Ernteschäden in der Prignitz - Hungrige Kraniche bringen Landwirte in Bedrängnis

Mi 19.07.23 | 06:04 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
  21
Kraniche auf den Prignitzer Feldern (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.07.2023 | Björn Haase-Wendt | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Wenn Kraniche mit ihren kräftigen Trompetenlauten durch die Lüfte ziehen, ist das für viele ein besonderes Naturschauspiel. Prignitzer Landwirte sind allerdings weniger begeistert. Denn die hungrigen Vögel verursachen enorme Ernteschäden. Von Björn Haase-Wendt

Landwirt Patrick Dehr blickt frustriert auf sein Maisfeld - oder besser gesagt auf das, was davon noch übrig ist. Pflanzen stehen hier bei Cumlosen in der Prignitz nur noch vereinzelt auf dem Feld, denn die Kraniche haben sich im Frühjahr gleich nach der Aussaat ordentlich den Magen gefüllt.

"Die Kraniche fressen uns den Mais sofort nach dem Legen wieder raus, und in diesem Jahr wird selbst der Mais, der schon 50, 60 Zentimeter hoch ist, ist von den Kranichen wieder ausgebuddelt und das Korn unten abgefressen", sagt der Landwirt. In großen Gruppen von bis zu 60 Tieren haben sich vor allem Jungkraniche auf den Feldern gestärkt.

Kraniche auf den Prignitzer Feldern (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Prignitzer Landwirte, Vertreter der Naturschutzbehörde und des Biosphärenreservats haben in Cumlosen über die Kranichschäden beraten. (Foto: rbb/Haase-Wendt) | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

80.000 Euro Schaden

Die Folgen sind deutlich zu sehen. In den Feldern klaffen immer wieder große Lücken. In der Prignitz bewirtschaftet Dehr gut 300 Hektar an Maisfeldern: "Die Hälfte davon ist massiv betroffen und auch auf den anderen Feldern sehen wir Schäden." Zwar hat der Landwirt teilweise den Mais nochmals ausgesät, aber durch die Trockenheit haben die Pflanzen das Wachstum nicht mehr geschafft und hinken nun deutlich hinterher.

Auf anderen Feldern hat er in Absprache mit seinem Kunden - einer Biogasanlage - auf Hirse umgestellt, um wenigstens etwas Ertrag zu erzielen. Doch auskömmlich sei das nicht. "Die Hirse wird nicht richtig reif, das wird keine richtige Silage für die Biogasanlage", erklärt der Chef der Arge Agrar-Gesellschaft. Um die 80.000 Euro seien dem Betrieb in diesem Jahr durch die gefräßigen Kraniche entstanden - aufgrund von Ernteausfällen und dem Mehraufwand, wie der erneuten Aussaat. Für den Betrieb sei das eine wirtschaftliche Herausforderung, so Dehr.

Kraniche auf den Prignitzer Feldern (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Patrick und Manuela Dehr (v.r.n.l.) erläutern Cumlosens Bürgermeister und dem SPD-Landtagsabgeordneten Harald Pohle die Schäden. (Foto: rbb/Haase-Wendt) | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Regulierung gefordert

Das Kranichproblem greift um sich, beklagt auch der Prignitzer Kreisbauernverband. Mittlerweile würden die geschützten Vögel auch an den Weizen gehen und dort die Ähren abfressen. “Da muss es Möglichkeiten der Regulierung geben“, fordert Kreisbauernchef Andreas Kiekback. Er denkt etwa an Entschädigungen vom Land für die entstandenen Schäden.

Wie das Brandenburger Umweltministerium auf rbb-Nachfrage mitteilte, gibt es jedoch für Fraßschäden durch Kraniche vom Ministerium keine Entschädigungen. Auch werden die Schäden nicht systematisch erfasst.

Wie Frank Giese von der Unteren Naturschutzbehörde der Prignitz erläutert, gibt es nach dem Bundesnaturschutzgesetz die Möglichkeit, eine Entschädigung zu beantragen. Allerdings erfolgen dort Zahlungen nur schleppend bis gar nicht. Das zeigen Erfahrungen aus einem Nachbarbetrieb in den letzten Jahren: "Da waren 40 Hektar Totalausfall. Da hat das Ministerium gesagt, wie groß ist dein Betrieb? 40 Hektar sind nicht relevant, bevor du nicht kurz vor der Insolvenz bist, zahlen wir nicht". Das sei nicht mehr zeitgemäß, so der Experte und fordert ein Umdenken.

Vergrämung kaum möglich

Das Potsdamer Umweltministerium verweist zudem auf die Möglichkeit der Vergrämung. So könnten die geschützten Kraniche etwa durch Vogelscheuchen oder Knallgaskanonen von den Feldern vertrieben werden. Andere Landwirte würden mit dem Auto über die Felder fahren, um die Kraniche aufzuscheuchen.

In der Prignitz sei das aber oftmals nicht möglich, erwidert die Untere Naturschutzbehörde des Kreises. Denn gut 45 Prozent des Landkreises liegen im Vogelschutzgebiet, und das Gebiet rund um Cumlosen zusätzlich noch im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe Brandenburg. “Der Kranich ist wertgebende Art und damit darf ich nicht vergrämen, ohne dass es vorher eine Prüfung gab“, erklärt Giese. Praktikabel sei das aber nicht. Bis die Prüfung der Schäden und des Kranichverhaltens abgeschlossen sei, seien die Tiere längst weitergezogen.

Die Landwirte fordern deshalb von der Politik Unterstützung und Lösungen. Wie die aussehen, da seien die Bauern offen, erklärt Kreisbauernchef Kiekback: "Es muss aber darüber nachgedacht und darf nicht gesagt werden: Der Kranich ist geschützt, wir sind hier Vogelschutzgebiet und ihr müsst das dulden." Denn wenn der Landwirt auf dem Schaden sitzen bleibe, dann wird es aus Sicht des Kreisbauernchefs nicht mehr lange Landwirtschaft geben - und dem Kranich wäre damit auch nicht geholfen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.07.2023, 15:00 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

21 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 21.

    Der Mensch ist zu schaffen da, nicht zum (unmoralischen) zuteilen."
    Sollte da tatsächlich jemand den Kranichen den mühsam-fleißig geschaffenen Mais den liederlichen Kranichen zugeteilt haben?
    Unser Spezialist für die wahren Werte des Lebens, Wossi, wird uns da sicherlich weiterhelfen können.

  2. 20.

    Danke für die Antwort, so was in der Art wollte ich auch antworten. Die vorgehaltene Mistgabel ist klasse ;-)

  3. 19.

    Die „Faulis“, die nichts machen wollen, „die Natur richtet es von alleine“ , kommen an Grenzen, wenn es um das Gestalten und das Machen geht. Der Mensch ist zu schaffen da, nicht zum (unmoralischen) zuteilen.

  4. 18.

    Die Bauern hier werden um ihre Arbeit betrogen, wenn sie Mais anbauen."
    äh, von wem werden sie denn betrogen?
    Hat sie jemand mit vorgehaltener Mistgabel gezwungen auf riesigen Ödflächen Mais anzubauen?

  5. 17.

    Biogas gibt es inzwischen als Mini-Anlage mit geschlossenem System: Toilette trennt flüssig und fest, das wird im Sammelbehälter mit Bakterien versetzt und erzeugt Energie, diese wiederum genutzt, geklärtes H2O abgeleitet, Reste als Rohstoff verwertet.

    Es muss nicht immer -wirt sein (Landwirt statt Bauer), nicht Industrie (statt kleinteilig). Es geht auch als Teil der Natur.

  6. 16.

    Getreide anbauen, um es zu silieren und anschließend zu verbrennen, und das industriell in Monokulturen auf riesigen Feldern?
    Da haben wohl etliche Energiewende und ökologischen Umbau der Landwirtschaft nicht verstanden.
    Liebe Großbauern, die Kraniche waren zuerst da und haben euch nicht den Lebensraum weggenommen.
    Richtet Futterplätze ein und versorgt sie mit dem, was sie brauchen. Vögel sind nämlich nicht so dumm, wie Ihr ... denkt. Tiere verstehen sehr schnell, für wen eine Notfütterung gedacht ist.

  7. 15.

    In Cornwall ist das gesamte Dartmoor ein Schutzgebiet und es gibt Landwirtschaft. Die Bauern hier werden um ihre Arbeit betrogen, wenn sie Mais anbauen. Eine Umstellung müßte möglich sein und gefördert werden.

  8. 14.

    Hier geht es nur um den Schaden der Biogasbauern wo man hinschaut Monokultur Mais bis zum Horizont.
    Diese Technologie wird auch noch mit Millionen von Euros subventioniert .Deutschland kann es sich leisten
    Getreide zu verbrennen in anderen Ecken der Welt wären man froh am Tag ein Maiskolben zum Essen zu haben.
    So sieht dann die Energiewende aus und jetzt kommt noch der Kranich oh je die armen Biogasbauern.

  9. 13.

    Dafür, dass die Landwirte sich vollkommen aus freien Stücken dazu entschlossen haben, den Kranichen ein schmackhaftes Futter zu servieren, können weder die Vögel etwas, noch ist es in irgendeiner Weise die Schuld des Staates.

    Den Mais werden die Landwirte ja sicherlich angepflanzt haben, weil sie sich davon den größten Profit versprochen haben. Dass so eine Rechnung dann jedoch nicht immer aufgeht, ist ja nun auch nichts wirklich Neues …

    Von klugen Landwirten würde ich nun erwarten, dass sie in Zukunft ganz einfach nichts mehr in die Erde bringen, das auf dem Speiseplan heimischer Wildtiere steht … So schwer kann das doch eigentlich nicht sein, oder?

  10. 12.

    Landwirte sind doch oft die, die mit Monokulturen, dem Boden nicht angepasstem Anbau unter Beifügung von Chemikalien. Nitraten u.v.m., die die Umwelt belasten und uns Menschen vergiften, immer wieder nach Hilfe schreien.
    Wenn man weiß, dass es Kraniche gibt, baut man etwas anderes an, wenn man den Tieren schon den Lebensraum klaut.
    Dabei gibt es genug Landwirte, die ökologisch sinnvoll wirtschaften und als Vorbild dienen könnten, aber gegen die Indudtrielobby und Politik einsam kämpfen müssen.

  11. 11.

    Der Kranich ist nicht Schuld an der Misere, es ist der Mensch. Überall breitet der sich aus und nimmt den Lebensraum der Tiere weg. Wir sollten eher den Menschen vergrämen als die Tiere.

  12. 10.

    Merken eigentlich die Kommentatoren, dass man nicht auf der einen Seite " weg von fossilen Energien " schreien kann, ohne auf der anderen Seite einen Ersatz zu haben? Hier wäre das Biogas, erzeugt aus Maissilage, damit werden dann die umliegenden Orte mit Strom versorgt und aus der Abwärme wird Heizenergie.
    Vom Kraniche beobachten und schützen kriegt man nicht die Hütte hell und warm!

  13. 9.

    “Da muss es Möglichkeiten der Regulierung geben“, fordert Kreisbauernchef Andreas Kiekback. Er denkt etwa an Entschädigungen vom Land für die entstandenen Schäden."
    Tja, wenn der Normalkranich, Schadkranich oder Problemkranich so gar nicht in die Vorstellungen von industrieller Landwirtschaft passt, zieht immer einer den Kürzeren.
    Und da der ...kranich keine riesigen Landmaschinen zum demonstrieren hat und seine Verbandvertretung mit dem Bauernverband auch nicht so recht mithalten kann, wird er sich wohl "regulieren" lassen müssen.

  14. 8.

    Der Kranich weiß offensichtlich, dass Mais zum Essen ist und nicht für eine Biogasanlage.

  15. 7.

    Soso - mal abgesehen vom Naturschutz (wichtig !):
    Gefühlt haben (viele) Bauern seit Jahren das dringende Bedürfnis, dass sie der Stast ernährt:
    Zu trocken - gebt Hilfe
    Zu feucht - gebt Hilfe
    Zu warm - gebt Hilfe
    Tierfrass - gebt Hilfe …

    Landwirtschaft idt nun mal vom Wetter abhängig - seit tausenden von Jahren - nur mal so.

  16. 6.

    Ich finde es seltsam, wie die gleichen Leute nach dem Staat rufen, die sonst die staatlichen Vorgaben für die Landwirtschaft oft für falsch, zuviel, zu früh, zu spät und/oder zu teuer ablehnen.

  17. 5.

    Interessant, die hungrigen Vögel verursachen enormen Schaden! Hauptsache der Mensch wird satt oder wie darf man das verstehen?

  18. 4.

    Landwirtschaft in einem Vogelschutzgebiet - da widerspricht sich doch was. Und da der Mensch seinen eigenen Lebensraum immer mehr vergrößert, und der Lebensraum der Tiere immer kleiner wird, wo sollen dann die Tiere hin? Außerdem dürfte dieser Ort ohne Bearbeitung ein Feuchtgebiet sein, also genau der Lebensraum, den Kraniche zum Leben brauchen. Wenn der Bauer dann auch noch Futter "sät", dann freuen sich die Vögel über einen gedeckten Tisch ;-)

  19. 3.

    Hmm Kranich, schmecken die denn? ;-)

  20. 2.

    Der Mensch nimmt dem Tier den Lebensraum und beschwert sich dann auch noch weil das Viech was zu fressen braucht.

  21. 1.

    Da die Prignitz eine Landschaft der Moore und Feuchtwiesen ist, dürfte doch das Problem darin liegen, dass hier Mais für Energie abgebaut wird - und das auf Flächen, die vorher feucht waren und mit dem Futter für die Kraniche besiedelt waren. Wer die Bewirtschaftung der Flächen immer mehr intensiviert, darf sich nicht wundern.

Nächster Artikel