Kranich ist wertgebende Art und damit darf ich nicht vergrämen, ohne dass es vorher eine Prüfung gab“, erklärt Giese. Praktikabel sei das aber nicht. Bis die Prüfung der Schäden und des Kranichverhaltens abgeschlossen sei, seien die Tiere längst weitergezogen.
Die Landwirte fordern deshalb von der Politik Unterstützung und Lösungen. Wie die aussehen, da seien die Bauern offen, erklärt Kreisbauernchef Kiekback: "Es muss aber darüber nachgedacht und darf nicht gesagt werden: Der Kranich ist geschützt, wir sind hier Vogelschutzgebiet und ihr müsst das dulden." Denn wenn der Landwirt auf dem Schaden sitzen bleibe, dann wird es aus Sicht des Kreisbauernchefs nicht mehr lange Landwirtschaft geben - und dem Kranich wäre damit auch nicht geholfen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.07.2023, 15:00 Uhr