Neue TU-Studie zu Holzbau in Berlin - Zwischen Klimakiller Beton und Mondholz zu Mondpreisen

Do 25.01.24 | 17:00 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Visualisierung des Schumacher Quartiers
Bild: Schumacher Quartier

Das Schumacher-Quartier will mehr als Wohnraum bieten: Es soll zeigen, was moderner Holzbau alles leisten kann. Doch Kritikern ist der viel zu teuer. Eine neue Studie der TU tritt dem entgegen: mit wissenschaftlichen Argumenten, vor allem für die Klimabilanz. Von Sebastian Schöbel

Mit einer neuen Studie der TU Berlin wirbt die Tegel Projekt GmbH für den Einsatz von Holz im Berliner Wohnungsbau. Der Baustoff habe nicht nur eine deutlich bessere Klimabilanz als herkömmliche Baustoffe wie Beton oder Ziegel, sondern sei auch regional erhältlich und könnte eine positive Auswirkung auf die Forstwirtschaft haben.

Für die Studie hat ein Forscherteam um Galina Churkina, Leiterin des Fachbereichs Stadtökologie an der TU Berlin, eines der geplanten Gebäude im Schumacher-Quartier untersucht. Für den vierstöckigen Wohnblock ohne Keller wurden mehrere Bauvarianten durchgerechnet: vom herkömmlichen Betonbau bis zum Vollholzbau mit Spezialmaterial. "Den ersten Platz nehmen Massivholzbauweisen ein, gefolgt von Holzrahmen-Leichtbauweisen", so das Fazit der Untersuchung. Mineralbasierte Bauweisen mit Beton oder Ziegeln schneiden hingegen bei der Klimabilanz am schlechtesten ab.

Studie als Argument für Holzbau im Schumacher Quartiers

"Stahl und Stahlbeton als konventionelle Baumaterialien verursachen bei der Produktion hohe CO2-Emissionen und verfügen nur über eine geringe oder gar keine Kapazität zur Speicherung von Kohlenstoff", schreibt Studienleiterin Churkina. "Ihre ureigensten Vorteile, Festigkeit und Steifigkeit, gehen erheblich auf Kosten der Umwelt."

Mit der von ihr beauftragten Studie will die Tegel Projekt GmbH die Vorteile des Holzbaus im Schumacher-Quartier herausstellen. Auf dem ehemaligen Flughafengelände soll auf 46 Hektar Fläche ein Stadtteil mit Vorbildfunktion entstehen: Die geplanten rund 5.000 Wohnungen sollen so ressourcen-schonend wie möglich gebaut und das gesamte Quartier klimafreundlich gestaltet werden. Neben Gebäuden sind auch Versickerungsflächen für Regenwasser und Grünanlagen für Biodiversität geplant. Das Projekt gilt zugleich als Blaupause für Berlins Strategie, auch im Bausektor klimaneutral zu werden.

Märkische Kiefer oder Mondholz aus Österreich?

Das Holz für den Wohnungsbau in Tegel soll aus regionaler Forstwirtschaft kommen: Besonders Kiefernmonokulturen in Brandenburg sollen aufgelöst, das gewonnene Holz verbaut und die Wälder wieder zu Mischwäldern gemacht werden. Laut der TU-Studie liegt der Holzbedarf für das Schumacher-Quartier je nach Bauart zwischen 139.515 und 382.582 Kubikmetern. Das Holz aus Forsten in Berliner Landesbesitz könnte einen Teil des Bedarfs abdecken, so die Studie. Bezieht man den deutlich größeren Bestand der Brandenburger Forsten mit ein, könne der Holzbedarf sogar komplett aus der Region bedient werden. Allein in Brandenburg würden demnach pro Jahr fast 880.000 Kubikmeter Fichtenholz in Staatswäldern geschlagen.

Regionales Holz wäre laut der Studie auch Spezialhölzern aus anderen Regionen vorzuziehen. So gebe es zwar inzwischen Vollholz-Bauverfahren, bei denen sogar Dübel und andere Verbindungselemente aus Holz sind. Allerdings müsste das Baumaterial zum Teil von weit weg angeliefert werden, was die Klimabilanz verschlechtert. Als Beispiel wird die Firma Thoma aus Österreich genannt, die ihr Holz nur "bei abnehmendem Mond" in bestimmten Forsten schlägt, weil das Holz dadurch angeblich robuster und weniger anfällig für Schädlinge sei. Es ließen sich jedoch "keine aktuellen Quellen finden, die diese Ergebnisse untermauern", so die TU-Forscher.

Holzbau ist teurer - und schneller

Kritiker des Holzbaus verweisen allerdings immer wieder auf die höheren Baukosten: Die liegen laut der Branche zwischen sechs und zwölf Prozent über denen von konventionellen Methoden. Die Holzbau-Branche selbst spricht von einem Preisunterschied von 300 Euro pro Quadratmeter. Auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen von Berlin, die 50 Prozent der Gebäude im Schumacher-Quartier bauen sollen, hatten sich zunächst skeptisch gezeigt: So sagte Gesobau-Chef Jörg Franzen 2022 im Abgeordnetenhaus, dass im Schumacher-Quartier "nach jetzigem Stand wirtschaftlich keine einzige Wohnung gebaut werden" könne. Auch aus der Degewo kamen zuletzt eher kritische Töne: Vorstandsmitglied Sandra Wehrmann geht laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" [Bezahlinhalt] beim Holzhybridbau sogar von bis zu zwanzig Prozent höherer Kosten aus.

Inzwischen scheint sich diese Einstellung allerdings geändert zu haben. "Die aktuelle Baupreisentwicklung lässt erkennen, dass bei vielen Projekten kaum ein Unterschied zwischen konventioneller Bauweise und dem Holzhybridbau besteht", teilte ein Degewo-Sprecher auf rbb-Nachfrage mit. Zudem sei die Bauzeit kürzer. Das Unternehmen habe inzwischen bereits mehrere hundert Wohnungen in Holzbauweise errichtet, aktuell sei eine Holzbau-Kita in Arbeit, und weitere Projekte sollen folgen.

Gesobau-Chef Franzen verweist gegenüber dem rbb allerdings weiterhin auf die höheren Preis beim Holzbau, vor allem bei höheren Gebäuden. "Vorteile liegen vorwiegend im Holzhybridbau", so Franzen. "Dieser bietet die Möglichkeit, inbesondere die technisch anspruchsvollen Bauteile in kostengünstiger Massivbauweise zu errichten." Zudem sei Holzbau schneller und platzsparender, weil geringere Wandaufbauten nötig seien.

Dennoch bleibe der Holzbau anspruchsvoll, gerade auch mit Blick auf Brand- und Schallschutzvorgaben. "Darüber hinaus fehlen im Berliner Raum jahrelange Erfahrungswerte und Expertise im Holzbau, die alle Beteiligten sich erst erarbeiten müssen." Dennoch gewinne der Holzbau auch in seinem Unternehmen an Bedeutung, sagt Franzen, aktuell seien insgesamt rund 100 Wohneinheiten in konkreter Planung.

Berlin ist Holzbau-Hauptstadt Deutschlands

Laut einer Marktstudie des Beratungs- und Analyseinstituts Bulwiengesa hat Berlin eine höhere Holzbauquote als alle anderen Bundesländer. Deutschlandweit spielt Holz allerdings weiter eine untergeordnete Rolle: Mehr als 96 Prozent aller neuen Gebäude werden weiterhin mit konventionellen Baustoffen errichtet, so die Bulwiengesa-Untersuchung. Als Grund gibt die Branche neben den erhöhten Kosten vor allem fehlende Handwerker und mangelnde Holzbau-Expertise an.

Im Schumacher-Quartier sollen die ersten Gebäude bis 2027 fertiggestellt sein. Zuletzt gab es allerdings Verzögerungen, weil die Autobahngesellschaft des Bundes den Bebauungsplan blockierte: Die Autobahnplaner fordern einen größeren Abstand der Gebäude zum darunter liegenden Tunnel der A111. Das wiederum könnte laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dazu führen, dass mehr als 500 Wohneinheiten weniger im Schumacher-Quartier entstehen. Die Verhandlungen sollen noch in diesem Monat fortgesetzt werden.

Visualisierung des geplanten Schumacher Quartier

Beitrag von Sebastian Schöbel

17 Kommentare

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  1. 17.

    In Friedrichshagen stehen Häuser aus Holzbeton. Man muss jetzt nicht tragende Bauteile massiv aus Leimholz bauen. Da ist Stahlbeton schon gut und dauerhaft. Füllungen aus Holzbeton und auch die gute "Sauerkohlplatte" hat ihre Berechtigung. Die Außenfassade aus Holz / Brettern wäre Vergeudung. Putz geht heute schnell und ist vernünftig. Einfamilienhäuser mit Holzgerüst und Beplankung e t c, ist ja zu ertragen. Außenholz braucht Holzschutz und der ist bei großen Gebäuden aufwendig.

  2. 16.

    Also wenn ich jetzt mal davon ausgehe, dass solche Holzhäuser als Blöcke aus Fertigelementen zusammengesetzt sind, geht bauen so schon schnell und effizient. Diese Elemente sind aber nicht aus einem Stück Holz gesägt, sondern zusammengesetzt aus kleinen Stücken und Holzplatten, die irgendwie zusammengeklebt wurden. Ist dieser Kleber Naturharz? Und was mich echt auch mal interessieren dürfte: Was ist mit Langzeitkosten? Feuer, Rohrbruch, Wasserschaden... nicht dass man dann gleich das ganze Haus zerlegen muss, wenns mal ordentlich Wasser durch die Wände rieselt. Dass man solche Holzschachteln ebenso unkompliziert im Alltag behandeln und gebrauchen kann wie unseren guten alten Stahlbeton seit über 50 Jahren hier, ist für mich auch noch fraglich.

  3. 15.

    Im Rahmen meiner Ausbildung zum Fachingenieur Holzbau musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Holzbau und Schallschutz nur bedingt beste Freunde werden.

    Die Musterholzbaurichtlinie, die in Berlin bauaufsichtlich eingeführt ist, erlaubt das Verwenden von Holz nur gekapselt - also Gipskarton darauf. Der lässt sich aber nicht gut rezyklieren, Mann müsste den Karton und den Gips trennen. Macht keiner …

  4. 14.

    Am Südkreuz ist seit 2022 das größte Holzhybrid-Bürogebäude Deutschlands "in Betrieb". Vielleicht mal bei der Firma Edge wegen der Expertise nachfragen. ;-)

  5. 13.

    Ja, der Londoner Oakwood Timber Tower ist schon eine krasse Nummer. Ich hoffe, dass wir so etwas dort auch hinbekommen, jetzt wo sowieso neu geplant werden muss und dann vielleicht auch gleich noch am Rande des Tempelhofer Brachfeldes. So könnte man ganz schnell Wohnraum schaffen und auch nachhaltige Leuchtturmprojekte schaffen in der Bundeshauptstadt. Kann einer der Zuständigen vielleicht mal in London anrufen oder ein Telefax senden...

  6. 12.
    Antwort auf [Müller's Detlef] vom 25.01.2024 um 17:49

    In den nordischen Ländern sind die Keller im Erdgeschoss des Gebäudes beheimatet. Manchmal ist es gut, die Berliner Insel auch mal zu verlassen...

  7. 11.

    Man könnte hier sogar auf den Autobahntunneln in Deutschland bauen. „Holzgebäude sind von Natur aus sehr leicht und benötigen ein weniger tiefes Fundament. Das heißt, sie sind ideal für Bauplätze in großen Städten, unter denen sich Infrastruktur wie etwa Tunnels befinden“. In Holz gebaut hat der Tower in etwa ein Viertel des Gewichtes, das eine entsprechende Struktur aus Stahl und Beton haben würde.

  8. 10.

    Aber für das Projekt könnte man durchaus das Holz nehmen, was sowieso aktuell im Rahmen des Umbaus der Wälder anfällt. Es geht nie um kompletten Ersatz, sondern um Alternativen. Und wenn Sie gelesen hätten, was ich bereits geschrieben habe, dann wüssten Sie, dass es nie um reines Vollholz geht, sondern das Zauberwort für den höhentauglichen Holzbau lautet Cross Laminated Timber (CLT), zu Deutsch Brettsperrholz ist.

  9. 9.

    Also wenn der Artikel stimmt, dann wird knapp die Hälfte des jährlichen Holzertrag ganz Brandenburgs für dieses winzige Modellprojekt benötigt? Gerade mal 5.000 Wohnung? Werden doch sehr viel mehr Wohnungen benötigt!

    Und sollte man nicht viel höher bauen, um das Klima zu schonen und die Zersiedelung der Landschaft zu stoppen. Also mindestens 10 Stockwerke?!

  10. 8.

    Holz wird niemals den Beton als Baustoff voll ersetzen können. So viel Holz gibt es auf der ganzen Welt nicht, um allein den Wohnraumbedarf in Deutschland zu befriedigen. Es sei denn, man plündert die Waldbestände im In- und Ausland in ökologisch nicht vertretbarer Weise. Darüber hinaus ist der finanzielle Aufwand schon jetzt überdurchschnittlich hoch und würde bei stark steigendem Holzbedarf nicht günstiger. Und da ist noch der erhöhte Arbeitsaufwand für Bau und Instandhaltung von Holzhäusern, der Geld und Arbeitskräfte kostet. Das heißt nicht, dass der Holzbau keine Chancen hätte, er kann eine sinnvolle Ergänzung sein, dort, wo es sich anbietet, aber eine generelle Ersatzlösung wird er meiner Meinung nach nicht sein, schon gar keine ökologischere.

  11. 7.

    Die Kernaussage dürfte aber passen.
    Die Menge die für das Quartier über einige Jahre Bauzeit benötigt wird, kann locker aus dem regionalem Umkreis von ca. 100km rangeholt werden ohne dem Wald/Forst zu schaden. Bissel weniger Export und das passt.

  12. 6.

    Bitte nach London schauen, die Zukunft ist jetzt. Wenn ich lese "Darüber hinaus fehlen im Berliner Raum jahrelange Erfahrungswerte und Expertise im Holzbau, die alle Beteiligten sich erst erarbeiten müssen."
    Und dann im Netz lese: "Forscher der Cambridge University helfen dabei, Londons fantastische Vision eines Woodscrapers umzusetzen. Der Oakwood Timber Tower soll 300 Meter in den Himmel ragen und sich mit dem höchsten Gebäude der Stadt messen."
    Holzgebäude sind von Natur aus sehr leicht und benötigen ein weniger tiefes Fundament. Das heißt, sie sind ideal für Bauplätze in großen Städten, sagt Kevin Flanagan, PLP Architecture. Dann sollte man hier mal anfragen, wie das geht.

  13. 5.

    Das Zauberwort für den höhentauglichen Holzbau lautet Cross Laminated Timber (CLT), zu Deutsch Brettsperrholz. Die Entwicklung von entsprechenden Produkten hat seit den 1990er-Jahren an Fahrt aufgenommen. Österreich und Deutschland zählen zu den wichtigsten europäischen Produzenten und Exporteuren in diesem enormen Wachstumsmarkt.

  14. 4.

    Hoffentlich bekommen wir hier auch unseren ersten Woodscraper an dieser Stelle in Berlin! Während man beim Berliner WoHo und Eindhovens Dutch Mountains gerade dabei ist, die 100-Meter-Marke im Holzbau zu knacken, sind die Ziele für Londons Skyline-Zuwachs deutlich höher gesteckt. Mit geplanten 300 Metern Höhe liegt der Oakwood Timber Tower knapp unter jener von The Shard.
    Das Zauberwort für den höhentauglichen Holzbau lautet Cross Laminated Timber (CLT), zu Deutsch Brettsperrholz. Die Entwicklung von entsprechenden Produkten hat seit den 1990er-Jahren an Fahrt aufgenommen. Österreich und Deutschland zählen zu den wichtigsten europäischen Produzenten und Exporteuren in diesem enormen Wachstumsmarkt.
    „Modulare Paneele aus Brettsperrholz können oft in einem Drittel der Zeit gebaut werden. Sie brauchen weniger Arbeitskraft und erzeugen weitaus weniger Lärm als Beton-Elemente“, betont Kevin Flanagan, der architektonische Leiter des Oakwood Timber Tower.

  15. 3.

    Das ist unrichtig. Sie scheinen nicht auf dem Stand der Entwicklung zu sein: Was für das Einfamilienhaus gilt, ist längst auch anderswo der Fall: Holz ist beim Bauen mehrgeschossiger Gebäude als ökologische und wirtschaftliche Alternative auf dem Vormarsch. Immer mehr Bauherren, Ingenieure und Architekten schätzen die hervorragenden statischen Eigenschaften und die raumklimatischen Vorteile des Baustoffs. Dass dieser heute selbstverständlich auch höchsten Brandschutz- und Schallschutzanforderungen genügt, ist ein weiteres schlagendes Argument gerade beim Mehrfamilienhaus aus Holz.
    Ich hoffe nur, dass die hoch genug bauen, damit hier möglichst viele Menschen ein neues Zuhause finden. Bitte die Flächen ausnutzen, Platz ist genug an der Stelle vorhanden und Wohnraum wird nicht nur in der kalten Jahreszeit benötigt.

  16. 2.

    Laut Statistik Berlin-Brandenburg wurden in 2022 etwa 580.400 m3 Fichte, Tanne und Douglasie eingeschlagen.

    Da baut sich jemand seine Welt wie sie ihm gefällt.

  17. 1.

    Es gibt Städte, in denen es nach mehreren Großbränden verboten wurde, Holzhäuser zu errichten.
    Und das war im Mittelalter.
    Ich hoffe, im Planungsbereich ist auch eine Feuerwehr vorgesehen.
    Feuersicher, versteht sich…

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